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[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.

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Die Wünsche der Menschen reichen nie weiter als die Theilnahme, die sie erregen. Es gibt nur Hoffnungen, in sofern man ihre Erfüllung mit Andern theilen kann. Deine Theilnahme aber ist immer der Wunsch selbst, und darum hast Du einen doppelten Verlust. Dein Mitgefühl ist verschwendet und Deine Aussicht getäuscht. Hoffe doch auf nichts, als auf die Hoffenden selbst! Mich interessirt weniger das Gefundene als das Gesuchte. Beste, was kann lächerlicher sein, als eine Menschheit, die nach Kamtschatka wallfahrtet, um die Aepfel der Hesperiden zu holen!

Wenn ich nicht bei Trauerspielen lachen müßte, so würde ich Dich fragen, warum Du bei Lustspielen weinst.

Als Korinth zerstört und Griechenlands letzte Kraft gebrochen wurde, da stelltest Du Dich hoch auf den Olympus und sahest über Thessaliens Höhen in die blutigen Thäler von Hellas. Ich stand hinter Dir und trocknete lachend die Thränen, die Du weintest, als müßte jeder Tag nicht seinen Abend haben.

An Deiner Stelle hätt' ich mich auf dem Schlachtfelde bei Philippi geschämt, als Cassius Schatten auf Dich zukam, und Deine Beileidsbezeugungen mit den Worten abwies: Weib, heule die schlafenden Krieger nicht aus ihrer Ruhe! Gehe

Die Wünsche der Menschen reichen nie weiter als die Theilnahme, die sie erregen. Es gibt nur Hoffnungen, in sofern man ihre Erfüllung mit Andern theilen kann. Deine Theilnahme aber ist immer der Wunsch selbst, und darum hast Du einen doppelten Verlust. Dein Mitgefühl ist verschwendet und Deine Aussicht getäuscht. Hoffe doch auf nichts, als auf die Hoffenden selbst! Mich interessirt weniger das Gefundene als das Gesuchte. Beste, was kann lächerlicher sein, als eine Menschheit, die nach Kamtschatka wallfahrtet, um die Aepfel der Hesperiden zu holen!

Wenn ich nicht bei Trauerspielen lachen müßte, so würde ich Dich fragen, warum Du bei Lustspielen weinst.

Als Korinth zerstört und Griechenlands letzte Kraft gebrochen wurde, da stelltest Du Dich hoch auf den Olympus und sahest über Thessaliens Höhen in die blutigen Thäler von Hellas. Ich stand hinter Dir und trocknete lachend die Thränen, die Du weintest, als müßte jeder Tag nicht seinen Abend haben.

An Deiner Stelle hätt’ ich mich auf dem Schlachtfelde bei Philippi geschämt, als Cassius Schatten auf Dich zukam, und Deine Beileidsbezeugungen mit den Worten abwies: Weib, heule die schlafenden Krieger nicht aus ihrer Ruhe! Gehe

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[98/0111] Die Wünsche der Menschen reichen nie weiter als die Theilnahme, die sie erregen. Es gibt nur Hoffnungen, in sofern man ihre Erfüllung mit Andern theilen kann. Deine Theilnahme aber ist immer der Wunsch selbst, und darum hast Du einen doppelten Verlust. Dein Mitgefühl ist verschwendet und Deine Aussicht getäuscht. Hoffe doch auf nichts, als auf die Hoffenden selbst! Mich interessirt weniger das Gefundene als das Gesuchte. Beste, was kann lächerlicher sein, als eine Menschheit, die nach Kamtschatka wallfahrtet, um die Aepfel der Hesperiden zu holen! Wenn ich nicht bei Trauerspielen lachen müßte, so würde ich Dich fragen, warum Du bei Lustspielen weinst. Als Korinth zerstört und Griechenlands letzte Kraft gebrochen wurde, da stelltest Du Dich hoch auf den Olympus und sahest über Thessaliens Höhen in die blutigen Thäler von Hellas. Ich stand hinter Dir und trocknete lachend die Thränen, die Du weintest, als müßte jeder Tag nicht seinen Abend haben. An Deiner Stelle hätt’ ich mich auf dem Schlachtfelde bei Philippi geschämt, als Cassius Schatten auf Dich zukam, und Deine Beileidsbezeugungen mit den Worten abwies: Weib, heule die schlafenden Krieger nicht aus ihrer Ruhe! Gehe

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Zitationshilfe: [Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/111>, abgerufen am 22.11.2024.