[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.reformer, einen Hunt, so haben sie mich doch noch lieber, als wenn ich irgend einen Anklang an französisches Leben verrathe. Um Dir ein Beispiel zu geben, wie in Frankreich zu manchen Zeiten auch kein einziges Moment vorhanden ist, an das sich das Interesse eines preußischen Herzens anschlösse, wähl' ich die Lage Frankreichs zu Anfang des verflossenen Jahres. Die Deputirtenkammer war damals den französischen Patrioten ein Gräuel, sie lobte Lafayette, um ihn zu tadeln, sie hatte sowohl jene Partei gegen sich, die sie als Unruhstifter bezeichnete, als auch die Regierung, die sie im Einverständniß mit dieser handeln sehen wollte. Welcher Gesichtspunkt bleibt nun da für ein preußisches Auge übrig? Die Kammer wird gehaßt, weil constitutionelle Formen in Preußen a priori ein Gräuel sind. Lafayette gilt in Berlin als der lächerlichste alte Geck, der sich auf seinem revolutionairen Steckenpferde fast kindisch gebärdet. Vor Blättern, wie die Tribune, die Revolution, der National schlägt man ein Kreuz. Eine Regierung, die einen Odillon Barrot zu ihren Gliedern zählte, die die Affichen der Studierenden billigen konnte, scheint das gefährlichste Beispiel. Die Karlisten tadelt man, weil Louis Philipp von den europäischen Monarchen als Bruder anerkannt worden ist. reformer, einen Hunt, so haben sie mich doch noch lieber, als wenn ich irgend einen Anklang an französisches Leben verrathe. Um Dir ein Beispiel zu geben, wie in Frankreich zu manchen Zeiten auch kein einziges Moment vorhanden ist, an das sich das Interesse eines preußischen Herzens anschlösse, wähl’ ich die Lage Frankreichs zu Anfang des verflossenen Jahres. Die Deputirtenkammer war damals den französischen Patrioten ein Gräuel, sie lobte Lafayette, um ihn zu tadeln, sie hatte sowohl jene Partei gegen sich, die sie als Unruhstifter bezeichnete, als auch die Regierung, die sie im Einverständniß mit dieser handeln sehen wollte. Welcher Gesichtspunkt bleibt nun da für ein preußisches Auge übrig? Die Kammer wird gehaßt, weil constitutionelle Formen in Preußen a priori ein Gräuel sind. Lafayette gilt in Berlin als der lächerlichste alte Geck, der sich auf seinem revolutionairen Steckenpferde fast kindisch gebärdet. Vor Blättern, wie die Tribune, die Revolution, der National schlägt man ein Kreuz. Eine Regierung, die einen Odillon Barrot zu ihren Gliedern zählte, die die Affichen der Studierenden billigen konnte, scheint das gefährlichste Beispiel. Die Karlisten tadelt man, weil Louis Philipp von den europäischen Monarchen als Bruder anerkannt worden ist. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0131" n="118"/> reformer, einen Hunt, so haben sie mich doch noch lieber, als wenn ich irgend einen Anklang an französisches Leben verrathe.</p> <p>Um Dir ein Beispiel zu geben, wie in Frankreich zu manchen Zeiten auch kein einziges Moment vorhanden ist, an das sich das Interesse eines preußischen Herzens anschlösse, wähl’ ich die Lage Frankreichs zu Anfang des verflossenen Jahres. Die Deputirtenkammer war damals den französischen Patrioten ein Gräuel, sie lobte Lafayette, um ihn zu tadeln, sie hatte sowohl jene Partei gegen sich, die sie als Unruhstifter bezeichnete, als auch die Regierung, die sie im Einverständniß mit dieser handeln sehen wollte. Welcher Gesichtspunkt bleibt nun da für ein preußisches Auge übrig? Die Kammer wird gehaßt, weil constitutionelle Formen in Preußen <hi rendition="#aq">a priori</hi> ein Gräuel sind. Lafayette gilt in Berlin als der lächerlichste alte Geck, der sich auf seinem revolutionairen Steckenpferde fast kindisch gebärdet. Vor Blättern, wie die <hi rendition="#g">Tribune</hi>, die <hi rendition="#g">Revolution</hi>, der <hi rendition="#g">National</hi> schlägt man ein Kreuz. Eine Regierung, die einen <hi rendition="#g">Odillon Barrot</hi> zu ihren Gliedern zählte, die die Affichen der Studierenden billigen konnte, scheint das gefährlichste Beispiel. Die Karlisten tadelt man, weil Louis Philipp von den europäischen Monarchen als Bruder anerkannt worden ist. </p> </div> </body> </text> </TEI> [118/0131]
reformer, einen Hunt, so haben sie mich doch noch lieber, als wenn ich irgend einen Anklang an französisches Leben verrathe.
Um Dir ein Beispiel zu geben, wie in Frankreich zu manchen Zeiten auch kein einziges Moment vorhanden ist, an das sich das Interesse eines preußischen Herzens anschlösse, wähl’ ich die Lage Frankreichs zu Anfang des verflossenen Jahres. Die Deputirtenkammer war damals den französischen Patrioten ein Gräuel, sie lobte Lafayette, um ihn zu tadeln, sie hatte sowohl jene Partei gegen sich, die sie als Unruhstifter bezeichnete, als auch die Regierung, die sie im Einverständniß mit dieser handeln sehen wollte. Welcher Gesichtspunkt bleibt nun da für ein preußisches Auge übrig? Die Kammer wird gehaßt, weil constitutionelle Formen in Preußen a priori ein Gräuel sind. Lafayette gilt in Berlin als der lächerlichste alte Geck, der sich auf seinem revolutionairen Steckenpferde fast kindisch gebärdet. Vor Blättern, wie die Tribune, die Revolution, der National schlägt man ein Kreuz. Eine Regierung, die einen Odillon Barrot zu ihren Gliedern zählte, die die Affichen der Studierenden billigen konnte, scheint das gefährlichste Beispiel. Die Karlisten tadelt man, weil Louis Philipp von den europäischen Monarchen als Bruder anerkannt worden ist.
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Zitationshilfe: | [Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/131>, abgerufen am 16.02.2025. |