Maaßregeln dieser Staaten zu gemeinschaftlichen für wenigstens zwei Theile gemacht, so wäre die Verschul¬ dung der beiden Kontinentalmächte an den Staat Eng¬ land tausend Irrungen preisgegeben gewesen. Die Geld¬ männer wollten keine Gemeinwesen zu Rivalen haben, sondern es sollte ein geschlossener Bund, eine Adels¬ kette des Geldes unter Privaten werden, die ihr ge¬ heimes Netz um Europa spann. Die Anleihen wur¬ den ausgeboten und an den losgeschlagen, welcher die geringste Provision nahm.
Aber freilich die Bereitwilligkeit des Borgens ist wohl immer die schwächste Garantie des Wiederbezah¬ lens: es mußten neue Regierungsakte hinzukommen, um den Privaten Vertrauen einzuflößen. Dis waren nach dem Kriege von 1815 einestheiles die Errichtung der Tilgungsfonds, sodann die Anerkennung des re¬ präsentativen Systems. Denn man irrt sich, glaubte man, die Geldaristokratie sei in jedem Stücke mit der absoluten Monarchie verschworen. Die Geldaristokratie hat die stärksten Augen und eine nervöse Sensibilität, die sie, man möchte sagen, in den Zustand des Hell¬ sehens versetzt. Sie lebt von einem Handel, den man, als noch mit Tulpen statt mit Aktien gehandelt
Rothſchild.
Maaßregeln dieſer Staaten zu gemeinſchaftlichen fuͤr wenigſtens zwei Theile gemacht, ſo waͤre die Verſchul¬ dung der beiden Kontinentalmaͤchte an den Staat Eng¬ land tauſend Irrungen preisgegeben geweſen. Die Geld¬ maͤnner wollten keine Gemeinweſen zu Rivalen haben, ſondern es ſollte ein geſchloſſener Bund, eine Adels¬ kette des Geldes unter Privaten werden, die ihr ge¬ heimes Netz um Europa ſpann. Die Anleihen wur¬ den ausgeboten und an den losgeſchlagen, welcher die geringſte Proviſion nahm.
Aber freilich die Bereitwilligkeit des Borgens iſt wohl immer die ſchwaͤchſte Garantie des Wiederbezah¬ lens: es mußten neue Regierungsakte hinzukommen, um den Privaten Vertrauen einzufloͤßen. Dis waren nach dem Kriege von 1815 einestheiles die Errichtung der Tilgungsfonds, ſodann die Anerkennung des re¬ praͤſentativen Syſtems. Denn man irrt ſich, glaubte man, die Geldariſtokratie ſei in jedem Stuͤcke mit der abſoluten Monarchie verſchworen. Die Geldariſtokratie hat die ſtaͤrkſten Augen und eine nervoͤſe Senſibilitaͤt, die ſie, man moͤchte ſagen, in den Zuſtand des Hell¬ ſehens verſetzt. Sie lebt von einem Handel, den man, als noch mit Tulpen ſtatt mit Aktien gehandelt
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Rothſchild.
Maaßregeln dieſer Staaten zu gemeinſchaftlichen fuͤr
wenigſtens zwei Theile gemacht, ſo waͤre die Verſchul¬
dung der beiden Kontinentalmaͤchte an den Staat Eng¬
land tauſend Irrungen preisgegeben geweſen. Die Geld¬
maͤnner wollten keine Gemeinweſen zu Rivalen haben,
ſondern es ſollte ein geſchloſſener Bund, eine Adels¬
kette des Geldes unter Privaten werden, die ihr ge¬
heimes Netz um Europa ſpann. Die Anleihen wur¬
den ausgeboten und an den losgeſchlagen, welcher die
geringſte Proviſion nahm.
Aber freilich die Bereitwilligkeit des Borgens iſt
wohl immer die ſchwaͤchſte Garantie des Wiederbezah¬
lens: es mußten neue Regierungsakte hinzukommen,
um den Privaten Vertrauen einzufloͤßen. Dis waren
nach dem Kriege von 1815 einestheiles die Errichtung
der Tilgungsfonds, ſodann die Anerkennung des re¬
praͤſentativen Syſtems. Denn man irrt ſich, glaubte
man, die Geldariſtokratie ſei in jedem Stuͤcke mit der
abſoluten Monarchie verſchworen. Die Geldariſtokratie
hat die ſtaͤrkſten Augen und eine nervoͤſe Senſibilitaͤt,
die ſie, man moͤchte ſagen, in den Zuſtand des Hell¬
ſehens verſetzt. Sie lebt von einem Handel, den man,
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie… [mehr]
Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie angelegten Reflexionen über "Öffentliche Charaktere" in der Augsburger Allgemeinen Zeitung erscheinen. In Buchform erschien ein erster Band 1835 bei Hoffmann und Campe in Hamburg. Zur Publikation der weiteren geplanten Teile kam es nicht.
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Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835/308>, abgerufen am 16.02.2025.
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