Wir wagen nicht zu behaupten, daß Talleyrand zu der Konspiration Orleans gehörte. Doch mußte er Louis Philipp lieben, denn beide lieben England. Talleyrand wurde die Aegide der neuen Herrschaft. Er konnte sie am besten beim Auslande repräsentiren. Die alten Ver¬ beugungen und Mienen waren allen Kabinetten be¬ kannt; man lächelte und erkannte sich wieder. Talley¬ rand gab der neuen Herrschaft ein moralisches Gepräge, gleichsam die Beruhigung, daß sie nicht anders seyn werde, als die frühere. Es waren dieselben Manieren, nichts hatte sich verändert. Talleyrand war gleichsam bestimmt, wie glattes Oel die anarchischen Wogen der Revolution zu beruhigen; er machte die Revolution von 1830 so ordinair wie jede andere Staatsverän¬ derung, er ließ sie, die flog, erst gehen lernen, machte den Enthusiasmus bei Zeiten altklug, und wurde der pedantische Erzieher der jungen Franzosen des Julius, deren unkluge Streiche er sich bei den auswärtigen Mächten zu entschuldigen erbot. Es liegt die Selbstge¬ fälligkeit des Alters in Talleyrands jetzigem Auftreten. Es sind die Schwierigkeiten eines alten Geschäftmanns. der einem jungen Aspiranten das alte Herkommen, die Formalitäten, als etwas Heiliges anvertraut. Talley¬ rand scheint die Diplomatie zum Selbstzwecke machen
Talleyrand.
Wir wagen nicht zu behaupten, daß Talleyrand zu der Konſpiration Orleans gehoͤrte. Doch mußte er Louis Philipp lieben, denn beide lieben England. Talleyrand wurde die Aegide der neuen Herrſchaft. Er konnte ſie am beſten beim Auslande repraͤſentiren. Die alten Ver¬ beugungen und Mienen waren allen Kabinetten be¬ kannt; man laͤchelte und erkannte ſich wieder. Talley¬ rand gab der neuen Herrſchaft ein moraliſches Gepraͤge, gleichſam die Beruhigung, daß ſie nicht anders ſeyn werde, als die fruͤhere. Es waren dieſelben Manieren, nichts hatte ſich veraͤndert. Talleyrand war gleichſam beſtimmt, wie glattes Oel die anarchiſchen Wogen der Revolution zu beruhigen; er machte die Revolution von 1830 ſo ordinair wie jede andere Staatsveraͤn¬ derung, er ließ ſie, die flog, erſt gehen lernen, machte den Enthuſiasmus bei Zeiten altklug, und wurde der pedantiſche Erzieher der jungen Franzoſen des Julius, deren unkluge Streiche er ſich bei den auswaͤrtigen Maͤchten zu entſchuldigen erbot. Es liegt die Selbſtge¬ faͤlligkeit des Alters in Talleyrands jetzigem Auftreten. Es ſind die Schwierigkeiten eines alten Geſchaͤftmanns. der einem jungen Aspiranten das alte Herkommen, die Formalitaͤten, als etwas Heiliges anvertraut. Talley¬ rand ſcheint die Diplomatie zum Selbſtzwecke machen
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Talleyrand.
Wir wagen nicht zu behaupten, daß Talleyrand zu
der Konſpiration Orleans gehoͤrte. Doch mußte er Louis
Philipp lieben, denn beide lieben England. Talleyrand
wurde die Aegide der neuen Herrſchaft. Er konnte ſie
am beſten beim Auslande repraͤſentiren. Die alten Ver¬
beugungen und Mienen waren allen Kabinetten be¬
kannt; man laͤchelte und erkannte ſich wieder. Talley¬
rand gab der neuen Herrſchaft ein moraliſches Gepraͤge,
gleichſam die Beruhigung, daß ſie nicht anders ſeyn
werde, als die fruͤhere. Es waren dieſelben Manieren,
nichts hatte ſich veraͤndert. Talleyrand war gleichſam
beſtimmt, wie glattes Oel die anarchiſchen Wogen der
Revolution zu beruhigen; er machte die Revolution
von 1830 ſo ordinair wie jede andere Staatsveraͤn¬
derung, er ließ ſie, die flog, erſt gehen lernen, machte
den Enthuſiasmus bei Zeiten altklug, und wurde der
pedantiſche Erzieher der jungen Franzoſen des Julius,
deren unkluge Streiche er ſich bei den auswaͤrtigen
Maͤchten zu entſchuldigen erbot. Es liegt die Selbſtge¬
faͤlligkeit des Alters in Talleyrands jetzigem Auftreten.
Es ſind die Schwierigkeiten eines alten Geſchaͤftmanns.
der einem jungen Aspiranten das alte Herkommen, die
Formalitaͤten, als etwas Heiliges anvertraut. Talley¬
rand ſcheint die Diplomatie zum Selbſtzwecke machen
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie… [mehr]
Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie angelegten Reflexionen über "Öffentliche Charaktere" in der Augsburger Allgemeinen Zeitung erscheinen. In Buchform erschien ein erster Band 1835 bei Hoffmann und Campe in Hamburg. Zur Publikation der weiteren geplanten Teile kam es nicht.
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Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835/34>, abgerufen am 21.11.2024.
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