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Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835.

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Die Napoleoniden.
Handlungen verrückt nannte, und ihn unter Vormund¬
schaft setzen wollte. Es ist wahr, sagt der Graf, in
Florenz und in seinen Memoiren, ich war derjenige
unter den neuen Königen, welcher gegen den Despotis¬
mus die meiste Energie zeigte. Denn kurz vor seiner
Abdankung, als die französischen Exekutionstruppen
schon die Vorstädte von Leyden erreicht hatten, rief er
nach einem Pferde, legte die Schärpe um und wollte
ganz Holland unter Wasser setzen. Was wollt Ihr?
frug er die Repräsentanten des Landes; Krieg oder
Frieden? Frieden, sagten die Hochmögenden trocken;
Louis lächelte, und verließ Holland.

Der Graf St. Leu liebt die gutmüthige, aber
hübsch gebaute Phrase, er hielt gern Reden, und spricht
auch gern in öffentlichen Schriften mit, wenn von der
Vergangenheit die Rede ist. Er spricht von den Pflich¬
ten eines Königs, wie ein Republikaner; wie denn
immer, wer über das Königthum erst philosophirt, sich
zu republikanischen Grundsätzen zuletzt neigen muß. Der
Graf St. Leu hat aus der Monarchie ein so zauber¬
haftes Ideal gemacht, daß daraus ohne sein Wissen
eine Republik geworden ist. Seine Söhne haben auch
diese Täuschung durchschaut, und offen den Humani¬
tätsgrundsätzen, welche sie von ihrem Vater erbten, den

Die Napoleoniden.
Handlungen verruͤckt nannte, und ihn unter Vormund¬
ſchaft ſetzen wollte. Es iſt wahr, ſagt der Graf, in
Florenz und in ſeinen Memoiren, ich war derjenige
unter den neuen Koͤnigen, welcher gegen den Deſpotis¬
mus die meiſte Energie zeigte. Denn kurz vor ſeiner
Abdankung, als die franzoͤſiſchen Exekutionstruppen
ſchon die Vorſtaͤdte von Leyden erreicht hatten, rief er
nach einem Pferde, legte die Schaͤrpe um und wollte
ganz Holland unter Waſſer ſetzen. Was wollt Ihr?
frug er die Repraͤſentanten des Landes; Krieg oder
Frieden? Frieden, ſagten die Hochmoͤgenden trocken;
Louis laͤchelte, und verließ Holland.

Der Graf St. Leu liebt die gutmuͤthige, aber
huͤbſch gebaute Phraſe, er hielt gern Reden, und ſpricht
auch gern in oͤffentlichen Schriften mit, wenn von der
Vergangenheit die Rede iſt. Er ſpricht von den Pflich¬
ten eines Koͤnigs, wie ein Republikaner; wie denn
immer, wer uͤber das Koͤnigthum erſt philoſophirt, ſich
zu republikaniſchen Grundſaͤtzen zuletzt neigen muß. Der
Graf St. Leu hat aus der Monarchie ein ſo zauber¬
haftes Ideal gemacht, daß daraus ohne ſein Wiſſen
eine Republik geworden iſt. Seine Soͤhne haben auch
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[133/0151] Die Napoleoniden. Handlungen verruͤckt nannte, und ihn unter Vormund¬ ſchaft ſetzen wollte. Es iſt wahr, ſagt der Graf, in Florenz und in ſeinen Memoiren, ich war derjenige unter den neuen Koͤnigen, welcher gegen den Deſpotis¬ mus die meiſte Energie zeigte. Denn kurz vor ſeiner Abdankung, als die franzoͤſiſchen Exekutionstruppen ſchon die Vorſtaͤdte von Leyden erreicht hatten, rief er nach einem Pferde, legte die Schaͤrpe um und wollte ganz Holland unter Waſſer ſetzen. Was wollt Ihr? frug er die Repraͤſentanten des Landes; Krieg oder Frieden? Frieden, ſagten die Hochmoͤgenden trocken; Louis laͤchelte, und verließ Holland. Der Graf St. Leu liebt die gutmuͤthige, aber huͤbſch gebaute Phraſe, er hielt gern Reden, und ſpricht auch gern in oͤffentlichen Schriften mit, wenn von der Vergangenheit die Rede iſt. Er ſpricht von den Pflich¬ ten eines Koͤnigs, wie ein Republikaner; wie denn immer, wer uͤber das Koͤnigthum erſt philoſophirt, ſich zu republikaniſchen Grundſaͤtzen zuletzt neigen muß. Der Graf St. Leu hat aus der Monarchie ein ſo zauber¬ haftes Ideal gemacht, daß daraus ohne ſein Wiſſen eine Republik geworden iſt. Seine Soͤhne haben auch dieſe Taͤuſchung durchſchaut, und offen den Humani¬ taͤtsgrundſaͤtzen, welche ſie von ihrem Vater erbten, den

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835/151>, abgerufen am 22.11.2024.