piren, wieder zu Paaren treiben, so verbietet es ihm der Himmel; denn sein Säbel fällt ins Meer, wenn er die Schiffe seiner Hoffnung besteigt.
Rußland, von der Geschichte zum Erben der eu¬ ropäischen Türkei bestellt, hegt und pflegt den alten Erblasser und schützt ihn treulich bis zum Tode. Ru߬ land wird der Türkei sanft und zärtlich die Augen zu¬ drücken. Und wollte sich die Pforte in Konstantinopel nicht das Streicheln der Wangen gefallen lassen, so steht an Persiens Gränzen die russische Heeresmacht gerüstet. Hier ist kein Ausweg mehr. Die Pforte muß sich schützen lassen, um eine vollständige Erober¬ ung zu bleiben. Sie muß Freunden trauen, welche nur die Zeit abwarten, wo sie ihre Masken abnehmen.
Vielleicht stellen sich dieser Weissagung zwei Ge¬ schichtsansichten entgegen, die sich darin vereinigen, daß sie Kombinationen der eben genannten Art für unzu¬ länglich halten, und sie mechanische und Verstandesab¬ straktionen nennen.
Die erste Ansicht ist gewohnt, Alles auf den Volks¬ geist, die zweite, Alles auf die Religion ankommen zu lassen.
Jene glaubt, der Racen- und Völker-Unterschied, ein demokratisch-populaires Element, werde gegen die
Der Sultan.
piren, wieder zu Paaren treiben, ſo verbietet es ihm der Himmel; denn ſein Saͤbel faͤllt ins Meer, wenn er die Schiffe ſeiner Hoffnung beſteigt.
Rußland, von der Geſchichte zum Erben der eu¬ ropaͤiſchen Tuͤrkei beſtellt, hegt und pflegt den alten Erblaſſer und ſchuͤtzt ihn treulich bis zum Tode. Ru߬ land wird der Tuͤrkei ſanft und zaͤrtlich die Augen zu¬ druͤcken. Und wollte ſich die Pforte in Konſtantinopel nicht das Streicheln der Wangen gefallen laſſen, ſo ſteht an Perſiens Graͤnzen die ruſſiſche Heeresmacht geruͤſtet. Hier iſt kein Ausweg mehr. Die Pforte muß ſich ſchuͤtzen laſſen, um eine vollſtaͤndige Erober¬ ung zu bleiben. Sie muß Freunden trauen, welche nur die Zeit abwarten, wo ſie ihre Masken abnehmen.
Vielleicht ſtellen ſich dieſer Weiſſagung zwei Ge¬ ſchichtsanſichten entgegen, die ſich darin vereinigen, daß ſie Kombinationen der eben genannten Art fuͤr unzu¬ laͤnglich halten, und ſie mechaniſche und Verſtandesab¬ ſtraktionen nennen.
Die erſte Anſicht iſt gewohnt, Alles auf den Volks¬ geiſt, die zweite, Alles auf die Religion ankommen zu laſſen.
Jene glaubt, der Racen- und Voͤlker-Unterſchied, ein demokratiſch-populaires Element, werde gegen die
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Der Sultan.
piren, wieder zu Paaren treiben, ſo verbietet es ihm
der Himmel; denn ſein Saͤbel faͤllt ins Meer, wenn
er die Schiffe ſeiner Hoffnung beſteigt.
Rußland, von der Geſchichte zum Erben der eu¬
ropaͤiſchen Tuͤrkei beſtellt, hegt und pflegt den alten
Erblaſſer und ſchuͤtzt ihn treulich bis zum Tode. Ru߬
land wird der Tuͤrkei ſanft und zaͤrtlich die Augen zu¬
druͤcken. Und wollte ſich die Pforte in Konſtantinopel
nicht das Streicheln der Wangen gefallen laſſen, ſo
ſteht an Perſiens Graͤnzen die ruſſiſche Heeresmacht
geruͤſtet. Hier iſt kein Ausweg mehr. Die Pforte
muß ſich ſchuͤtzen laſſen, um eine vollſtaͤndige Erober¬
ung zu bleiben. Sie muß Freunden trauen, welche nur
die Zeit abwarten, wo ſie ihre Masken abnehmen.
Vielleicht ſtellen ſich dieſer Weiſſagung zwei Ge¬
ſchichtsanſichten entgegen, die ſich darin vereinigen, daß
ſie Kombinationen der eben genannten Art fuͤr unzu¬
laͤnglich halten, und ſie mechaniſche und Verſtandesab¬
ſtraktionen nennen.
Die erſte Anſicht iſt gewohnt, Alles auf den Volks¬
geiſt, die zweite, Alles auf die Religion ankommen zu
laſſen.
Jene glaubt, der Racen- und Voͤlker-Unterſchied,
ein demokratiſch-populaires Element, werde gegen die
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie… [mehr]
Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie angelegten Reflexionen über "Öffentliche Charaktere" in der Augsburger Allgemeinen Zeitung erscheinen. In Buchform erschien ein erster Band 1835 bei Hoffmann und Campe in Hamburg. Zur Publikation der weiteren geplanten Teile kam es nicht.
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Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835/343>, abgerufen am 16.02.2025.
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