Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835.Talleyrand. Periode der Unthätigkeit brach an. Talleyrand gab seineEntlassung und fungirte am Hofe nur noch als Reichs¬ kämmerer. Es verstrich ihm die Restauration unter Witzen, Titeleroberungen und Promenaden nach Va¬ lencay. Louis und Talleyrand überboten sich an feinen Bemerkungen; jener liebte das Madrigal, dieser das Wortspiel, jener das Impromptü, dieser den vorberei¬ teten Hieb, jener wollte geistreich, Talleyrand nur bei¬ ßend seyn. Louis hätte Talleyrand gern aus Paris ge¬ habt; wie oft sprach er zu ihm von den ländlichen Freuden, die man fern von Geschäften auf Valencay feiern könnte! Dann pflegte ihn Talleyrand nach Gent zu fragen, oder hinzuwerfen, welch schönes Wetter man am 20. März hatte, und der König mußte schwei¬ gen. Talleyrand war nicht unthätig in der Restaura¬ tion. Er ließ sich oft in der Pairskammer sehen, und las trefliche Diskurse ab, die die böse Nachrede frem¬ den Federn zuschrieb. Talleyrand wußte, daß man in Zeiten der Ruhe sich ein Geschäft nie soll entgehen lassen, nemlich das, sich populär zu machen. Er ar¬ beitete daran, ohne Anstrengung, ohne Ambition, und seine Reden gegen die Censur und dem spanischen Krieg erwarben ihm gute, ehrliche Freunde, Freunde aus der Mittelklasse, die Alles von der besten Seite ansehen. Talleyrand. Periode der Unthaͤtigkeit brach an. Talleyrand gab ſeineEntlaſſung und fungirte am Hofe nur noch als Reichs¬ kaͤmmerer. Es verſtrich ihm die Reſtauration unter Witzen, Titeleroberungen und Promenaden nach Va¬ lençay. Louis und Talleyrand uͤberboten ſich an feinen Bemerkungen; jener liebte das Madrigal, dieſer das Wortſpiel, jener das Impromptuͤ, dieſer den vorberei¬ teten Hieb, jener wollte geiſtreich, Talleyrand nur bei¬ ßend ſeyn. Louis haͤtte Talleyrand gern aus Paris ge¬ habt; wie oft ſprach er zu ihm von den laͤndlichen Freuden, die man fern von Geſchaͤften auf Valençay feiern koͤnnte! Dann pflegte ihn Talleyrand nach Gent zu fragen, oder hinzuwerfen, welch ſchoͤnes Wetter man am 20. Maͤrz hatte, und der Koͤnig mußte ſchwei¬ gen. Talleyrand war nicht unthaͤtig in der Reſtaura¬ tion. Er ließ ſich oft in der Pairskammer ſehen, und las trefliche Diskurſe ab, die die boͤſe Nachrede frem¬ den Federn zuſchrieb. Talleyrand wußte, daß man in Zeiten der Ruhe ſich ein Geſchaͤft nie ſoll entgehen laſſen, nemlich das, ſich populaͤr zu machen. Er ar¬ beitete daran, ohne Anſtrengung, ohne Ambition, und ſeine Reden gegen die Cenſur und dem ſpaniſchen Krieg erwarben ihm gute, ehrliche Freunde, Freunde aus der Mittelklaſſe, die Alles von der beſten Seite anſehen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0033" n="15"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Talleyrand</hi>.<lb/></fw> Periode der Unthaͤtigkeit brach an. Talleyrand gab ſeine<lb/> Entlaſſung und fungirte am Hofe nur noch als Reichs¬<lb/> kaͤmmerer. Es verſtrich ihm die Reſtauration unter<lb/> Witzen, Titeleroberungen und Promenaden nach Va¬<lb/> len<hi rendition="#aq">ç</hi>ay. Louis und Talleyrand uͤberboten ſich an feinen<lb/> Bemerkungen; jener liebte das Madrigal, dieſer das<lb/> Wortſpiel, jener das Impromptuͤ, dieſer den vorberei¬<lb/> teten Hieb, jener wollte geiſtreich, Talleyrand nur bei¬<lb/> ßend ſeyn. Louis haͤtte Talleyrand gern aus Paris ge¬<lb/> habt; wie oft ſprach er zu ihm von den laͤndlichen<lb/> Freuden, die man fern von Geſchaͤften auf Valen<hi rendition="#aq">ç</hi>ay<lb/> feiern koͤnnte! Dann pflegte ihn Talleyrand nach Gent<lb/> zu fragen, oder hinzuwerfen, welch ſchoͤnes Wetter man<lb/> am 20. Maͤrz hatte, und der Koͤnig mußte ſchwei¬<lb/> gen. Talleyrand war nicht unthaͤtig in der Reſtaura¬<lb/> tion. Er ließ ſich oft in der Pairskammer ſehen, und<lb/> las trefliche Diskurſe ab, die die boͤſe Nachrede frem¬<lb/> den Federn zuſchrieb. Talleyrand wußte, daß man in<lb/> Zeiten der Ruhe ſich <hi rendition="#g">ein</hi> Geſchaͤft nie ſoll entgehen<lb/> laſſen, nemlich das, ſich populaͤr zu machen. Er ar¬<lb/> beitete daran, ohne Anſtrengung, ohne Ambition, und<lb/> ſeine Reden gegen die Cenſur und dem ſpaniſchen Krieg<lb/> erwarben ihm gute, ehrliche Freunde, Freunde aus der<lb/> Mittelklaſſe, die Alles von der beſten Seite anſehen.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [15/0033]
Talleyrand.
Periode der Unthaͤtigkeit brach an. Talleyrand gab ſeine
Entlaſſung und fungirte am Hofe nur noch als Reichs¬
kaͤmmerer. Es verſtrich ihm die Reſtauration unter
Witzen, Titeleroberungen und Promenaden nach Va¬
lençay. Louis und Talleyrand uͤberboten ſich an feinen
Bemerkungen; jener liebte das Madrigal, dieſer das
Wortſpiel, jener das Impromptuͤ, dieſer den vorberei¬
teten Hieb, jener wollte geiſtreich, Talleyrand nur bei¬
ßend ſeyn. Louis haͤtte Talleyrand gern aus Paris ge¬
habt; wie oft ſprach er zu ihm von den laͤndlichen
Freuden, die man fern von Geſchaͤften auf Valençay
feiern koͤnnte! Dann pflegte ihn Talleyrand nach Gent
zu fragen, oder hinzuwerfen, welch ſchoͤnes Wetter man
am 20. Maͤrz hatte, und der Koͤnig mußte ſchwei¬
gen. Talleyrand war nicht unthaͤtig in der Reſtaura¬
tion. Er ließ ſich oft in der Pairskammer ſehen, und
las trefliche Diskurſe ab, die die boͤſe Nachrede frem¬
den Federn zuſchrieb. Talleyrand wußte, daß man in
Zeiten der Ruhe ſich ein Geſchaͤft nie ſoll entgehen
laſſen, nemlich das, ſich populaͤr zu machen. Er ar¬
beitete daran, ohne Anſtrengung, ohne Ambition, und
ſeine Reden gegen die Cenſur und dem ſpaniſchen Krieg
erwarben ihm gute, ehrliche Freunde, Freunde aus der
Mittelklaſſe, die Alles von der beſten Seite anſehen.
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