Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Napoleoniden.
rechten Namen gegeben: sie sind entschiedene Republi¬
kaner geworden; der Eine, welcher in der jüngsten ita¬
lienischen Insurrektion im Lager von Forli starb, der
Andere, welcher in der Schweiz lebt, und Verdienste
um die schweizerische Artillerie haben soll. Was weiß ich!

Der Herzog von Montfort sollte einst ein großer
Admiral werden, und es wurde nur ein König aus
ihm, der mehr als alle übrigen von seinem Bruder die
geheime Zusendung einer seidnen Schnur zu fürchten
hatte. Im Besitze mancher liebenswürdigen Eigen¬
schaft, hatte ihn das Glück verzogen. Er hätte für ei¬
nen Cousin Ludwigs XV. gelten können, so schnell
fand er sich in die neue Herrschaft, welche sein Bru¬
der etablirte. Er heirathete eine deutsche Fürstentochter
und bestieg einen improvisirten Thron, in dessen Nähe
er Bacchus und Venus als Minister rief. Man hat
nie so amusant in Kassel gelebt, als während der west¬
phälischen Zeit. Jerome war der gutmüthigste Charak¬
ter, er wollte nur Vergnügen, oder wie er selbst sagte:
"lustik sein;" sich zu bereichern vergaß er. Dis war ein
Fehler, den erträglich zu machen, die Aufgabe seines
spätern Lebens geworden ist. Der Herzog von Mont¬
fort studirt seitdem an einem Systeme der Sparsam¬
keit, und rechnet, wie sich Lucullus und Harpagon ver¬

Die Napoleoniden.
rechten Namen gegeben: ſie ſind entſchiedene Republi¬
kaner geworden; der Eine, welcher in der juͤngſten ita¬
lieniſchen Inſurrektion im Lager von Forli ſtarb, der
Andere, welcher in der Schweiz lebt, und Verdienſte
um die ſchweizeriſche Artillerie haben ſoll. Was weiß ich!

