Jene Zeit soll vorüber sein, wo der Beherrscher der Gläubigen, um einen Traktat zu besiegeln, mit der ganzen Hand ins Tintefaß griff, und unten am Fuße des Pergaments seine fünf Finger abdruckte. Darf man fremden Berichten trauen, so wäre die Türkei auf dem besten Wege, die Civilisation Europa's einzu¬ holen. Der alte, aus Caschemirshawls gewundene Turban, die Zierde des Gerechten, soll einer kleinen flachen Mütze, welche hart auf dem Schädel liegt, ha¬ ben Platz machen müssen; der schöne lockige Bart, die heilige Tradition des vielbeschwornen Bartes des Pro¬ pheten, soll ganz kurz geschnitten werden unter den jetzigen Verhältnissen, kurz und starr, schaufelartig, wie Buttler von Hudibras Barte sagt: "Dachziegeln gleich an Art und Schnitt, reißt er wohl schnellen Beifall mit." Die weiten, bauschigen Gewänder verschwinden
Gutzkow's öffentl. Char. 20
Jene Zeit ſoll voruͤber ſein, wo der Beherrſcher der Glaͤubigen, um einen Traktat zu beſiegeln, mit der ganzen Hand ins Tintefaß griff, und unten am Fuße des Pergaments ſeine fuͤnf Finger abdruckte. Darf man fremden Berichten trauen, ſo waͤre die Tuͤrkei auf dem beſten Wege, die Civiliſation Europa's einzu¬ holen. Der alte, aus Caſchemirſhawls gewundene Turban, die Zierde des Gerechten, ſoll einer kleinen flachen Muͤtze, welche hart auf dem Schaͤdel liegt, ha¬ ben Platz machen muͤſſen; der ſchoͤne lockige Bart, die heilige Tradition des vielbeſchwornen Bartes des Pro¬ pheten, ſoll ganz kurz geſchnitten werden unter den jetzigen Verhaͤltniſſen, kurz und ſtarr, ſchaufelartig, wie Buttler von Hudibras Barte ſagt: „Dachziegeln gleich an Art und Schnitt, reißt er wohl ſchnellen Beifall mit.“ Die weiten, bauſchigen Gewaͤnder verſchwinden
Gutzkow's öffentl. Char. 20
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Jene Zeit ſoll voruͤber ſein, wo der Beherrſcher der
Glaͤubigen, um einen Traktat zu beſiegeln, mit der
ganzen Hand ins Tintefaß griff, und unten am Fuße
des Pergaments ſeine fuͤnf Finger abdruckte. Darf
man fremden Berichten trauen, ſo waͤre die Tuͤrkei
auf dem beſten Wege, die Civiliſation Europa's einzu¬
holen. Der alte, aus Caſchemirſhawls gewundene
Turban, die Zierde des Gerechten, ſoll einer kleinen
flachen Muͤtze, welche hart auf dem Schaͤdel liegt, ha¬
ben Platz machen muͤſſen; der ſchoͤne lockige Bart, die
heilige Tradition des vielbeſchwornen Bartes des Pro¬
pheten, ſoll ganz kurz geſchnitten werden unter den
jetzigen Verhaͤltniſſen, kurz und ſtarr, ſchaufelartig, wie
Buttler von Hudibras Barte ſagt: „Dachziegeln gleich
an Art und Schnitt, reißt er wohl ſchnellen Beifall
mit.“ Die weiten, bauſchigen Gewaͤnder verſchwinden
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie… [mehr]
Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie angelegten Reflexionen über "Öffentliche Charaktere" in der Augsburger Allgemeinen Zeitung erscheinen. In Buchform erschien ein erster Band 1835 bei Hoffmann und Campe in Hamburg. Zur Publikation der weiteren geplanten Teile kam es nicht.
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Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835/323>, abgerufen am 24.11.2024.
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