Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835.Rothschild. Ueberlieferung zerstört; doch der größere blieb zurückund öffnet die Perspektive einer Zeit, die noch nicht lange verflossen ist. Reicht das Mittelalter der Juden nicht noch hinauf in das Jahrhundert der Aufklärung? Zwei schmuzig rothe Häuserreihen, gebaut auf al¬ Welche Charaktere verstecken sich hier hinter den Rothſchild. Ueberlieferung zerſtoͤrt; doch der groͤßere blieb zuruͤckund oͤffnet die Perſpektive einer Zeit, die noch nicht lange verfloſſen iſt. Reicht das Mittelalter der Juden nicht noch hinauf in das Jahrhundert der Aufklaͤrung? Zwei ſchmuzig rothe Haͤuſerreihen, gebaut auf al¬ Welche Charaktere verſtecken ſich hier hinter den <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0299" n="281"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Rothſchild</hi>.<lb/></fw> Ueberlieferung zerſtoͤrt; doch der groͤßere blieb zuruͤck<lb/> und oͤffnet die Perſpektive einer Zeit, die noch nicht<lb/> lange verfloſſen iſt. Reicht das Mittelalter der Juden<lb/> nicht noch hinauf in das Jahrhundert der Aufklaͤrung?</p><lb/> <p>Zwei ſchmuzig rothe Haͤuſerreihen, gebaut auf al¬<lb/> ten Urbloͤcken, die ſo ſchwer ſind, wie der Stamm,<lb/> den Chriſtus auf Golgatha tragen mußte, ziehen ſich<lb/> in einer aͤngſtlichen, finſtern, ſchlecht gekehrten Pa¬<lb/> rallele neben einander hin, von einer unvollendeten<lb/> Synagoge bis zu dem jenſeitigen Thore, das ehemals<lb/> naͤchtlich geſchloſſen wurde.</p><lb/> <p>Welche Charaktere verſtecken ſich hier hinter den<lb/> originellſten Mienen! Hier lernt man, daß die Juden<lb/> noch immer einen innerlichen Zuſammenhang unter<lb/> ſich haben, daß ſie eine geſchloſſene Kette mitten in<lb/> der europaͤiſchen Geſellſchaft bilden. Dort der mit dem<lb/> Raͤnzel auf der Landſtraße wandernde Hauſirer, die<lb/> Herberge der naͤchſten Stadt, die Kundſchaft am Orte<lb/> — o man lernt ſich eine planmaͤßige Exiſtenz, wie ſie<lb/> hinter unſerm Ruͤcken von einem ganzen Volke gelebt<lb/> wird, zuſammenreihen. Seht jenen Sack, in dem auf<lb/> der Frankfurter Judengaſſe der Hauſirer einen Troͤd¬<lb/> ler hineinguken laͤßt; iſt es nicht, als ſtaͤken Dinge<lb/> darin, die in Polen und Oſtpreußen vermißt werden?<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [281/0299]
Rothſchild.
Ueberlieferung zerſtoͤrt; doch der groͤßere blieb zuruͤck
und oͤffnet die Perſpektive einer Zeit, die noch nicht
lange verfloſſen iſt. Reicht das Mittelalter der Juden
nicht noch hinauf in das Jahrhundert der Aufklaͤrung?
Zwei ſchmuzig rothe Haͤuſerreihen, gebaut auf al¬
ten Urbloͤcken, die ſo ſchwer ſind, wie der Stamm,
den Chriſtus auf Golgatha tragen mußte, ziehen ſich
in einer aͤngſtlichen, finſtern, ſchlecht gekehrten Pa¬
rallele neben einander hin, von einer unvollendeten
Synagoge bis zu dem jenſeitigen Thore, das ehemals
naͤchtlich geſchloſſen wurde.
Welche Charaktere verſtecken ſich hier hinter den
originellſten Mienen! Hier lernt man, daß die Juden
noch immer einen innerlichen Zuſammenhang unter
ſich haben, daß ſie eine geſchloſſene Kette mitten in
der europaͤiſchen Geſellſchaft bilden. Dort der mit dem
Raͤnzel auf der Landſtraße wandernde Hauſirer, die
Herberge der naͤchſten Stadt, die Kundſchaft am Orte
— o man lernt ſich eine planmaͤßige Exiſtenz, wie ſie
hinter unſerm Ruͤcken von einem ganzen Volke gelebt
wird, zuſammenreihen. Seht jenen Sack, in dem auf
der Frankfurter Judengaſſe der Hauſirer einen Troͤd¬
ler hineinguken laͤßt; iſt es nicht, als ſtaͤken Dinge
darin, die in Polen und Oſtpreußen vermißt werden?
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