Was läßt sich dagegen sagen? Mit diesem seinen scheinheiligen Spiele, hat O'Connell ein Privilegium der üblen Nachrede, und bedient sich desselben verschwen¬ derisch, ohne seine Haut zu Markt zu tragen. Man muß eingestehen, daß dis eine für den Demagogen unerläßliche Maaßregel ist; denn wo sollten seine In¬ vektiven hinaus; wenn er der Klinge jedes Fähnrichs von der Gegenpartei, der ihn insultirte, stehen müßte, oder keine Aeußerung über Personen geben dürfte, ohne dabei fortwährend sein Leben als Siegel und Zeugniß einzusetzen? Das Bequeme und Behagliche dieser Maxime kömmt auch nicht einmal als Feigheit heraus; denn mit dem Herzen des Squire Desterre hat es ganz seine Richtigkeit, und Jedermann weiß davon.
Einen großen Vorsprung in der Erfüllung seiner Aufgabe findet O'Connell namentlich in den Resten, welche ihm von seiner ersten Erziehung geblieben sind.
Denn obwohl Advokat seinem Gewerbe nach, so kam doch die Perücke dieses Amtes auf ein Haupt, das durch die Tonsur schon für den Priesterstand bestimmt war. O'Connell, der Sohn einer angesehenen, aber nicht vermögenden Familie, sollte die Weihe nehmen und wurde deshalb, wie fast alle jungen irischen Geist¬ lichen, in dem französischen Seminar zu St. Omer er¬
Daniel O'Connell.
Was laͤßt ſich dagegen ſagen? Mit dieſem ſeinen ſcheinheiligen Spiele, hat O'Connell ein Privilegium der uͤblen Nachrede, und bedient ſich deſſelben verſchwen¬ deriſch, ohne ſeine Haut zu Markt zu tragen. Man muß eingeſtehen, daß dis eine fuͤr den Demagogen unerlaͤßliche Maaßregel iſt; denn wo ſollten ſeine In¬ vektiven hinaus; wenn er der Klinge jedes Faͤhnrichs von der Gegenpartei, der ihn inſultirte, ſtehen muͤßte, oder keine Aeußerung uͤber Perſonen geben duͤrfte, ohne dabei fortwaͤhrend ſein Leben als Siegel und Zeugniß einzuſetzen? Das Bequeme und Behagliche dieſer Maxime koͤmmt auch nicht einmal als Feigheit heraus; denn mit dem Herzen des Squire Deſterre hat es ganz ſeine Richtigkeit, und Jedermann weiß davon.
Einen großen Vorſprung in der Erfuͤllung ſeiner Aufgabe findet O'Connell namentlich in den Reſten, welche ihm von ſeiner erſten Erziehung geblieben ſind.
Denn obwohl Advokat ſeinem Gewerbe nach, ſo kam doch die Peruͤcke dieſes Amtes auf ein Haupt, das durch die Tonſur ſchon fuͤr den Prieſterſtand beſtimmt war. O'Connell, der Sohn einer angeſehenen, aber nicht vermoͤgenden Familie, ſollte die Weihe nehmen und wurde deshalb, wie faſt alle jungen iriſchen Geiſt¬ lichen, in dem franzoͤſiſchen Seminar zu St. Omer er¬
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Daniel O'Connell.
Was laͤßt ſich dagegen ſagen? Mit dieſem ſeinen
ſcheinheiligen Spiele, hat O'Connell ein Privilegium
der uͤblen Nachrede, und bedient ſich deſſelben verſchwen¬
deriſch, ohne ſeine Haut zu Markt zu tragen. Man
muß eingeſtehen, daß dis eine fuͤr den Demagogen
unerlaͤßliche Maaßregel iſt; denn wo ſollten ſeine In¬
vektiven hinaus; wenn er der Klinge jedes Faͤhnrichs
von der Gegenpartei, der ihn inſultirte, ſtehen muͤßte,
oder keine Aeußerung uͤber Perſonen geben duͤrfte, ohne
dabei fortwaͤhrend ſein Leben als Siegel und Zeugniß
einzuſetzen? Das Bequeme und Behagliche dieſer Maxime
koͤmmt auch nicht einmal als Feigheit heraus; denn
mit dem Herzen des Squire Deſterre hat es ganz ſeine
Richtigkeit, und Jedermann weiß davon.
Einen großen Vorſprung in der Erfuͤllung ſeiner
Aufgabe findet O'Connell namentlich in den Reſten,
welche ihm von ſeiner erſten Erziehung geblieben ſind.
Denn obwohl Advokat ſeinem Gewerbe nach, ſo
kam doch die Peruͤcke dieſes Amtes auf ein Haupt, das
durch die Tonſur ſchon fuͤr den Prieſterſtand beſtimmt
war. O'Connell, der Sohn einer angeſehenen, aber
nicht vermoͤgenden Familie, ſollte die Weihe nehmen
und wurde deshalb, wie faſt alle jungen iriſchen Geiſt¬
lichen, in dem franzoͤſiſchen Seminar zu St. Omer er¬
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie… [mehr]
Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie angelegten Reflexionen über "Öffentliche Charaktere" in der Augsburger Allgemeinen Zeitung erscheinen. In Buchform erschien ein erster Band 1835 bei Hoffmann und Campe in Hamburg. Zur Publikation der weiteren geplanten Teile kam es nicht.
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Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835/193>, abgerufen am 16.02.2025.
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