Der Herzog von Montfort ſollte einſt ein großer
Admiral werden, und es wurde nur ein Koͤnig aus
ihm, der mehr als alle uͤbrigen von ſeinem Bruder die
geheime Zuſendung einer ſeidnen Schnur zu fuͤrchten
hatte. Im Beſitze mancher liebenswuͤrdigen Eigen¬
ſchaft, hatte ihn das Gluͤck verzogen. Er haͤtte fuͤr ei¬
nen Couſin Ludwigs XV. gelten koͤnnen, ſo ſchnell
fand er ſich in die neue Herrſchaft, welche ſein Bru¬
der etablirte. Er heirathete eine deutſche Fuͤrſtentochter
und beſtieg einen improviſirten Thron, in deſſen Naͤhe
er Bacchus und Venus als Miniſter rief. Man hat
nie ſo amuſant in Kaſſel gelebt, als waͤhrend der weſt¬
phaͤliſchen Zeit. Jerome war der gutmuͤthigſte Charak¬
ter, er wollte nur Vergnuͤgen, oder wie er ſelbſt ſagte:
„luſtik ſein;“ ſich zu bereichern vergaß er. Dis war ein
Fehler, den ertraͤglich zu machen, die Aufgabe ſeines
ſpaͤtern Lebens geworden iſt. Der Herzog von Mont¬
fort ſtudirt ſeitdem an einem Syſteme der Sparſam¬
keit, und rechnet, wie ſich Lucullus und Harpagon ver¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0152" n="134"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Die Napoleoniden</hi>.<lb/></fw>rechten Namen gegeben: &#x017F;ie &#x017F;ind ent&#x017F;chiedene Republi¬<lb/>
kaner geworden; der Eine, welcher in der ju&#x0364;ng&#x017F;ten ita¬<lb/>
lieni&#x017F;chen In&#x017F;urrektion im Lager von Forli &#x017F;tarb, der<lb/>
Andere, welcher in der Schweiz lebt, und Verdien&#x017F;te<lb/>
um die &#x017F;chweizeri&#x017F;che Artillerie haben &#x017F;oll. Was weiß ich!</p><lb/>
        <p>Der Herzog von Montfort &#x017F;ollte ein&#x017F;t ein großer<lb/>
Admiral werden, und es wurde nur ein Ko&#x0364;nig aus<lb/>
ihm, der mehr als alle u&#x0364;brigen von &#x017F;einem Bruder die<lb/>
geheime Zu&#x017F;endung einer &#x017F;eidnen Schnur zu fu&#x0364;rchten<lb/>
hatte. Im Be&#x017F;itze mancher liebenswu&#x0364;rdigen Eigen¬<lb/>
&#x017F;chaft, hatte ihn das Glu&#x0364;ck verzogen. Er ha&#x0364;tte fu&#x0364;r ei¬<lb/>
nen Cou&#x017F;in Ludwigs <hi rendition="#aq">XV</hi>. gelten ko&#x0364;nnen, &#x017F;o &#x017F;chnell<lb/>
fand er &#x017F;ich in die neue Herr&#x017F;chaft, welche &#x017F;ein Bru¬<lb/>
der etablirte. Er heirathete eine deut&#x017F;che Fu&#x0364;r&#x017F;tentochter<lb/>
und be&#x017F;tieg einen improvi&#x017F;irten Thron, in de&#x017F;&#x017F;en Na&#x0364;he<lb/>
er Bacchus und Venus als Mini&#x017F;ter rief. Man hat<lb/>
nie &#x017F;o amu&#x017F;ant in Ka&#x017F;&#x017F;el gelebt, als wa&#x0364;hrend der we&#x017F;<lb/>
pha&#x0364;li&#x017F;chen Zeit. Jerome war der gutmu&#x0364;thig&#x017F;te Charak¬<lb/>
ter, er wollte nur Vergnu&#x0364;gen, oder wie er &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;agte:<lb/>
&#x201E;lu&#x017F;tik &#x017F;ein;&#x201C; &#x017F;ich zu bereichern vergaß er. Dis war ein<lb/>
Fehler, den ertra&#x0364;glich zu machen, die Aufgabe &#x017F;eines<lb/>
&#x017F;pa&#x0364;tern Lebens geworden i&#x017F;t. Der Herzog von Mont¬<lb/>
fort &#x017F;tudirt &#x017F;eitdem an einem Sy&#x017F;teme der Spar&#x017F;am¬<lb/>
keit, und rechnet, wie &#x017F;ich Lucullus und Harpagon ver¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[134/0152] Die Napoleoniden. rechten Namen gegeben: ſie ſind entſchiedene Republi¬ kaner geworden; der Eine, welcher in der juͤngſten ita¬ lieniſchen Inſurrektion im Lager von Forli ſtarb, der Andere, welcher in der Schweiz lebt, und Verdienſte um die ſchweizeriſche Artillerie haben ſoll. Was weiß ich! Der Herzog von Montfort ſollte einſt ein großer Admiral werden, und es wurde nur ein Koͤnig aus ihm, der mehr als alle uͤbrigen von ſeinem Bruder die geheime Zuſendung einer ſeidnen Schnur zu fuͤrchten hatte. Im Beſitze mancher liebenswuͤrdigen Eigen¬ ſchaft, hatte ihn das Gluͤck verzogen. Er haͤtte fuͤr ei¬ nen Couſin Ludwigs XV. gelten koͤnnen, ſo ſchnell fand er ſich in die neue Herrſchaft, welche ſein Bru¬ der etablirte. Er heirathete eine deutſche Fuͤrſtentochter und beſtieg einen improviſirten Thron, in deſſen Naͤhe er Bacchus und Venus als Miniſter rief. Man hat nie ſo amuſant in Kaſſel gelebt, als waͤhrend der weſt¬ phaͤliſchen Zeit. Jerome war der gutmuͤthigſte Charak¬ ter, er wollte nur Vergnuͤgen, oder wie er ſelbſt ſagte: „luſtik ſein;“ ſich zu bereichern vergaß er. Dis war ein Fehler, den ertraͤglich zu machen, die Aufgabe ſeines ſpaͤtern Lebens geworden iſt. Der Herzog von Mont¬ fort ſtudirt ſeitdem an einem Syſteme der Sparſam¬ keit, und rechnet, wie ſich Lucullus und Harpagon ver¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie… [mehr]

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835/152
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835/152>, abgerufen am 22.11.2024.