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Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835.

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Mehemed Ali von Aegypten.
waren. Sie standen seinen Entwürfen noch mehr ent¬
gegen, als die Janitscharen dem Sultan, da sie in of¬
fenem Felde ihm gegenüberlagen. Er versuchte, sich
durch List von ihrem ersten Andrange zu befreien, ließ
sie von scheinbar aufrührerischen Soldaten nach Cairo
locken und überfiel die Verrathenen, so daß er drei
und achtzig Mameluckenköpfe nach Konstantinopel schi¬
cken konnte.

Die mißtrauische Pforte aber schwankte schon, wen
sie für den Augenblick mehr fürchten solle, den Pa¬
scha, oder seine Gegner, welche durch ihre Uneinigkeit
auch für die Türken überwindlicher waren. Sie sandte
zweimal den Kapudan Pascha, um des Satrapen
Schritte zu beobachten; ja zuletzt traf auch der Ferman
ein, welcher Mehemed zum Pascha von Salonichi er¬
nannte und ihn somit aus Aegypten vertreiben sollte.
Zu Mehemeds Schrecken versöhnte sich auch Elfy Bey
mit den Türken; es fehlte ihm an Geld, und er
wußte, daß er dadurch die Pforte sogleich umstimmen
konnte. Da warf sich der Pascha seinen Albanesen in
die Arme, welche sich durch ein unauflösliches Band
an ihn zu ketten versprachen. Sie legten die Hand
auf den Koran, und schritten, ihrer siebenzig Heerfüh¬
rer, über einen Säbel, den am Boden liegend zwei der

Mehemed Ali von Aegypten.
waren. Sie ſtanden ſeinen Entwuͤrfen noch mehr ent¬
gegen, als die Janitſcharen dem Sultan, da ſie in of¬
fenem Felde ihm gegenuͤberlagen. Er verſuchte, ſich
durch Liſt von ihrem erſten Andrange zu befreien, ließ
ſie von ſcheinbar aufruͤhreriſchen Soldaten nach Cairo
locken und uͤberfiel die Verrathenen, ſo daß er drei
und achtzig Mameluckenkoͤpfe nach Konſtantinopel ſchi¬
cken konnte.

Die mißtrauiſche Pforte aber ſchwankte ſchon, wen
ſie fuͤr den Augenblick mehr fuͤrchten ſolle, den Pa¬
ſcha, oder ſeine Gegner, welche durch ihre Uneinigkeit
auch fuͤr die Tuͤrken uͤberwindlicher waren. Sie ſandte
zweimal den Kapudan Paſcha, um des Satrapen
Schritte zu beobachten; ja zuletzt traf auch der Ferman
ein, welcher Mehemed zum Paſcha von Salonichi er¬
nannte und ihn ſomit aus Aegypten vertreiben ſollte.
Zu Mehemeds Schrecken verſoͤhnte ſich auch Elfy Bey
mit den Tuͤrken; es fehlte ihm an Geld, und er
wußte, daß er dadurch die Pforte ſogleich umſtimmen
konnte. Da warf ſich der Paſcha ſeinen Albaneſen in
die Arme, welche ſich durch ein unaufloͤsliches Band
an ihn zu ketten verſprachen. Sie legten die Hand
auf den Koran, und ſchritten, ihrer ſiebenzig Heerfuͤh¬
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[101/0119] Mehemed Ali von Aegypten. waren. Sie ſtanden ſeinen Entwuͤrfen noch mehr ent¬ gegen, als die Janitſcharen dem Sultan, da ſie in of¬ fenem Felde ihm gegenuͤberlagen. Er verſuchte, ſich durch Liſt von ihrem erſten Andrange zu befreien, ließ ſie von ſcheinbar aufruͤhreriſchen Soldaten nach Cairo locken und uͤberfiel die Verrathenen, ſo daß er drei und achtzig Mameluckenkoͤpfe nach Konſtantinopel ſchi¬ cken konnte. Die mißtrauiſche Pforte aber ſchwankte ſchon, wen ſie fuͤr den Augenblick mehr fuͤrchten ſolle, den Pa¬ ſcha, oder ſeine Gegner, welche durch ihre Uneinigkeit auch fuͤr die Tuͤrken uͤberwindlicher waren. Sie ſandte zweimal den Kapudan Paſcha, um des Satrapen Schritte zu beobachten; ja zuletzt traf auch der Ferman ein, welcher Mehemed zum Paſcha von Salonichi er¬ nannte und ihn ſomit aus Aegypten vertreiben ſollte. Zu Mehemeds Schrecken verſoͤhnte ſich auch Elfy Bey mit den Tuͤrken; es fehlte ihm an Geld, und er wußte, daß er dadurch die Pforte ſogleich umſtimmen konnte. Da warf ſich der Paſcha ſeinen Albaneſen in die Arme, welche ſich durch ein unaufloͤsliches Band an ihn zu ketten verſprachen. Sie legten die Hand auf den Koran, und ſchritten, ihrer ſiebenzig Heerfuͤh¬ rer, uͤber einen Saͤbel, den am Boden liegend zwei der

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835/119>, abgerufen am 22.11.2024.