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Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835.

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Ancillon.
in der That sind, was sie zu sein keine Verpflichtung
haben.

Hier lauscht die Geschichte und zeichnet sich manche
Thatsache auf; doch die preußischen Staatsmänner kön¬
nen selten größer sein, als ihre Verhältnisse, da die
letztern unverrücklich vorgeschrieben sind: eben die libe¬
rale Zulassung aller Stände in die Carriere, schwächt
die Vorsprünge, welche Einer vor dem Andern gewin¬
nen konnte; weil Preußen auf der einen Seite keine
im Vorgrunde stehende, reiche und massenhafte Aristo¬
kratie hat, so gibt es keine natürliche, mit der Geburt
gegebene Prädestination für das Verdienst und den
Ruhm; und weil es auf der andern Seite ohne Oef¬
fentlichkeit, Verfassung und Repräsentation ist, so gibt
es auch dem talentvollen Rotürier, dem Genie keine
Anwartschaft, wenigstens nicht eher, als bis mit dem
grauen Haar und der langen Entnervung durch die
Büreaukratie und Collegialverwaltung das Feuer abge¬
kühlt und das Außerordentliche in eine gemäßigte, wenn
auch geistvolle Auffassung seiner Dienstpflicht verwan¬
delt ist.

Neben diesen jüngern Staatsmännern finden sich
nun aber auch noch zahlreiche Reste von Preußens hi¬
storischer Vergangenheit; Namen, deren Anfänge sich

Ancillon.
in der That ſind, was ſie zu ſein keine Verpflichtung
haben.

Hier lauſcht die Geſchichte und zeichnet ſich manche
Thatſache auf; doch die preußiſchen Staatsmaͤnner koͤn¬
nen ſelten groͤßer ſein, als ihre Verhaͤltniſſe, da die
letztern unverruͤcklich vorgeſchrieben ſind: eben die libe¬
rale Zulaſſung aller Staͤnde in die Carriére, ſchwaͤcht
die Vorſpruͤnge, welche Einer vor dem Andern gewin¬
nen konnte; weil Preußen auf der einen Seite keine
im Vorgrunde ſtehende, reiche und maſſenhafte Ariſto¬
kratie hat, ſo gibt es keine natuͤrliche, mit der Geburt
gegebene Praͤdeſtination fuͤr das Verdienſt und den
Ruhm; und weil es auf der andern Seite ohne Oef¬
fentlichkeit, Verfaſſung und Repraͤſentation iſt, ſo gibt
es auch dem talentvollen Rotuͤrier, dem Genie keine
Anwartſchaft, wenigſtens nicht eher, als bis mit dem
grauen Haar und der langen Entnervung durch die
Buͤreaukratie und Collegialverwaltung das Feuer abge¬
kuͤhlt und das Außerordentliche in eine gemaͤßigte, wenn
auch geiſtvolle Auffaſſung ſeiner Dienſtpflicht verwan¬
delt iſt.

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[244/0262] Ancillon. in der That ſind, was ſie zu ſein keine Verpflichtung haben. Hier lauſcht die Geſchichte und zeichnet ſich manche Thatſache auf; doch die preußiſchen Staatsmaͤnner koͤn¬ nen ſelten groͤßer ſein, als ihre Verhaͤltniſſe, da die letztern unverruͤcklich vorgeſchrieben ſind: eben die libe¬ rale Zulaſſung aller Staͤnde in die Carriére, ſchwaͤcht die Vorſpruͤnge, welche Einer vor dem Andern gewin¬ nen konnte; weil Preußen auf der einen Seite keine im Vorgrunde ſtehende, reiche und maſſenhafte Ariſto¬ kratie hat, ſo gibt es keine natuͤrliche, mit der Geburt gegebene Praͤdeſtination fuͤr das Verdienſt und den Ruhm; und weil es auf der andern Seite ohne Oef¬ fentlichkeit, Verfaſſung und Repraͤſentation iſt, ſo gibt es auch dem talentvollen Rotuͤrier, dem Genie keine Anwartſchaft, wenigſtens nicht eher, als bis mit dem grauen Haar und der langen Entnervung durch die Buͤreaukratie und Collegialverwaltung das Feuer abge¬ kuͤhlt und das Außerordentliche in eine gemaͤßigte, wenn auch geiſtvolle Auffaſſung ſeiner Dienſtpflicht verwan¬ delt iſt. Neben dieſen juͤngern Staatsmaͤnnern finden ſich nun aber auch noch zahlreiche Reſte von Preußens hi¬ ſtoriſcher Vergangenheit; Namen, deren Anfaͤnge ſich

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835/262>, abgerufen am 24.11.2024.