Selten bietet das Leben deutscher Staatsmänner einen biographischen Reiz dar. Es ist aus zu gleich¬ mäßigen, zu nüchternen Elementen zusammengesetzt, es kömmt erst dann in die Strömung der Zeit und des öffentlichen Lebens, wenn es das Greisenalter erreicht hat; ja oft ist selbst der höchste Rang, mit welchem ein deutscher Staat seine Diener bekleiden kann, gänz¬ lich herausgerückt aus der Sphäre des allgemeinen und geschichtlichen Interesses, wie groß auch die stillen und bescheidenen Verdienste sein mögen, welche man sich mit ihm erwerben kann.
Ein heller Kopf, gute Studien, Protektion, wirk¬ liche Vorzüge, welche der höhere Beamte bemerkt und uneigennützig belohnt, allmäliges Hinaufrücken, zuletzt die Altersprärogative; das ist der loyale Gang, wel¬ chen die deutschen im Gehorsam gegen ihren Herrn
Gutzkow's öffentl. Char. 16
Selten bietet das Leben deutſcher Staatsmaͤnner einen biographiſchen Reiz dar. Es iſt aus zu gleich¬ maͤßigen, zu nuͤchternen Elementen zuſammengeſetzt, es koͤmmt erſt dann in die Stroͤmung der Zeit und des oͤffentlichen Lebens, wenn es das Greiſenalter erreicht hat; ja oft iſt ſelbſt der hoͤchſte Rang, mit welchem ein deutſcher Staat ſeine Diener bekleiden kann, gaͤnz¬ lich herausgeruͤckt aus der Sphaͤre des allgemeinen und geſchichtlichen Intereſſes, wie groß auch die ſtillen und beſcheidenen Verdienſte ſein moͤgen, welche man ſich mit ihm erwerben kann.
Ein heller Kopf, gute Studien, Protektion, wirk¬ liche Vorzuͤge, welche der hoͤhere Beamte bemerkt und uneigennuͤtzig belohnt, allmaͤliges Hinaufruͤcken, zuletzt die Alterspraͤrogative; das iſt der loyale Gang, wel¬ chen die deutſchen im Gehorſam gegen ihren Herrn
Gutzkow's öffentl. Char. 16
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[0259]
Selten bietet das Leben deutſcher Staatsmaͤnner
einen biographiſchen Reiz dar. Es iſt aus zu gleich¬
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koͤmmt erſt dann in die Stroͤmung der Zeit und des
oͤffentlichen Lebens, wenn es das Greiſenalter erreicht
hat; ja oft iſt ſelbſt der hoͤchſte Rang, mit welchem
ein deutſcher Staat ſeine Diener bekleiden kann, gaͤnz¬
lich herausgeruͤckt aus der Sphaͤre des allgemeinen und
geſchichtlichen Intereſſes, wie groß auch die ſtillen
und beſcheidenen Verdienſte ſein moͤgen, welche man
ſich mit ihm erwerben kann.
Ein heller Kopf, gute Studien, Protektion, wirk¬
liche Vorzuͤge, welche der hoͤhere Beamte bemerkt und
uneigennuͤtzig belohnt, allmaͤliges Hinaufruͤcken, zuletzt
die Alterspraͤrogative; das iſt der loyale Gang, wel¬
chen die deutſchen im Gehorſam gegen ihren Herrn
Gutzkow's öffentl. Char. 16
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie… [mehr]
Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie angelegten Reflexionen über "Öffentliche Charaktere" in der Augsburger Allgemeinen Zeitung erscheinen. In Buchform erschien ein erster Band 1835 bei Hoffmann und Campe in Hamburg. Zur Publikation der weiteren geplanten Teile kam es nicht.
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Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835/259>, abgerufen am 24.11.2024.
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