Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835.Martinez de la Rosa. Präzedentien, welche den Novellisten und Dichter fürdas Parterre vergessen machen. Nur kann man nicht läugnen, daß Martinez de la Rosa sich eine große Auf¬ gabe gestellt hat. Das Beispiel, welches er giebt, ist nicht einzig, aber doch selten. Die Geschichte sträubte sich immer, Männern, welche gewohnt sind, im Reiche der Phantasie zu leben, ein irdisches Portefeuille an¬ zuvertrauen. Ich besinne mich in diesem Augenblicke nur auf König David, Arthur vom Nordstern und Cha¬ teaubriand. Selbst Alcäus von Mytilene und Goethe gehören nicht hierher. David, der Sohn Isai's, sang schon als Minister Sauls. Er vertauschte frühe die Schleuder und den Flitzbogen mit der Leyer, der kleine Held, und verstand im Palaste, wie in den Höhlen der Gebirge so den Dichter mit dem Premierminister zu verbinden, daß es zweifelhaft geblieben ist, ob er mehr durch jenen oder diesen aus den finstern, tragischen Saul wirkte. Ein herrliches Vorbild! Der Dichter mit dem Fürsten "auf der Menschheit Höhen!" Doch war David ein antiker Dichter. Damals war Alles noch einfach; die Sprache, die Sitte, die Poesie kostete kein Studium, Alles war Instinkt. Die Bilder waren noch nicht verbraucht; wenn man nach ihnen jagte, traf man selten auf solche, welche schon angeschossen waren. Martinez de la Roſa. Praͤzedentien, welche den Novelliſten und Dichter fuͤrdas Parterre vergeſſen machen. Nur kann man nicht laͤugnen, daß Martinez de la Roſa ſich eine große Auf¬ gabe geſtellt hat. Das Beiſpiel, welches er giebt, iſt nicht einzig, aber doch ſelten. Die Geſchichte ſtraͤubte ſich immer, Maͤnnern, welche gewohnt ſind, im Reiche der Phantaſie zu leben, ein irdiſches Portefeuille an¬ zuvertrauen. Ich beſinne mich in dieſem Augenblicke nur auf Koͤnig David, Arthur vom Nordſtern und Cha¬ teaubriand. Selbſt Alcaͤus von Mytilene und Goethe gehoͤren nicht hierher. David, der Sohn Iſai's, ſang ſchon als Miniſter Sauls. Er vertauſchte fruͤhe die Schleuder und den Flitzbogen mit der Leyer, der kleine Held, und verſtand im Palaſte, wie in den Hoͤhlen der Gebirge ſo den Dichter mit dem Premierminiſter zu verbinden, daß es zweifelhaft geblieben iſt, ob er mehr durch jenen oder dieſen aus den finſtern, tragiſchen Saul wirkte. Ein herrliches Vorbild! Der Dichter mit dem Fuͤrſten „auf der Menſchheit Hoͤhen!“ Doch war David ein antiker Dichter. Damals war Alles noch einfach; die Sprache, die Sitte, die Poeſie koſtete kein Studium, Alles war Inſtinkt. Die Bilder waren noch nicht verbraucht; wenn man nach ihnen jagte, traf man ſelten auf ſolche, welche ſchon angeſchoſſen waren. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0048" n="30"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Martinez de la Roſa</hi>.<lb/></fw>Praͤzedentien, welche den Novelliſten und Dichter fuͤr<lb/> das Parterre vergeſſen machen. Nur kann man nicht<lb/> laͤugnen, daß Martinez de la Roſa ſich eine große Auf¬<lb/> gabe geſtellt hat. Das Beiſpiel, welches er giebt, iſt<lb/> nicht einzig, aber doch ſelten. Die Geſchichte ſtraͤubte<lb/> ſich immer, Maͤnnern, welche gewohnt ſind, im Reiche<lb/> der Phantaſie zu leben, ein irdiſches Portefeuille an¬<lb/> zuvertrauen. Ich beſinne mich in dieſem Augenblicke<lb/> nur auf Koͤnig David, Arthur vom Nordſtern und Cha¬<lb/> teaubriand. Selbſt Alcaͤus von Mytilene und Goethe<lb/> gehoͤren nicht hierher. David, der Sohn Iſai's, ſang<lb/> ſchon als Miniſter Sauls. Er vertauſchte fruͤhe die<lb/> Schleuder und den Flitzbogen mit der Leyer, der kleine<lb/> Held, und verſtand im Palaſte, wie in den Hoͤhlen<lb/> der Gebirge ſo den Dichter mit dem Premierminiſter<lb/> zu verbinden, daß es zweifelhaft geblieben iſt, ob er<lb/> mehr durch jenen oder dieſen aus den finſtern, tragiſchen<lb/> Saul wirkte. Ein herrliches Vorbild! Der Dichter mit<lb/> dem Fuͤrſten „auf der Menſchheit Hoͤhen!“ Doch war<lb/> David ein antiker Dichter. Damals war Alles noch<lb/> einfach; die Sprache, die Sitte, die Poeſie koſtete kein<lb/> Studium, Alles war Inſtinkt. Die Bilder waren noch<lb/> nicht verbraucht; wenn man nach ihnen jagte, traf<lb/> man ſelten auf ſolche, welche ſchon angeſchoſſen waren.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [30/0048]
Martinez de la Roſa.
Praͤzedentien, welche den Novelliſten und Dichter fuͤr
das Parterre vergeſſen machen. Nur kann man nicht
laͤugnen, daß Martinez de la Roſa ſich eine große Auf¬
gabe geſtellt hat. Das Beiſpiel, welches er giebt, iſt
nicht einzig, aber doch ſelten. Die Geſchichte ſtraͤubte
ſich immer, Maͤnnern, welche gewohnt ſind, im Reiche
der Phantaſie zu leben, ein irdiſches Portefeuille an¬
zuvertrauen. Ich beſinne mich in dieſem Augenblicke
nur auf Koͤnig David, Arthur vom Nordſtern und Cha¬
teaubriand. Selbſt Alcaͤus von Mytilene und Goethe
gehoͤren nicht hierher. David, der Sohn Iſai's, ſang
ſchon als Miniſter Sauls. Er vertauſchte fruͤhe die
Schleuder und den Flitzbogen mit der Leyer, der kleine
Held, und verſtand im Palaſte, wie in den Hoͤhlen
der Gebirge ſo den Dichter mit dem Premierminiſter
zu verbinden, daß es zweifelhaft geblieben iſt, ob er
mehr durch jenen oder dieſen aus den finſtern, tragiſchen
Saul wirkte. Ein herrliches Vorbild! Der Dichter mit
dem Fuͤrſten „auf der Menſchheit Hoͤhen!“ Doch war
David ein antiker Dichter. Damals war Alles noch
einfach; die Sprache, die Sitte, die Poeſie koſtete kein
Studium, Alles war Inſtinkt. Die Bilder waren noch
nicht verbraucht; wenn man nach ihnen jagte, traf
man ſelten auf ſolche, welche ſchon angeſchoſſen waren.
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