Flecken reformirt hat, bleibt die englische Armee noch immer ein Amalgam, welches einen wunderlichen Ein¬ druck macht.
Der Grund dieser Unzulänglichkeit liegt in Din¬ gen, welche sich nicht ausrotten lassen, in der englischen Verfassung, die das Heer nicht beschützt, in der Stim¬ mung der Nation, die es nicht achtet, im Charakter des Landes, dessen Beschaffenheit kriegerische Evolutio¬ nen und Vorstudien nicht begünstigt, und endlich im Wesen der Engländer und Soldaten selbst, das sich nicht tilgen läßt.
Die englische Armee hat weder den Instinkt der Ehre noch Gemeingeist; wenn sie stolz ist, so ist sie es auf Old-England, auf den Porter und die Beefsteaks der Heimath, auf die bürgerlichen Tugenden ihrer An¬ verwandten, welche zu Hause sind. Die Ehre kann nicht geweckt werden, da das Avancement dem gemei¬ nen Krieger verschlossen ist; der esprit de corps nicht, weil die Armee in ihrer Größe sich niemals gesehen hat, sondern über alle Theile der Welt in kleinen Par¬ zellen zerbröckelt ist. Noch nie haben sich so viel Eng¬ länder zusammenbefunden, als unter Wellington auf der pyrenäischen Halbinsel: der Kontinent kannte sie
Wellington.
Flecken reformirt hat, bleibt die engliſche Armee noch immer ein Amalgam, welches einen wunderlichen Ein¬ druck macht.
Der Grund dieſer Unzulaͤnglichkeit liegt in Din¬ gen, welche ſich nicht ausrotten laſſen, in der engliſchen Verfaſſung, die das Heer nicht beſchuͤtzt, in der Stim¬ mung der Nation, die es nicht achtet, im Charakter des Landes, deſſen Beſchaffenheit kriegeriſche Evolutio¬ nen und Vorſtudien nicht beguͤnſtigt, und endlich im Weſen der Englaͤnder und Soldaten ſelbſt, das ſich nicht tilgen laͤßt.
Die engliſche Armee hat weder den Inſtinkt der Ehre noch Gemeingeiſt; wenn ſie ſtolz iſt, ſo iſt ſie es auf Old-England, auf den Porter und die Beefſteaks der Heimath, auf die buͤrgerlichen Tugenden ihrer An¬ verwandten, welche zu Hauſe ſind. Die Ehre kann nicht geweckt werden, da das Avancement dem gemei¬ nen Krieger verſchloſſen iſt; der esprit de corps nicht, weil die Armee in ihrer Groͤße ſich niemals geſehen hat, ſondern uͤber alle Theile der Welt in kleinen Par¬ zellen zerbroͤckelt iſt. Noch nie haben ſich ſo viel Eng¬ laͤnder zuſammenbefunden, als unter Wellington auf der pyrenaͤiſchen Halbinſel: der Kontinent kannte ſie
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Wellington.
Flecken reformirt hat, bleibt die engliſche Armee noch
immer ein Amalgam, welches einen wunderlichen Ein¬
druck macht.
Der Grund dieſer Unzulaͤnglichkeit liegt in Din¬
gen, welche ſich nicht ausrotten laſſen, in der engliſchen
Verfaſſung, die das Heer nicht beſchuͤtzt, in der Stim¬
mung der Nation, die es nicht achtet, im Charakter
des Landes, deſſen Beſchaffenheit kriegeriſche Evolutio¬
nen und Vorſtudien nicht beguͤnſtigt, und endlich im
Weſen der Englaͤnder und Soldaten ſelbſt, das ſich
nicht tilgen laͤßt.
Die engliſche Armee hat weder den Inſtinkt der
Ehre noch Gemeingeiſt; wenn ſie ſtolz iſt, ſo iſt ſie es
auf Old-England, auf den Porter und die Beefſteaks
der Heimath, auf die buͤrgerlichen Tugenden ihrer An¬
verwandten, welche zu Hauſe ſind. Die Ehre kann
nicht geweckt werden, da das Avancement dem gemei¬
nen Krieger verſchloſſen iſt; der esprit de corps nicht,
weil die Armee in ihrer Groͤße ſich niemals geſehen
hat, ſondern uͤber alle Theile der Welt in kleinen Par¬
zellen zerbroͤckelt iſt. Noch nie haben ſich ſo viel Eng¬
laͤnder zuſammenbefunden, als unter Wellington auf
der pyrenaͤiſchen Halbinſel: der Kontinent kannte ſie
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie… [mehr]
Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie angelegten Reflexionen über "Öffentliche Charaktere" in der Augsburger Allgemeinen Zeitung erscheinen. In Buchform erschien ein erster Band 1835 bei Hoffmann und Campe in Hamburg. Zur Publikation der weiteren geplanten Teile kam es nicht.
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Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835/169>, abgerufen am 16.02.2025.
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