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[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.

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Eure Akademiker glichen vor einiger Zeit jenem Manne, der, um den Feind nicht durch die Thür des Hauses eindringen zu lassen, lieber das ganze Haus abriß. Ein Narr zündete einen Wald an, um sich zwei Eier zu kochen; Jene gaben dazu das extreme Gegenbild. Man weiß, daß die beste Art, sich der Könige zu entledigen, die Abschaffung des Königthums ist, darum wollte man lieber die Philosophie aufheben, als einem Philosophen dieses oder jenes Namens seine Verehrung zuwenden. Zu Fichte sagte man einst: Theurer Fichte, nur noch zwei Stimmen, und Sie wären Einer der Unsrigen gewesen! Zu Hegel sagte man: Verehrter Herr Hegel, wir hätten's uns für eine Ehre geschätzt -- mais la philosophie n'existe plus. Jetzt ist nun dieser gestorben, oder wie F. Förster sich ausdrücken würde, er sitzet zur Rechten Gottes, was steht da noch zu fürchten? Der Convent decretirt das Dasein Gottes, die Philosophie ist wieder Facultät der Berliner Akademie, und das Zweigespann des preußischen Pascal und des preußisch-christlichen Sokrates ihre Heroen.

Du hegst die Besorgniß, alle Dinge im Himmel und in Preußen seien nun ausgedacht. Aber Hegels Einfluß war doch nur unwesentlich im Preußischen, der Organismus des Landes und der Regierung ist noch immer Fichtisch. Fichte hat eine

Eure Akademiker glichen vor einiger Zeit jenem Manne, der, um den Feind nicht durch die Thür des Hauses eindringen zu lassen, lieber das ganze Haus abriß. Ein Narr zündete einen Wald an, um sich zwei Eier zu kochen; Jene gaben dazu das extreme Gegenbild. Man weiß, daß die beste Art, sich der Könige zu entledigen, die Abschaffung des Königthums ist, darum wollte man lieber die Philosophie aufheben, als einem Philosophen dieses oder jenes Namens seine Verehrung zuwenden. Zu Fichte sagte man einst: Theurer Fichte, nur noch zwei Stimmen, und Sie wären Einer der Unsrigen gewesen! Zu Hegel sagte man: Verehrter Herr Hegel, wir hätten’s uns für eine Ehre geschätzt — mais la philosophie n’existe plus. Jetzt ist nun dieser gestorben, oder wie F. Förster sich ausdrücken würde, er sitzet zur Rechten Gottes, was steht da noch zu fürchten? Der Convent decretirt das Dasein Gottes, die Philosophie ist wieder Facultät der Berliner Akademie, und das Zweigespann des preußischen Pascal und des preußisch-christlichen Sokrates ihre Heroen.

Du hegst die Besorgniß, alle Dinge im Himmel und in Preußen seien nun ausgedacht. Aber Hegels Einfluß war doch nur unwesentlich im Preußischen, der Organismus des Landes und der Regierung ist noch immer Fichtisch. Fichte hat eine

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[155/0168] Eure Akademiker glichen vor einiger Zeit jenem Manne, der, um den Feind nicht durch die Thür des Hauses eindringen zu lassen, lieber das ganze Haus abriß. Ein Narr zündete einen Wald an, um sich zwei Eier zu kochen; Jene gaben dazu das extreme Gegenbild. Man weiß, daß die beste Art, sich der Könige zu entledigen, die Abschaffung des Königthums ist, darum wollte man lieber die Philosophie aufheben, als einem Philosophen dieses oder jenes Namens seine Verehrung zuwenden. Zu Fichte sagte man einst: Theurer Fichte, nur noch zwei Stimmen, und Sie wären Einer der Unsrigen gewesen! Zu Hegel sagte man: Verehrter Herr Hegel, wir hätten’s uns für eine Ehre geschätzt — mais la philosophie n’existe plus. Jetzt ist nun dieser gestorben, oder wie F. Förster sich ausdrücken würde, er sitzet zur Rechten Gottes, was steht da noch zu fürchten? Der Convent decretirt das Dasein Gottes, die Philosophie ist wieder Facultät der Berliner Akademie, und das Zweigespann des preußischen Pascal und des preußisch-christlichen Sokrates ihre Heroen. Du hegst die Besorgniß, alle Dinge im Himmel und in Preußen seien nun ausgedacht. Aber Hegels Einfluß war doch nur unwesentlich im Preußischen, der Organismus des Landes und der Regierung ist noch immer Fichtisch. Fichte hat eine

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Zitationshilfe: [Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/168>, abgerufen am 27.11.2024.