poniren suchte, der Vicekönig aber nur, sich vor ihr zu rechtfertigen. Jener wollte das Erstaunen, dieser den Beifall Europa's. Mehemed schmeichelt der Civilisation, was Mahmud nie that.
Mehemed kann weder den Emporkömmling noch den Tabackshändler verleugnen. Er ist der ungebildete Mann, welcher plötzlich zu großem Reichthum gelangt ist, und den Umgang gescheidter Leute aufsucht, welche er ja bewirthen und bezahlen kann. Er umgibt sich mit einer Bildung, von der er selbst nichts versteht, von der aber z. B. reiche und gebildete Eltern sagen, daß ihre Kinder Alles lernen müssen, tanzen, französisch, Klavierspielen und die Opera singen.
Mehemed Ali ist ein Spekulant, welcher gute Ge¬ schäfte gemacht hat, den der Zufall und eine angeborne Schlauheit begünstigt haben, und der jetzt ein ganz voll¬ kommenes, abgerundetes Ganzes vorstellt, obschon er zu dem Schatten, den er wirft, nicht den Körper hat.
Man würde sich irren, wenn man glaubte, Mehe¬ med Ali besäße den Enthusiasmus der Bildung. Er ist weit entfernt ein so großartiger Reformator zu sein, wie es Peter der Große war, welcher in den Strelizen auch seine Mamelucken zu vertilgen hatte. Peter hatte von der Natur einen beschwingten Geist erhalten, der
Mehemed Ali von Aegypten.
poniren ſuchte, der Vicekoͤnig aber nur, ſich vor ihr zu rechtfertigen. Jener wollte das Erſtaunen, dieſer den Beifall Europa's. Mehemed ſchmeichelt der Civiliſation, was Mahmud nie that.
Mehemed kann weder den Emporkoͤmmling noch den Tabackshaͤndler verleugnen. Er iſt der ungebildete Mann, welcher ploͤtzlich zu großem Reichthum gelangt iſt, und den Umgang geſcheidter Leute aufſucht, welche er ja bewirthen und bezahlen kann. Er umgibt ſich mit einer Bildung, von der er ſelbſt nichts verſteht, von der aber z. B. reiche und gebildete Eltern ſagen, daß ihre Kinder Alles lernen muͤſſen, tanzen, franzoͤſiſch, Klavierſpielen und die Opera ſingen.
Mehemed Ali iſt ein Spekulant, welcher gute Ge¬ ſchaͤfte gemacht hat, den der Zufall und eine angeborne Schlauheit beguͤnſtigt haben, und der jetzt ein ganz voll¬ kommenes, abgerundetes Ganzes vorſtellt, obſchon er zu dem Schatten, den er wirft, nicht den Koͤrper hat.
Man wuͤrde ſich irren, wenn man glaubte, Mehe¬ med Ali beſaͤße den Enthuſiasmus der Bildung. Er iſt weit entfernt ein ſo großartiger Reformator zu ſein, wie es Peter der Große war, welcher in den Strelizen auch ſeine Mamelucken zu vertilgen hatte. Peter hatte von der Natur einen beſchwingten Geiſt erhalten, der
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Mehemed Ali von Aegypten.
poniren ſuchte, der Vicekoͤnig aber nur, ſich vor ihr zu
rechtfertigen. Jener wollte das Erſtaunen, dieſer den
Beifall Europa's. Mehemed ſchmeichelt der Civiliſation,
was Mahmud nie that.
Mehemed kann weder den Emporkoͤmmling noch
den Tabackshaͤndler verleugnen. Er iſt der ungebildete
Mann, welcher ploͤtzlich zu großem Reichthum gelangt
iſt, und den Umgang geſcheidter Leute aufſucht, welche
er ja bewirthen und bezahlen kann. Er umgibt ſich mit
einer Bildung, von der er ſelbſt nichts verſteht, von
der aber z. B. reiche und gebildete Eltern ſagen, daß
ihre Kinder Alles lernen muͤſſen, tanzen, franzoͤſiſch,
Klavierſpielen und die Opera ſingen.
Mehemed Ali iſt ein Spekulant, welcher gute Ge¬
ſchaͤfte gemacht hat, den der Zufall und eine angeborne
Schlauheit beguͤnſtigt haben, und der jetzt ein ganz voll¬
kommenes, abgerundetes Ganzes vorſtellt, obſchon er
zu dem Schatten, den er wirft, nicht den Koͤrper hat.
Man wuͤrde ſich irren, wenn man glaubte, Mehe¬
med Ali beſaͤße den Enthuſiasmus der Bildung. Er
iſt weit entfernt ein ſo großartiger Reformator zu ſein,
wie es Peter der Große war, welcher in den Strelizen
auch ſeine Mamelucken zu vertilgen hatte. Peter hatte
von der Natur einen beſchwingten Geiſt erhalten, der
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie… [mehr]
Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie angelegten Reflexionen über "Öffentliche Charaktere" in der Augsburger Allgemeinen Zeitung erscheinen. In Buchform erschien ein erster Band 1835 bei Hoffmann und Campe in Hamburg. Zur Publikation der weiteren geplanten Teile kam es nicht.
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Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835/123>, abgerufen am 17.02.2025.
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