gang an der schlimmen Mauer; doch waren es nicht die verführerischen Lockungen der Poesie, welche ihn umgaukelten, sondern die heiligen Schnörkel des Tal¬ mud, die glänzenden Urim und Thummim des Ho¬ henpriesters blendeten seine Phantasie, er wollte auf dem Stuhle der Synagoge stehen und die Thora pre¬ digen, das Gesetz der Gerechten.
In Fürth holte er sich aus alten, schweinsleder¬ nen Büchern, aus urweltlichen, ungedruckten Perga¬ menten das lautere Wort Jehovahs, und was Mai¬ monides und Rasche beigebracht haben, um es zu er¬ klären. Er lernte was Keri und Ketiph ist, und folgte der Weisheit Mayer Hallevis, des großen Rabbi von Toledo, der zuerst den Werth der Masora aufgedeckt hat. David Kimchi und David ben Jechiel, die Dic¬ tionaire der Sprache Gottes, kamen nie aus seiner Hand; noch dachte er nicht an Dividenden und Loose, er suchte statt der Wahrheit der Erde die Wahrheit des Himmels.
Als sich das Projekt, im Violettkleide ein Prie¬ ster zu werden zerschlug, da war Mayer Anselm noch immer nicht auf die Praxis des Lebens gestellt, auf die klingende Münze, auf die Vierundzwanziger Ma¬ rien Theresiens und den Unterschied der preußischen
Rothſchild.
gang an der ſchlimmen Mauer; doch waren es nicht die verfuͤhreriſchen Lockungen der Poeſie, welche ihn umgaukelten, ſondern die heiligen Schnoͤrkel des Tal¬ mud, die glaͤnzenden Urim und Thummim des Ho¬ henprieſters blendeten ſeine Phantaſie, er wollte auf dem Stuhle der Synagoge ſtehen und die Thora pre¬ digen, das Geſetz der Gerechten.
In Fuͤrth holte er ſich aus alten, ſchweinsleder¬ nen Buͤchern, aus urweltlichen, ungedruckten Perga¬ menten das lautere Wort Jehovahs, und was Mai¬ monides und Raſche beigebracht haben, um es zu er¬ klaͤren. Er lernte was Keri und Ketiph iſt, und folgte der Weisheit Mayer Hallevis, des großen Rabbi von Toledo, der zuerſt den Werth der Maſora aufgedeckt hat. David Kimchi und David ben Jechiel, die Dic¬ tionaire der Sprache Gottes, kamen nie aus ſeiner Hand; noch dachte er nicht an Dividenden und Looſe, er ſuchte ſtatt der Wahrheit der Erde die Wahrheit des Himmels.
Als ſich das Projekt, im Violettkleide ein Prie¬ ſter zu werden zerſchlug, da war Mayer Anſelm noch immer nicht auf die Praxis des Lebens geſtellt, auf die klingende Muͤnze, auf die Vierundzwanziger Ma¬ rien Thereſiens und den Unterſchied der preußiſchen
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Rothſchild.
gang an der ſchlimmen Mauer; doch waren es nicht
die verfuͤhreriſchen Lockungen der Poeſie, welche ihn
umgaukelten, ſondern die heiligen Schnoͤrkel des Tal¬
mud, die glaͤnzenden Urim und Thummim des Ho¬
henprieſters blendeten ſeine Phantaſie, er wollte auf
dem Stuhle der Synagoge ſtehen und die Thora pre¬
digen, das Geſetz der Gerechten.
In Fuͤrth holte er ſich aus alten, ſchweinsleder¬
nen Buͤchern, aus urweltlichen, ungedruckten Perga¬
menten das lautere Wort Jehovahs, und was Mai¬
monides und Raſche beigebracht haben, um es zu er¬
klaͤren. Er lernte was Keri und Ketiph iſt, und folgte
der Weisheit Mayer Hallevis, des großen Rabbi von
Toledo, der zuerſt den Werth der Maſora aufgedeckt
hat. David Kimchi und David ben Jechiel, die Dic¬
tionaire der Sprache Gottes, kamen nie aus ſeiner
Hand; noch dachte er nicht an Dividenden und Looſe,
er ſuchte ſtatt der Wahrheit der Erde die Wahrheit
des Himmels.
Als ſich das Projekt, im Violettkleide ein Prie¬
ſter zu werden zerſchlug, da war Mayer Anſelm noch
immer nicht auf die Praxis des Lebens geſtellt, auf
die klingende Muͤnze, auf die Vierundzwanziger Ma¬
rien Thereſiens und den Unterſchied der preußiſchen
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie… [mehr]
Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie angelegten Reflexionen über "Öffentliche Charaktere" in der Augsburger Allgemeinen Zeitung erscheinen. In Buchform erschien ein erster Band 1835 bei Hoffmann und Campe in Hamburg. Zur Publikation der weiteren geplanten Teile kam es nicht.
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Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835/302>, abgerufen am 16.02.2025.
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