diesem formellen Ingrimme irgend Etwas im Sinne haben, was die neue Dynastie in Verlegenheit setzte?
Nein, beide vereinigen sich in der Ansicht, welche sie von einer parlamentarischen Opposition haben; beide, Tiersparti und die Doktrin, halten die Opposition für etwas nothwendig Bitteres, aber für den bittern Ma¬ gensaft, welcher dem Staatskörper verdauen hilft. Wer von beiden würde sagen, die Opposition solle dem Königthum so viel bittre Mandeln geben, bis es zu¬ letzt an der daraus entstehenden Blausäure vergiftet stirbt?
Hier ist ein Kampf ohne Muth; ein Kampf, wel¬ cher die Sieger in Verlegenheit setzt. Die Doktrin täuscht sich hierüber nicht; sie erklärte längst, daß Du¬ pin nicht wagen wird zu siegen.
Die Doktrin spielt dem Tiersparti gegenüber eine Rolle, welche plötzlich für sie ein Interesse erregt hat. Wer sähe nicht mit Theilnahme auf Thiers, diesen geistreichen, aber ungezogenen Roue, der das ganze Königthum in seiner Hand zu haben scheint, und den¬ noch ihm so verhaßt ist, weil er seinen demokrati¬ schen Ursprung nicht abstreifen konnte, weil er alte prunklose Ausdrücke und Formen beibehielt und sich noch immer so benimmt, wie ein junger Schüler des
Armand Carrel.
dieſem formellen Ingrimme irgend Etwas im Sinne haben, was die neue Dynaſtie in Verlegenheit ſetzte?
Nein, beide vereinigen ſich in der Anſicht, welche ſie von einer parlamentariſchen Oppoſition haben; beide, Tiersparti und die Doktrin, halten die Oppoſition fuͤr etwas nothwendig Bitteres, aber fuͤr den bittern Ma¬ genſaft, welcher dem Staatskoͤrper verdauen hilft. Wer von beiden wuͤrde ſagen, die Oppoſition ſolle dem Koͤnigthum ſo viel bittre Mandeln geben, bis es zu¬ letzt an der daraus entſtehenden Blauſaͤure vergiftet ſtirbt?
Hier iſt ein Kampf ohne Muth; ein Kampf, wel¬ cher die Sieger in Verlegenheit ſetzt. Die Doktrin taͤuſcht ſich hieruͤber nicht; ſie erklaͤrte laͤngſt, daß Du¬ pin nicht wagen wird zu ſiegen.
Die Doktrin ſpielt dem Tiersparti gegenuͤber eine Rolle, welche ploͤtzlich fuͤr ſie ein Intereſſe erregt hat. Wer ſaͤhe nicht mit Theilnahme auf Thiers, dieſen geiſtreichen, aber ungezogenen Roué, der das ganze Koͤnigthum in ſeiner Hand zu haben ſcheint, und den¬ noch ihm ſo verhaßt iſt, weil er ſeinen demokrati¬ ſchen Urſprung nicht abſtreifen konnte, weil er alte prunkloſe Ausdruͤcke und Formen beibehielt und ſich noch immer ſo benimmt, wie ein junger Schuͤler des
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Armand Carrel.
dieſem formellen Ingrimme irgend Etwas im Sinne
haben, was die neue Dynaſtie in Verlegenheit ſetzte?
Nein, beide vereinigen ſich in der Anſicht, welche
ſie von einer parlamentariſchen Oppoſition haben; beide,
Tiersparti und die Doktrin, halten die Oppoſition fuͤr
etwas nothwendig Bitteres, aber fuͤr den bittern Ma¬
genſaft, welcher dem Staatskoͤrper verdauen hilft.
Wer von beiden wuͤrde ſagen, die Oppoſition ſolle dem
Koͤnigthum ſo viel bittre Mandeln geben, bis es zu¬
letzt an der daraus entſtehenden Blauſaͤure vergiftet
ſtirbt?
Hier iſt ein Kampf ohne Muth; ein Kampf, wel¬
cher die Sieger in Verlegenheit ſetzt. Die Doktrin
taͤuſcht ſich hieruͤber nicht; ſie erklaͤrte laͤngſt, daß Du¬
pin nicht wagen wird zu ſiegen.
Die Doktrin ſpielt dem Tiersparti gegenuͤber eine
Rolle, welche ploͤtzlich fuͤr ſie ein Intereſſe erregt hat.
Wer ſaͤhe nicht mit Theilnahme auf Thiers, dieſen
geiſtreichen, aber ungezogenen Roué, der das ganze
Koͤnigthum in ſeiner Hand zu haben ſcheint, und den¬
noch ihm ſo verhaßt iſt, weil er ſeinen demokrati¬
ſchen Urſprung nicht abſtreifen konnte, weil er alte
prunkloſe Ausdruͤcke und Formen beibehielt und ſich
noch immer ſo benimmt, wie ein junger Schuͤler des
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie… [mehr]
Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie angelegten Reflexionen über "Öffentliche Charaktere" in der Augsburger Allgemeinen Zeitung erscheinen. In Buchform erschien ein erster Band 1835 bei Hoffmann und Campe in Hamburg. Zur Publikation der weiteren geplanten Teile kam es nicht.
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Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835/239>, abgerufen am 28.07.2024.
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