College, der plötzlich einen Wechsel von Hause bekom¬ men hat, sich mit seinen Kameraden einschließt und einige Tage lang seine Orgien feiert!
Es gab eine Zeit, wo Armand Carrel mit Thiers und dem blonden Staatsrath Mignet die Namen der Freundschaft austauschte, wo ihre Schwüre gemein¬ schaftlichen Feinden galten, wo sie zusammen Luft¬ schlösser bauten, und sich wechselsweise belauschten, wie mit dem wachsenden Barte die Illusionen schwanden.
Mignet, ruhig und gesetzt, von ängstlicher Beson¬ nenheit, der pedantische Gegenstand der Späße des klei¬ nern Thiers, immer aufgezogen von seinen beiden Freunden, aber ein Mann von weiser Vorsicht, ein Meister des Styls, ganz plastischer Natur, ein Mann zu gut für die Dinge, denen er später diente.
Thiers, lebhaft, Räsonneur, Poltron, immer Wi¬ derspruch, heute das Gegentheil von dem, was er ge¬ stern war, nicht so tief und ergründend, wie Mignet, auch nicht so marmorn im Styl, aber empfänglich, ein leichter Arbeiter, mit einem genialen Instinkt für das Wahre oder auch nur für das Glänzende.
Carrel, vielleicht nicht so unterrichtet wie Mignet, nicht so geistreich wie Thiers, aber consequent, ein Mann der That, energisch, Meister seines Ideenkreises,
Armand Carrel.
Collège, der ploͤtzlich einen Wechſel von Hauſe bekom¬ men hat, ſich mit ſeinen Kameraden einſchließt und einige Tage lang ſeine Orgien feiert!
Es gab eine Zeit, wo Armand Carrel mit Thiers und dem blonden Staatsrath Mignet die Namen der Freundſchaft austauſchte, wo ihre Schwuͤre gemein¬ ſchaftlichen Feinden galten, wo ſie zuſammen Luft¬ ſchloͤſſer bauten, und ſich wechſelsweiſe belauſchten, wie mit dem wachſenden Barte die Illuſionen ſchwanden.
Mignet, ruhig und geſetzt, von aͤngſtlicher Beſon¬ nenheit, der pedantiſche Gegenſtand der Spaͤße des klei¬ nern Thiers, immer aufgezogen von ſeinen beiden Freunden, aber ein Mann von weiſer Vorſicht, ein Meiſter des Styls, ganz plaſtiſcher Natur, ein Mann zu gut fuͤr die Dinge, denen er ſpaͤter diente.
Thiers, lebhaft, Raͤſonneur, Poltron, immer Wi¬ derſpruch, heute das Gegentheil von dem, was er ge¬ ſtern war, nicht ſo tief und ergruͤndend, wie Mignet, auch nicht ſo marmorn im Styl, aber empfaͤnglich, ein leichter Arbeiter, mit einem genialen Inſtinkt fuͤr das Wahre oder auch nur fuͤr das Glaͤnzende.
Carrel, vielleicht nicht ſo unterrichtet wie Mignet, nicht ſo geiſtreich wie Thiers, aber conſequent, ein Mann der That, energiſch, Meiſter ſeines Ideenkreiſes,
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Armand Carrel.
Collège, der ploͤtzlich einen Wechſel von Hauſe bekom¬
men hat, ſich mit ſeinen Kameraden einſchließt und
einige Tage lang ſeine Orgien feiert!
Es gab eine Zeit, wo Armand Carrel mit Thiers
und dem blonden Staatsrath Mignet die Namen der
Freundſchaft austauſchte, wo ihre Schwuͤre gemein¬
ſchaftlichen Feinden galten, wo ſie zuſammen Luft¬
ſchloͤſſer bauten, und ſich wechſelsweiſe belauſchten, wie
mit dem wachſenden Barte die Illuſionen ſchwanden.
Mignet, ruhig und geſetzt, von aͤngſtlicher Beſon¬
nenheit, der pedantiſche Gegenſtand der Spaͤße des klei¬
nern Thiers, immer aufgezogen von ſeinen beiden
Freunden, aber ein Mann von weiſer Vorſicht, ein
Meiſter des Styls, ganz plaſtiſcher Natur, ein Mann
zu gut fuͤr die Dinge, denen er ſpaͤter diente.
Thiers, lebhaft, Raͤſonneur, Poltron, immer Wi¬
derſpruch, heute das Gegentheil von dem, was er ge¬
ſtern war, nicht ſo tief und ergruͤndend, wie Mignet,
auch nicht ſo marmorn im Styl, aber empfaͤnglich, ein
leichter Arbeiter, mit einem genialen Inſtinkt fuͤr das
Wahre oder auch nur fuͤr das Glaͤnzende.
Carrel, vielleicht nicht ſo unterrichtet wie Mignet,
nicht ſo geiſtreich wie Thiers, aber conſequent, ein
Mann der That, energiſch, Meiſter ſeines Ideenkreiſes,
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie… [mehr]
Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie angelegten Reflexionen über "Öffentliche Charaktere" in der Augsburger Allgemeinen Zeitung erscheinen. In Buchform erschien ein erster Band 1835 bei Hoffmann und Campe in Hamburg. Zur Publikation der weiteren geplanten Teile kam es nicht.
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Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835/240>, abgerufen am 28.07.2024.
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