[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.fänger und Vollender ihres Heils. Vom Christen gibt es hier nur ein Schema, das unabhängig ist von allen Verhältnissen der äußeren Welt, dies ist der ewig wiederkehrende Text, die Geschichte des innern Menschen. Es gibt ein Büchlein, worin die Perioden und Epochen dieser Geschichte in Bildern dargestellt sind. Die Unterlage der allmählichen Entwickelung ist ein menschliches Herz, wohinein alle Symbole der Dinge, die dem Menschen in seinem natürlichen und geistlichen Zustande heilig sind, gezeichnet worden. Ein Geldsack, eine Sau, ein Bock, eine Schlange und dergleichen stehen da, wo endlich späterhin die Bibel, das Kreuz Christi, der Kelch des Abendmahls prangen. Beim Untergang der Welt findet man dies Häuflein vielleicht noch in stiller Andacht versammelt, und redend vom Mysterium der Wiedergeburt, und die Stichwörter seiner Bluttheologie sich zurufend. Andere Kanzelredner wollen in der That zeitgemäß werden. Aber sie sind zu ästhetisch gebildet, um an den Wirren dieser Zeit Wohlgefallen zu finden. Sie stehen den Fürsten, besonders den weiblichen Gliedern der Höfe so nahe, daß sie zu Seitenblicken auf die arge, böse Welt beständig versucht werden. Sie predigen über Unruhe und Verwirrung, über Völker, die frevelnd am Heiligsten gegen ihre Fürsten aufstehen, über die Ver- fänger und Vollender ihres Heils. Vom Christen gibt es hier nur ein Schema, das unabhängig ist von allen Verhältnissen der äußeren Welt, dies ist der ewig wiederkehrende Text, die Geschichte des innern Menschen. Es gibt ein Büchlein, worin die Perioden und Epochen dieser Geschichte in Bildern dargestellt sind. Die Unterlage der allmählichen Entwickelung ist ein menschliches Herz, wohinein alle Symbole der Dinge, die dem Menschen in seinem natürlichen und geistlichen Zustande heilig sind, gezeichnet worden. Ein Geldsack, eine Sau, ein Bock, eine Schlange und dergleichen stehen da, wo endlich späterhin die Bibel, das Kreuz Christi, der Kelch des Abendmahls prangen. Beim Untergang der Welt findet man dies Häuflein vielleicht noch in stiller Andacht versammelt, und redend vom Mysterium der Wiedergeburt, und die Stichwörter seiner Bluttheologie sich zurufend. Andere Kanzelredner wollen in der That zeitgemäß werden. Aber sie sind zu ästhetisch gebildet, um an den Wirren dieser Zeit Wohlgefallen zu finden. Sie stehen den Fürsten, besonders den weiblichen Gliedern der Höfe so nahe, daß sie zu Seitenblicken auf die arge, böse Welt beständig versucht werden. Sie predigen über Unruhe und Verwirrung, über Völker, die frevelnd am Heiligsten gegen ihre Fürsten aufstehen, über die Ver- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0116" n="103"/> fänger und Vollender ihres Heils. Vom Christen gibt es hier nur ein Schema, das unabhängig ist von allen Verhältnissen der äußeren Welt, dies ist der ewig wiederkehrende Text, die Geschichte des innern Menschen. Es gibt ein Büchlein, worin die Perioden und Epochen dieser Geschichte in Bildern dargestellt sind. Die Unterlage der allmählichen Entwickelung ist ein menschliches Herz, wohinein alle Symbole der Dinge, die dem Menschen in seinem natürlichen und geistlichen Zustande heilig sind, gezeichnet worden. Ein Geldsack, eine Sau, ein Bock, eine Schlange und dergleichen stehen da, wo endlich späterhin die Bibel, das Kreuz Christi, der Kelch des Abendmahls prangen. Beim Untergang der Welt findet man dies Häuflein vielleicht noch in stiller Andacht versammelt, und redend vom Mysterium der Wiedergeburt, und die Stichwörter seiner Bluttheologie sich zurufend.</p> <p>Andere Kanzelredner wollen in der That zeitgemäß werden. Aber sie sind zu ästhetisch gebildet, um an den Wirren dieser Zeit Wohlgefallen zu finden. Sie stehen den Fürsten, besonders den weiblichen Gliedern der Höfe so nahe, daß sie zu Seitenblicken auf die arge, böse Welt beständig versucht werden. Sie predigen über Unruhe und Verwirrung, über Völker, die frevelnd am Heiligsten gegen ihre Fürsten aufstehen, über die Ver- </p> </div> </body> </text> </TEI> [103/0116]
fänger und Vollender ihres Heils. Vom Christen gibt es hier nur ein Schema, das unabhängig ist von allen Verhältnissen der äußeren Welt, dies ist der ewig wiederkehrende Text, die Geschichte des innern Menschen. Es gibt ein Büchlein, worin die Perioden und Epochen dieser Geschichte in Bildern dargestellt sind. Die Unterlage der allmählichen Entwickelung ist ein menschliches Herz, wohinein alle Symbole der Dinge, die dem Menschen in seinem natürlichen und geistlichen Zustande heilig sind, gezeichnet worden. Ein Geldsack, eine Sau, ein Bock, eine Schlange und dergleichen stehen da, wo endlich späterhin die Bibel, das Kreuz Christi, der Kelch des Abendmahls prangen. Beim Untergang der Welt findet man dies Häuflein vielleicht noch in stiller Andacht versammelt, und redend vom Mysterium der Wiedergeburt, und die Stichwörter seiner Bluttheologie sich zurufend.
Andere Kanzelredner wollen in der That zeitgemäß werden. Aber sie sind zu ästhetisch gebildet, um an den Wirren dieser Zeit Wohlgefallen zu finden. Sie stehen den Fürsten, besonders den weiblichen Gliedern der Höfe so nahe, daß sie zu Seitenblicken auf die arge, böse Welt beständig versucht werden. Sie predigen über Unruhe und Verwirrung, über Völker, die frevelnd am Heiligsten gegen ihre Fürsten aufstehen, über die Ver-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/116 |
Zitationshilfe: | [Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/116>, abgerufen am 16.02.2025. |