über sein Glück sich ergiebt, oder ob er sich, wie wohl große Männer und Genie's thun, aus Bonhommie selbst wie ein wunderherrliches Objekt betrachtet.
Karl, der Neapolitaner, soll der zugänglichste seyn. Denn wie vorsichtig und italienisch maskirt auch sein Benehmen in Geschäftsverhandlungen, so zeichnet ihn doch ein hervorstechender Zug des Herzens aus, der ihn gut und weich erscheinen läßt.
Jacques in Paris ist Pariser, d. h. ein Charak¬ ter, worüber hundert und ein Schriftsteller nachdenken konnten, ohne ihn dennoch in zwölf Großoktavbän¬ den gründlich erschöpft zu haben.
Noch lebt die Mutter der Brüder. Sie ist der Genius, der über sie Wache hält, ein fast unsichtba¬ rer Genius; denn noch immer wohnt sie in der Frank¬ furter Judengasse. Sie kann sich nicht trennen, die alte Frau, von dem Elend ihres Volkes, und freut sich in dem schmuzigen Viertel die Einzige zu sein, welche alle vier Wochen weiße saubere Gardinen an ihre kleinen Fenster aufsteckt. Das ist ihr Stolz! Sie verläßt die liebe Heimath nur, um einmal in Anselms Prachtgärten die Königin der Nacht blühen zu sehen, oder ein neues Gemälde zu betrachten, das
Rothſchild.
uͤber ſein Gluͤck ſich ergiebt, oder ob er ſich, wie wohl große Maͤnner und Genie's thun, aus Bonhommie ſelbſt wie ein wunderherrliches Objekt betrachtet.
Karl, der Neapolitaner, ſoll der zugaͤnglichſte ſeyn. Denn wie vorſichtig und italieniſch maskirt auch ſein Benehmen in Geſchaͤftsverhandlungen, ſo zeichnet ihn doch ein hervorſtechender Zug des Herzens aus, der ihn gut und weich erſcheinen laͤßt.
Jacques in Paris iſt Pariſer, d. h. ein Charak¬ ter, woruͤber hundert und ein Schriftſteller nachdenken konnten, ohne ihn dennoch in zwoͤlf Großoktavbaͤn¬ den gruͤndlich erſchoͤpft zu haben.
Noch lebt die Mutter der Bruͤder. Sie iſt der Genius, der uͤber ſie Wache haͤlt, ein faſt unſichtba¬ rer Genius; denn noch immer wohnt ſie in der Frank¬ furter Judengaſſe. Sie kann ſich nicht trennen, die alte Frau, von dem Elend ihres Volkes, und freut ſich in dem ſchmuzigen Viertel die Einzige zu ſein, welche alle vier Wochen weiße ſaubere Gardinen an ihre kleinen Fenſter aufſteckt. Das iſt ihr Stolz! Sie verlaͤßt die liebe Heimath nur, um einmal in Anſelms Prachtgaͤrten die Koͤnigin der Nacht bluͤhen zu ſehen, oder ein neues Gemaͤlde zu betrachten, das
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Rothſchild.
uͤber ſein Gluͤck ſich ergiebt, oder ob er ſich, wie wohl
große Maͤnner und Genie's thun, aus Bonhommie ſelbſt
wie ein wunderherrliches Objekt betrachtet.
Karl, der Neapolitaner, ſoll der zugaͤnglichſte ſeyn.
Denn wie vorſichtig und italieniſch maskirt auch ſein
Benehmen in Geſchaͤftsverhandlungen, ſo zeichnet ihn
doch ein hervorſtechender Zug des Herzens aus, der ihn
gut und weich erſcheinen laͤßt.
Jacques in Paris iſt Pariſer, d. h. ein Charak¬
ter, woruͤber hundert und ein Schriftſteller nachdenken
konnten, ohne ihn dennoch in zwoͤlf Großoktavbaͤn¬
den gruͤndlich erſchoͤpft zu haben.
Noch lebt die Mutter der Bruͤder. Sie iſt der
Genius, der uͤber ſie Wache haͤlt, ein faſt unſichtba¬
rer Genius; denn noch immer wohnt ſie in der Frank¬
furter Judengaſſe. Sie kann ſich nicht trennen, die
alte Frau, von dem Elend ihres Volkes, und freut
ſich in dem ſchmuzigen Viertel die Einzige zu ſein,
welche alle vier Wochen weiße ſaubere Gardinen an
ihre kleinen Fenſter aufſteckt. Das iſt ihr Stolz!
Sie verlaͤßt die liebe Heimath nur, um einmal in
Anſelms Prachtgaͤrten die Koͤnigin der Nacht bluͤhen
zu ſehen, oder ein neues Gemaͤlde zu betrachten, das
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie… [mehr]
Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie angelegten Reflexionen über "Öffentliche Charaktere" in der Augsburger Allgemeinen Zeitung erscheinen. In Buchform erschien ein erster Band 1835 bei Hoffmann und Campe in Hamburg. Zur Publikation der weiteren geplanten Teile kam es nicht.
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Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835/319>, abgerufen am 27.07.2024.
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