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[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.

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Schriften, die man mit dem Ehrennamen deutscher Literatur belegt, Dich nicht?

Aber wo willst Du denn hin? So bleibe doch! So wie Du nur vom Stande kindlicher Unschuld hörst, wogst und sprudelst Du in solchen Entzückungen auf, daß mich der süße Wahn des Mädchens rührt, der sich so gern in eine Welt hineinzaubert, deren Aequator eine Rosenkette, deren Meridiane Seidenbänder sind. Wohlan! die Hälfte unserer Autoren geb' ich Dir auch immerhin unter dem Bilde eines schuldlosen Lammes. Ein rothes Bändchen ziert den wolligen Hals, worunter ein silbernes Glöcklein im lieblichsten Tone. Gehe hin, und führe es auf die Weide unter Blumen und Klee.

Aber mit der andern Hälfte muß ich männlicher reden. Ich meine die, die über gewisse Dinge nur erröthet, weil sie fürchtet, über sie wirklich ihre Farbe nicht zu verändern. Sie muß die Tugend lieben, weil ihr sonst das Laster aus tausend Löchern hervorsehen würde.

Die meisten Menschen sind im Besitz so weniger Empfindungen, die ihnen das Zeugniß ihrer edleren Natur sichern könnten, daß sie es auch nicht um einen Schritt wagen, sich von dem großen Ruhekissen zu entfernen. Warum haben unsere Schriftsteller nie einen bleibenden, schlagenden Eindruck auf ihre Zeitgenossen gemacht? warum sind

Schriften, die man mit dem Ehrennamen deutscher Literatur belegt, Dich nicht?

Aber wo willst Du denn hin? So bleibe doch! So wie Du nur vom Stande kindlicher Unschuld hörst, wogst und sprudelst Du in solchen Entzückungen auf, daß mich der süße Wahn des Mädchens rührt, der sich so gern in eine Welt hineinzaubert, deren Aequator eine Rosenkette, deren Meridiane Seidenbänder sind. Wohlan! die Hälfte unserer Autoren geb’ ich Dir auch immerhin unter dem Bilde eines schuldlosen Lammes. Ein rothes Bändchen ziert den wolligen Hals, worunter ein silbernes Glöcklein im lieblichsten Tone. Gehe hin, und führe es auf die Weide unter Blumen und Klee.

Aber mit der andern Hälfte muß ich männlicher reden. Ich meine die, die über gewisse Dinge nur erröthet, weil sie fürchtet, über sie wirklich ihre Farbe nicht zu verändern. Sie muß die Tugend lieben, weil ihr sonst das Laster aus tausend Löchern hervorsehen würde.

Die meisten Menschen sind im Besitz so weniger Empfindungen, die ihnen das Zeugniß ihrer edleren Natur sichern könnten, daß sie es auch nicht um einen Schritt wagen, sich von dem großen Ruhekissen zu entfernen. Warum haben unsere Schriftsteller nie einen bleibenden, schlagenden Eindruck auf ihre Zeitgenossen gemacht? warum sind

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[127/0140] Schriften, die man mit dem Ehrennamen deutscher Literatur belegt, Dich nicht? Aber wo willst Du denn hin? So bleibe doch! So wie Du nur vom Stande kindlicher Unschuld hörst, wogst und sprudelst Du in solchen Entzückungen auf, daß mich der süße Wahn des Mädchens rührt, der sich so gern in eine Welt hineinzaubert, deren Aequator eine Rosenkette, deren Meridiane Seidenbänder sind. Wohlan! die Hälfte unserer Autoren geb’ ich Dir auch immerhin unter dem Bilde eines schuldlosen Lammes. Ein rothes Bändchen ziert den wolligen Hals, worunter ein silbernes Glöcklein im lieblichsten Tone. Gehe hin, und führe es auf die Weide unter Blumen und Klee. Aber mit der andern Hälfte muß ich männlicher reden. Ich meine die, die über gewisse Dinge nur erröthet, weil sie fürchtet, über sie wirklich ihre Farbe nicht zu verändern. Sie muß die Tugend lieben, weil ihr sonst das Laster aus tausend Löchern hervorsehen würde. Die meisten Menschen sind im Besitz so weniger Empfindungen, die ihnen das Zeugniß ihrer edleren Natur sichern könnten, daß sie es auch nicht um einen Schritt wagen, sich von dem großen Ruhekissen zu entfernen. Warum haben unsere Schriftsteller nie einen bleibenden, schlagenden Eindruck auf ihre Zeitgenossen gemacht? warum sind

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Zitationshilfe: [Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/140>, abgerufen am 22.11.2024.