[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.Abgränzung der einzelnen Thätigkeiten schon enthalten sein, und den Schlußstein des Ganzen bildet die Lehre vom Vertrauen auf landesväterliche Huld. Schon die Ahnung eines Uebels käme dem Vorhandensein desselben gleich. Jeder Vertrag setze schon die feindseligste Gesinnung voraus. Newton hat der Physik zugerufen, sie möchte sich vor der Philosophie in Acht nehmen. Dieselbe Warnung thut der Politik Noth. Ein Politiker, der seine Verfahrungsweise nach philosophischen Bestimmungen des Rechts und der Sittlichkeit abwägt, ist wohl eine ehrenwerthe Erscheinung. Aber ein Philosoph, der nach seinem Schema in die Wirren der Welt- und Zeitlagen mit constructivem Hiatus hineinfährt, macht sich lächerlich. In seinen Verhältnissen zum Syracusanischen Hofe hat Plato dies Schicksal getroffen. Die Ideale der Tugend und Glückseligkeit, für die er den jungen Dionys entflammen wollte, sollten die Philosophie auf den Thron bringen, ähnlich wie am Ende des vorigen Jahrhunderts die Kronprinzen vieler Staaten von den Kantianern bestürmt wurden, die Kritik wenn nicht der reinen, so doch der praktischen Vernunft mit großartiger Anwendung in ihre künftige Regierung einführen zu wollen. In vielen hinterlassenen Briefwechseln liest man die Aeußerungen dieser Sorge mit Vergnügen: "Wie ist's, Abgränzung der einzelnen Thätigkeiten schon enthalten sein, und den Schlußstein des Ganzen bildet die Lehre vom Vertrauen auf landesväterliche Huld. Schon die Ahnung eines Uebels käme dem Vorhandensein desselben gleich. Jeder Vertrag setze schon die feindseligste Gesinnung voraus. Newton hat der Physik zugerufen, sie möchte sich vor der Philosophie in Acht nehmen. Dieselbe Warnung thut der Politik Noth. Ein Politiker, der seine Verfahrungsweise nach philosophischen Bestimmungen des Rechts und der Sittlichkeit abwägt, ist wohl eine ehrenwerthe Erscheinung. Aber ein Philosoph, der nach seinem Schema in die Wirren der Welt- und Zeitlagen mit constructivem Hiatus hineinfährt, macht sich lächerlich. In seinen Verhältnissen zum Syracusanischen Hofe hat Plato dies Schicksal getroffen. Die Ideale der Tugend und Glückseligkeit, für die er den jungen Dionys entflammen wollte, sollten die Philosophie auf den Thron bringen, ähnlich wie am Ende des vorigen Jahrhunderts die Kronprinzen vieler Staaten von den Kantianern bestürmt wurden, die Kritik wenn nicht der reinen, so doch der praktischen Vernunft mit großartiger Anwendung in ihre künftige Regierung einführen zu wollen. In vielen hinterlassenen Briefwechseln liest man die Aeußerungen dieser Sorge mit Vergnügen: "Wie ist’s, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0104" n="91"/> Abgränzung der einzelnen Thätigkeiten schon enthalten sein, und den Schlußstein des Ganzen bildet die Lehre vom Vertrauen auf landesväterliche Huld. Schon die Ahnung eines Uebels käme dem Vorhandensein desselben gleich. Jeder Vertrag setze schon die feindseligste Gesinnung voraus.</p> <p>Newton hat der Physik zugerufen, sie möchte sich vor der Philosophie in Acht nehmen. Dieselbe Warnung thut der Politik Noth. Ein Politiker, der seine Verfahrungsweise nach philosophischen Bestimmungen des Rechts und der Sittlichkeit abwägt, ist wohl eine ehrenwerthe Erscheinung. Aber ein Philosoph, der nach seinem Schema in die Wirren der Welt- und Zeitlagen mit constructivem Hiatus hineinfährt, macht sich lächerlich. <ref xml:id="TEXTInseinenVerhaeltnissenBISgetroffen" target="BrN4E.htm#ERLInseinenVerhaeltnissenBISgetroffen">In seinen Verhältnissen zum Syracusanischen Hofe hat Plato dies Schicksal getroffen</ref>. Die Ideale der Tugend und Glückseligkeit, für die er den jungen Dionys entflammen wollte, sollten die Philosophie auf den Thron bringen, ähnlich wie am Ende des vorigen Jahrhunderts die Kronprinzen vieler Staaten von den Kantianern bestürmt wurden, die Kritik wenn nicht der reinen, so doch der praktischen Vernunft mit großartiger Anwendung in ihre künftige Regierung einführen zu wollen. In vielen hinterlassenen Briefwechseln liest man die Aeußerungen dieser Sorge mit Vergnügen: "Wie ist’s, </p> </div> </body> </text> </TEI> [91/0104]
Abgränzung der einzelnen Thätigkeiten schon enthalten sein, und den Schlußstein des Ganzen bildet die Lehre vom Vertrauen auf landesväterliche Huld. Schon die Ahnung eines Uebels käme dem Vorhandensein desselben gleich. Jeder Vertrag setze schon die feindseligste Gesinnung voraus.
Newton hat der Physik zugerufen, sie möchte sich vor der Philosophie in Acht nehmen. Dieselbe Warnung thut der Politik Noth. Ein Politiker, der seine Verfahrungsweise nach philosophischen Bestimmungen des Rechts und der Sittlichkeit abwägt, ist wohl eine ehrenwerthe Erscheinung. Aber ein Philosoph, der nach seinem Schema in die Wirren der Welt- und Zeitlagen mit constructivem Hiatus hineinfährt, macht sich lächerlich. In seinen Verhältnissen zum Syracusanischen Hofe hat Plato dies Schicksal getroffen. Die Ideale der Tugend und Glückseligkeit, für die er den jungen Dionys entflammen wollte, sollten die Philosophie auf den Thron bringen, ähnlich wie am Ende des vorigen Jahrhunderts die Kronprinzen vieler Staaten von den Kantianern bestürmt wurden, die Kritik wenn nicht der reinen, so doch der praktischen Vernunft mit großartiger Anwendung in ihre künftige Regierung einführen zu wollen. In vielen hinterlassenen Briefwechseln liest man die Aeußerungen dieser Sorge mit Vergnügen: "Wie ist’s,
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Zitationshilfe: | [Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/104>, abgerufen am 16.02.2025. |