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[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.

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Zehnter Brief.


Dir gehen die Augen vor Weinen, mir vor Lachen über. Du bist Heraklit, ich Demokrit. Du hassest die Welt, und fliehest sie. Ich liebe sie nicht, und bleibe in ihr. Dich ärgert der Lauf der Welt, Du willst, sie soll auf zwei Füßen stehen. Ich lasse sie gehen und bin zufrieden, wenn sie nur den rechten Fuß voransetzt. Du verfolgst die Handlungen der Menschen von ihren Anfängen bis dahin, wo Du Dich endlich getäuscht findest. Ich setze schon das Ende in den Anfang, und habe nie Ursache zur Klage, weil ich mich nie täusche. Du erwartest und hoffest Neues da, wo den Leuten nur immer das Alte neu erscheint. Ich erwarte immer nur Altes, und weiß, daß selbst das scheinbar Neue im Grunde nur alt ist.

Zehnter Brief.


Dir gehen die Augen vor Weinen, mir vor Lachen über. Du bist Heraklit, ich Demokrit. Du hassest die Welt, und fliehest sie. Ich liebe sie nicht, und bleibe in ihr. Dich ärgert der Lauf der Welt, Du willst, sie soll auf zwei Füßen stehen. Ich lasse sie gehen und bin zufrieden, wenn sie nur den rechten Fuß voransetzt. Du verfolgst die Handlungen der Menschen von ihren Anfängen bis dahin, wo Du Dich endlich getäuscht findest. Ich setze schon das Ende in den Anfang, und habe nie Ursache zur Klage, weil ich mich nie täusche. Du erwartest und hoffest Neues da, wo den Leuten nur immer das Alte neu erscheint. Ich erwarte immer nur Altes, und weiß, daß selbst das scheinbar Neue im Grunde nur alt ist.

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[97/0110] Zehnter Brief. Dir gehen die Augen vor Weinen, mir vor Lachen über. Du bist Heraklit, ich Demokrit. Du hassest die Welt, und fliehest sie. Ich liebe sie nicht, und bleibe in ihr. Dich ärgert der Lauf der Welt, Du willst, sie soll auf zwei Füßen stehen. Ich lasse sie gehen und bin zufrieden, wenn sie nur den rechten Fuß voransetzt. Du verfolgst die Handlungen der Menschen von ihren Anfängen bis dahin, wo Du Dich endlich getäuscht findest. Ich setze schon das Ende in den Anfang, und habe nie Ursache zur Klage, weil ich mich nie täusche. Du erwartest und hoffest Neues da, wo den Leuten nur immer das Alte neu erscheint. Ich erwarte immer nur Altes, und weiß, daß selbst das scheinbar Neue im Grunde nur alt ist.

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Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in der Syntax des Gutzkow Editionsprojekts. (2013-07-01T14:33:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus dem Gutzkow Editionsprojekt entsprechen muss.
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Frederike Neuber: Konvertierung vom Markup des Gutzkow Editionsprojekts nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-07-01T14:33:31Z)

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Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Gutzkow Editionsprojekt:Editionsprinzipien
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Zeilenumbrüche innerhalb eines Absatzes werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Anmerkungen und Erläuterungen der Herausgeber der Gutzkow-Edition sind im XML mit <ref target="[Ziel]">...</ref> wiedergegeben. [Ziel] benennt die HTM-Datei und den Abschnitt der jeweiligen Erläuterung auf den Seiten des Gutzkow-Editionsprojekts.
  • Druckfehler und andere Fehler der Vorlage wurden in der Transkription behoben. Zu den hierbei vorgenommenen Textänderungen und zu problematischen Textstellen siehe Abschnitt 2.1.1: Textänderungen auf den Seiten des Gutzkow-Editionsprojekts.



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Zitationshilfe: [Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/110>, abgerufen am 22.11.2024.