einer neuen Nation und die Entwürfe eines jungen militairischen Genies krönten, ein entscheidendes Gewicht in die Wagschale der Geschichte zu legen.
Aber wo es hernehmen? Aus einer Vergangenheit, für welche die Gegenwart keine Beweise mehr hatte? Der Abgrund öffnete sich, und übermüthig, blind, po¬ chend, schwatzend, unbedacht und drohend stürzte man hinein.
Von der Armee war am wenigsten zu hoffen, ob¬ schon die alten Generale derselben glaubten, Napoleon sei nur in die Welt gekommen, um sich von ihnen schlagen zu lassen. An Tapferkeit, oder wie man es damals nannte, Bravour, fehlte es nicht. Ancillon verkehrte selbst in dem Hause eines Prinzen, den die Natur zu ihrem Liebling geschaffen zu haben schien, der tapfer wie ein Held der Sage und auch gebildet wie ein Ritter der Tafelrunde war; aber jene Mäßi¬ gung und Sophrosyne nicht kannte, welche allein fähig macht, zu siegen, oder das Unglück mit Würde zu er¬ tragen.
Welche schmerzliche Ahnung über den Gang, wel¬ chen Preußen gehen würde, mußte ihn ergreifen, wenn er die Frivolität bis zu dem Grade gestiegen sahe, und
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Ancillon.
einer neuen Nation und die Entwuͤrfe eines jungen militairiſchen Genies kroͤnten, ein entſcheidendes Gewicht in die Wagſchale der Geſchichte zu legen.
Aber wo es hernehmen? Aus einer Vergangenheit, fuͤr welche die Gegenwart keine Beweiſe mehr hatte? Der Abgrund oͤffnete ſich, und uͤbermuͤthig, blind, po¬ chend, ſchwatzend, unbedacht und drohend ſtuͤrzte man hinein.
Von der Armee war am wenigſten zu hoffen, ob¬ ſchon die alten Generale derſelben glaubten, Napoleon ſei nur in die Welt gekommen, um ſich von ihnen ſchlagen zu laſſen. An Tapferkeit, oder wie man es damals nannte, Bravour, fehlte es nicht. Ancillon verkehrte ſelbſt in dem Hauſe eines Prinzen, den die Natur zu ihrem Liebling geſchaffen zu haben ſchien, der tapfer wie ein Held der Sage und auch gebildet wie ein Ritter der Tafelrunde war; aber jene Maͤßi¬ gung und Sophroſyne nicht kannte, welche allein faͤhig macht, zu ſiegen, oder das Ungluͤck mit Wuͤrde zu er¬ tragen.
Welche ſchmerzliche Ahnung uͤber den Gang, wel¬ chen Preußen gehen wuͤrde, mußte ihn ergreifen, wenn er die Frivolitaͤt bis zu dem Grade geſtiegen ſahe, und
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Ancillon.
einer neuen Nation und die Entwuͤrfe eines jungen
militairiſchen Genies kroͤnten, ein entſcheidendes Gewicht
in die Wagſchale der Geſchichte zu legen.
Aber wo es hernehmen? Aus einer Vergangenheit,
fuͤr welche die Gegenwart keine Beweiſe mehr hatte?
Der Abgrund oͤffnete ſich, und uͤbermuͤthig, blind, po¬
chend, ſchwatzend, unbedacht und drohend ſtuͤrzte man
hinein.
Von der Armee war am wenigſten zu hoffen, ob¬
ſchon die alten Generale derſelben glaubten, Napoleon
ſei nur in die Welt gekommen, um ſich von ihnen
ſchlagen zu laſſen. An Tapferkeit, oder wie man es
damals nannte, Bravour, fehlte es nicht. Ancillon
verkehrte ſelbſt in dem Hauſe eines Prinzen, den die
Natur zu ihrem Liebling geſchaffen zu haben ſchien,
der tapfer wie ein Held der Sage und auch gebildet
wie ein Ritter der Tafelrunde war; aber jene Maͤßi¬
gung und Sophroſyne nicht kannte, welche allein faͤhig
macht, zu ſiegen, oder das Ungluͤck mit Wuͤrde zu er¬
tragen.
Welche ſchmerzliche Ahnung uͤber den Gang, wel¬
chen Preußen gehen wuͤrde, mußte ihn ergreifen, wenn
er die Frivolitaͤt bis zu dem Grade geſtiegen ſahe, und
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie… [mehr]
Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie angelegten Reflexionen über "Öffentliche Charaktere" in der Augsburger Allgemeinen Zeitung erscheinen. In Buchform erschien ein erster Band 1835 bei Hoffmann und Campe in Hamburg. Zur Publikation der weiteren geplanten Teile kam es nicht.
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Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835/277>, abgerufen am 23.07.2024.
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