Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835.Rothschild. und doch wieder durch die innigsten Bande verschlun¬gen, die des gemeinschaftlichen Interesse's, das der Welt eine neue Gestaltung geben soll, früher oder spä¬ ter geben soll, wird, muß. In London sind wir fünf. Alle Wochen versammeln wir uns, vergleichen Noten und bestimmen den Gang der Weltverhältnisse. Die Mysterien der Finanzen aller Reiche und ihrer Existenz liegen klar vor unsern Augen. Kein Reich, keine Fa¬ milie, kein Stand ist unserm anatomischen Messer entgangen. Wir halten die Bindungsfäden unserer Existenz, jedes Standes, jeder Familie, von der aller¬ höchsten bis zur niedrigsten in unserer Hand. In un¬ serm Soll stehen Milliarden, stehen Staaten und Fa¬ milien, Könige und Kaiser; es sind Noten wie die im Buche des ewigen Richters. Der öffentliche Kredit und das häusliche Wohl, das Glück aller Reiche der civilisirten, d. h. der schuldenden Welt, des Handels und Wandels hangen von unserm Wink und Willen ab. Was ist die geheime Polizei des Kontinents ge¬ gen die, welche wir bezahlen! Das tanzende und in seinen Fesseln knirschende Frankreich, und das phleg¬ matisch-mondsüchtige Deutschland, und das träg-bi¬ gotte Spanien und das elende an den Knochen seines dreitausendjährigen Ruhmes nagende Italien müssen Rothſchild. und doch wieder durch die innigſten Bande verſchlun¬gen, die des gemeinſchaftlichen Intereſſe's, das der Welt eine neue Geſtaltung geben ſoll, fruͤher oder ſpaͤ¬ ter geben ſoll, wird, muß. In London ſind wir fuͤnf. Alle Wochen verſammeln wir uns, vergleichen Noten und beſtimmen den Gang der Weltverhaͤltniſſe. Die Myſterien der Finanzen aller Reiche und ihrer Exiſtenz liegen klar vor unſern Augen. Kein Reich, keine Fa¬ milie, kein Stand iſt unſerm anatomiſchen Meſſer entgangen. Wir halten die Bindungsfaͤden unſerer Exiſtenz, jedes Standes, jeder Familie, von der aller¬ hoͤchſten bis zur niedrigſten in unſerer Hand. In un¬ ſerm Soll ſtehen Milliarden, ſtehen Staaten und Fa¬ milien, Koͤnige und Kaiſer; es ſind Noten wie die im Buche des ewigen Richters. Der oͤffentliche Kredit und das haͤusliche Wohl, das Gluͤck aller Reiche der civiliſirten, d. h. der ſchuldenden Welt, des Handels und Wandels hangen von unſerm Wink und Willen ab. Was iſt die geheime Polizei des Kontinents ge¬ gen die, welche wir bezahlen! Das tanzende und in ſeinen Feſſeln knirſchende Frankreich, und das phleg¬ matiſch-mondſuͤchtige Deutſchland, und das traͤg-bi¬ gotte Spanien und das elende an den Knochen ſeines dreitauſendjaͤhrigen Ruhmes nagende Italien muͤſſen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0313" n="295"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Rothſchild</hi>.<lb/></fw>und doch wieder durch die innigſten Bande verſchlun¬<lb/> gen, die des gemeinſchaftlichen Intereſſe's, das der<lb/> Welt eine neue Geſtaltung geben ſoll, fruͤher oder ſpaͤ¬<lb/> ter geben ſoll, wird, muß. In London ſind wir fuͤnf.<lb/> Alle Wochen verſammeln wir uns, vergleichen Noten<lb/> und beſtimmen den Gang der Weltverhaͤltniſſe. Die<lb/> Myſterien der Finanzen aller Reiche und ihrer Exiſtenz<lb/> liegen klar vor unſern Augen. Kein Reich, keine Fa¬<lb/> milie, kein Stand iſt unſerm anatomiſchen Meſſer<lb/> entgangen. Wir halten die Bindungsfaͤden unſerer<lb/> Exiſtenz, jedes Standes, jeder Familie, von der aller¬<lb/> hoͤchſten bis zur niedrigſten in unſerer Hand. In un¬<lb/> ſerm Soll ſtehen Milliarden, ſtehen Staaten und Fa¬<lb/> milien, Koͤnige und Kaiſer; es ſind Noten wie die im<lb/> Buche des ewigen Richters. Der oͤffentliche Kredit<lb/> und das haͤusliche Wohl, das Gluͤck aller Reiche der<lb/> civiliſirten, d. h. der ſchuldenden Welt, des Handels<lb/> und Wandels hangen von unſerm Wink und Willen<lb/> ab. Was iſt die geheime Polizei des Kontinents ge¬<lb/> gen die, welche wir bezahlen! Das tanzende und in<lb/> ſeinen Feſſeln knirſchende Frankreich, und das phleg¬<lb/> matiſch-mondſuͤchtige Deutſchland, und das traͤg-bi¬<lb/> gotte Spanien und das elende an den Knochen ſeines<lb/> dreitauſendjaͤhrigen Ruhmes nagende Italien muͤſſen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [295/0313]
Rothſchild.
und doch wieder durch die innigſten Bande verſchlun¬
gen, die des gemeinſchaftlichen Intereſſe's, das der
Welt eine neue Geſtaltung geben ſoll, fruͤher oder ſpaͤ¬
ter geben ſoll, wird, muß. In London ſind wir fuͤnf.
Alle Wochen verſammeln wir uns, vergleichen Noten
und beſtimmen den Gang der Weltverhaͤltniſſe. Die
Myſterien der Finanzen aller Reiche und ihrer Exiſtenz
liegen klar vor unſern Augen. Kein Reich, keine Fa¬
milie, kein Stand iſt unſerm anatomiſchen Meſſer
entgangen. Wir halten die Bindungsfaͤden unſerer
Exiſtenz, jedes Standes, jeder Familie, von der aller¬
hoͤchſten bis zur niedrigſten in unſerer Hand. In un¬
ſerm Soll ſtehen Milliarden, ſtehen Staaten und Fa¬
milien, Koͤnige und Kaiſer; es ſind Noten wie die im
Buche des ewigen Richters. Der oͤffentliche Kredit
und das haͤusliche Wohl, das Gluͤck aller Reiche der
civiliſirten, d. h. der ſchuldenden Welt, des Handels
und Wandels hangen von unſerm Wink und Willen
ab. Was iſt die geheime Polizei des Kontinents ge¬
gen die, welche wir bezahlen! Das tanzende und in
ſeinen Feſſeln knirſchende Frankreich, und das phleg¬
matiſch-mondſuͤchtige Deutſchland, und das traͤg-bi¬
gotte Spanien und das elende an den Knochen ſeines
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