ihm, daß er einen Freund habe in Galata bei den Fleischerbänken, der einer der größten Possenreißer un¬ ter der Sonne, und ein Schreiber des Fleischervor¬ standes sei. Khalet-Effendi erschien, schrieb schlechter, als der Sultan, machte einige gute Kapriolen, und Mahmud behielt ihn zurück, erst als seinen Hofnarren, dann als Hofrath, zuletzt als Groß-Wessier.
So entstand der einen Tradition zufolge (welche den bekannten Liebling des Sultans von dem ehema¬ ligen Gesandten beim Hofe Napoleons trennt) eine antike und wahrhafte Freundschaft zwischen Mahmud und seinem lustigen Wessier, die vollkommen gewesen wäre, wenn sie für die Türkei bessere Früchte getra¬ gen, und nicht mit einer Treulosigkeit geendet hätte!
Khalet-Effendi stand an der Spitze der Staats¬ angelegenheiten, d. h. er theilte mit dem Sultan den Raub, welchen die Intriguen des Divans von den Satrapen der Provinzen abgejagt hatten. Noch lange bis in den Aufstand der Griechen hinein dauerte seine Autorität, angetastet von den Geistlichen, bedroht von den Janitscharen, welche ihm die Unfälle des Krieges gegen die Griechen Schuld gaben. Vergebens, daß die Boten des Divans in alle insurgirten Regionen Mord und Verstümmlung brachten, vergebens das Blutbad
Gutzkow's öffentl. Char. 21
Der Sultan.
ihm, daß er einen Freund habe in Galata bei den Fleiſcherbaͤnken, der einer der groͤßten Poſſenreißer un¬ ter der Sonne, und ein Schreiber des Fleiſchervor¬ ſtandes ſei. Khalet-Effendi erſchien, ſchrieb ſchlechter, als der Sultan, machte einige gute Kapriolen, und Mahmud behielt ihn zuruͤck, erſt als ſeinen Hofnarren, dann als Hofrath, zuletzt als Groß-Weſſier.
So entſtand der einen Tradition zufolge (welche den bekannten Liebling des Sultans von dem ehema¬ ligen Geſandten beim Hofe Napoleons trennt) eine antike und wahrhafte Freundſchaft zwiſchen Mahmud und ſeinem luſtigen Weſſier, die vollkommen geweſen waͤre, wenn ſie fuͤr die Tuͤrkei beſſere Fruͤchte getra¬ gen, und nicht mit einer Treuloſigkeit geendet haͤtte!
Khalet-Effendi ſtand an der Spitze der Staats¬ angelegenheiten, d. h. er theilte mit dem Sultan den Raub, welchen die Intriguen des Divans von den Satrapen der Provinzen abgejagt hatten. Noch lange bis in den Aufſtand der Griechen hinein dauerte ſeine Autoritaͤt, angetaſtet von den Geiſtlichen, bedroht von den Janitſcharen, welche ihm die Unfaͤlle des Krieges gegen die Griechen Schuld gaben. Vergebens, daß die Boten des Divans in alle inſurgirten Regionen Mord und Verſtuͤmmlung brachten, vergebens das Blutbad
Gutzkow's öffentl. Char. 21
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Der Sultan.
ihm, daß er einen Freund habe in Galata bei den
Fleiſcherbaͤnken, der einer der groͤßten Poſſenreißer un¬
ter der Sonne, und ein Schreiber des Fleiſchervor¬
ſtandes ſei. Khalet-Effendi erſchien, ſchrieb ſchlechter,
als der Sultan, machte einige gute Kapriolen, und
Mahmud behielt ihn zuruͤck, erſt als ſeinen Hofnarren,
dann als Hofrath, zuletzt als Groß-Weſſier.
So entſtand der einen Tradition zufolge (welche
den bekannten Liebling des Sultans von dem ehema¬
ligen Geſandten beim Hofe Napoleons trennt) eine
antike und wahrhafte Freundſchaft zwiſchen Mahmud
und ſeinem luſtigen Weſſier, die vollkommen geweſen
waͤre, wenn ſie fuͤr die Tuͤrkei beſſere Fruͤchte getra¬
gen, und nicht mit einer Treuloſigkeit geendet haͤtte!
Khalet-Effendi ſtand an der Spitze der Staats¬
angelegenheiten, d. h. er theilte mit dem Sultan den
Raub, welchen die Intriguen des Divans von den
Satrapen der Provinzen abgejagt hatten. Noch lange
bis in den Aufſtand der Griechen hinein dauerte ſeine
Autoritaͤt, angetaſtet von den Geiſtlichen, bedroht von
den Janitſcharen, welche ihm die Unfaͤlle des Krieges
gegen die Griechen Schuld gaben. Vergebens, daß die
Boten des Divans in alle inſurgirten Regionen Mord
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Gutzkow's öffentl. Char. 21
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie… [mehr]
Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie angelegten Reflexionen über "Öffentliche Charaktere" in der Augsburger Allgemeinen Zeitung erscheinen. In Buchform erschien ein erster Band 1835 bei Hoffmann und Campe in Hamburg. Zur Publikation der weiteren geplanten Teile kam es nicht.
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Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835/339>, abgerufen am 29.07.2024.
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