gesellte sich die Laune. Napoleons Brüder wurden die Abzugskanäle seines Unmuths.
Sie waren es schon in Paris; ein widerwärtiges Er¬ eigniß kam immer auf die Rechnung seiner Familie, zu der er dann hinaufstürmte, die Thüren schlug, mit dem Degen drohte, so lange bis ihn erst seine Schwestern besänftigten.
Napoleon hatte nicht Unrecht; denn schon damals, als er noch General der Republik und Konsul war, ga¬ ben seine Brüder vielfachen Anlaß zum Unwillen; sie übernahmen die Lieferungen bei der Armee, um sich zu bereichern, und machten Geschäfte an der Börse, zu wel¬ chen sie die Politik Napoleons als versteckte Wetterfahne und Telegraphen brauchten. Joseph und Lucian leiste¬ ten in diesen Spekulationen das Mögliche, denn sie wa¬ ren älter und italienischer als die Andern.
Die spätern Könige mußten Napoleons Zuchtruthe noch derber fühlen. An jedem militairischen Nachtheil, an einer entdeckten Verschwörung, an jedem Mißge¬ schick des Kaisers waren sie Schuld; sie wären, sagte er, keine Franzosen, sie unterhandelten mit den Engländern, mit dem Papste, sie hätten immer andre Dinge im Kopf als er, und er schwöre ihnen zu Gott, sie sollten sich in Acht nehmen. Wenn im Haag, in Neapel, in
Die Napoleoniden.
geſellte ſich die Laune. Napoleons Bruͤder wurden die Abzugskanaͤle ſeines Unmuths.
Sie waren es ſchon in Paris; ein widerwaͤrtiges Er¬ eigniß kam immer auf die Rechnung ſeiner Familie, zu der er dann hinaufſtuͤrmte, die Thuͤren ſchlug, mit dem Degen drohte, ſo lange bis ihn erſt ſeine Schweſtern beſaͤnftigten.
Napoleon hatte nicht Unrecht; denn ſchon damals, als er noch General der Republik und Konſul war, ga¬ ben ſeine Bruͤder vielfachen Anlaß zum Unwillen; ſie uͤbernahmen die Lieferungen bei der Armee, um ſich zu bereichern, und machten Geſchaͤfte an der Boͤrſe, zu wel¬ chen ſie die Politik Napoleons als verſteckte Wetterfahne und Telegraphen brauchten. Joſeph und Lucian leiſte¬ ten in dieſen Spekulationen das Moͤgliche, denn ſie wa¬ ren aͤlter und italieniſcher als die Andern.
Die ſpaͤtern Koͤnige mußten Napoleons Zuchtruthe noch derber fuͤhlen. An jedem militairiſchen Nachtheil, an einer entdeckten Verſchwoͤrung, an jedem Mißge¬ ſchick des Kaiſers waren ſie Schuld; ſie waͤren, ſagte er, keine Franzoſen, ſie unterhandelten mit den Englaͤndern, mit dem Papſte, ſie haͤtten immer andre Dinge im Kopf als er, und er ſchwoͤre ihnen zu Gott, ſie ſollten ſich in Acht nehmen. Wenn im Haag, in Neapel, in
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0142"n="124"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Die Napoleoniden</hi>.<lb/></fw>geſellte ſich die Laune. Napoleons Bruͤder wurden die<lb/>
Abzugskanaͤle ſeines Unmuths.</p><lb/><p>Sie waren es ſchon in Paris; ein widerwaͤrtiges Er¬<lb/>
eigniß kam immer auf die Rechnung ſeiner Familie, zu<lb/>
der er dann hinaufſtuͤrmte, die Thuͤren ſchlug, mit dem<lb/>
Degen drohte, ſo lange bis ihn erſt ſeine Schweſtern<lb/>
beſaͤnftigten.</p><lb/><p>Napoleon hatte nicht Unrecht; denn ſchon damals,<lb/>
als er noch General der Republik und Konſul war, ga¬<lb/>
ben ſeine Bruͤder vielfachen Anlaß zum Unwillen; ſie<lb/>
uͤbernahmen die Lieferungen bei der Armee, um ſich zu<lb/>
bereichern, und machten Geſchaͤfte an der Boͤrſe, zu wel¬<lb/>
chen ſie die Politik Napoleons als verſteckte Wetterfahne<lb/>
und Telegraphen brauchten. Joſeph und Lucian leiſte¬<lb/>
ten in dieſen Spekulationen das Moͤgliche, denn ſie wa¬<lb/>
ren aͤlter und italieniſcher als die Andern.</p><lb/><p>Die ſpaͤtern Koͤnige mußten Napoleons Zuchtruthe<lb/>
noch derber fuͤhlen. An jedem militairiſchen Nachtheil,<lb/>
an einer entdeckten Verſchwoͤrung, an jedem Mißge¬<lb/>ſchick des Kaiſers waren ſie Schuld; ſie waͤren, ſagte er,<lb/>
keine Franzoſen, ſie unterhandelten mit den Englaͤndern,<lb/>
mit dem Papſte, ſie haͤtten immer andre Dinge im<lb/>
Kopf als er, und er ſchwoͤre ihnen zu Gott, ſie ſollten<lb/>ſich in Acht nehmen. Wenn im Haag, in Neapel, in<lb/></p></div></body></text></TEI>
[124/0142]
Die Napoleoniden.
geſellte ſich die Laune. Napoleons Bruͤder wurden die
Abzugskanaͤle ſeines Unmuths.
Sie waren es ſchon in Paris; ein widerwaͤrtiges Er¬
eigniß kam immer auf die Rechnung ſeiner Familie, zu
der er dann hinaufſtuͤrmte, die Thuͤren ſchlug, mit dem
Degen drohte, ſo lange bis ihn erſt ſeine Schweſtern
beſaͤnftigten.
Napoleon hatte nicht Unrecht; denn ſchon damals,
als er noch General der Republik und Konſul war, ga¬
ben ſeine Bruͤder vielfachen Anlaß zum Unwillen; ſie
uͤbernahmen die Lieferungen bei der Armee, um ſich zu
bereichern, und machten Geſchaͤfte an der Boͤrſe, zu wel¬
chen ſie die Politik Napoleons als verſteckte Wetterfahne
und Telegraphen brauchten. Joſeph und Lucian leiſte¬
ten in dieſen Spekulationen das Moͤgliche, denn ſie wa¬
ren aͤlter und italieniſcher als die Andern.
Die ſpaͤtern Koͤnige mußten Napoleons Zuchtruthe
noch derber fuͤhlen. An jedem militairiſchen Nachtheil,
an einer entdeckten Verſchwoͤrung, an jedem Mißge¬
ſchick des Kaiſers waren ſie Schuld; ſie waͤren, ſagte er,
keine Franzoſen, ſie unterhandelten mit den Englaͤndern,
mit dem Papſte, ſie haͤtten immer andre Dinge im
Kopf als er, und er ſchwoͤre ihnen zu Gott, ſie ſollten
ſich in Acht nehmen. Wenn im Haag, in Neapel, in
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie… [mehr]
Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie angelegten Reflexionen über "Öffentliche Charaktere" in der Augsburger Allgemeinen Zeitung erscheinen. In Buchform erschien ein erster Band 1835 bei Hoffmann und Campe in Hamburg. Zur Publikation der weiteren geplanten Teile kam es nicht.
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835/142>, abgerufen am 28.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.