Doch zum Glück hatte des Vaters Chef den klei¬ nen, anschlägigen Knaben liebgewonnen. Niemand kraute dem alten Herrn so geschickt im grauen Barte; Niemand wußte ihm die Pfeife so gewandt zu stopfen oder erzählte so drollig, wenn er mit untergeschlagenen Beinen saß, und der schlaffe Bauch wie ein Beutel zu wackeln anfing, ob des Knaben Witz und Munterkeit. Der alte Chef schwur beim Barte des Propheten, daß er für diese Waise sorgen würde, und machte sie mit seinem eignen Sohne bekannt, welches ein rechter Lüm¬ mel war, faul, türkisch, und dem Vater viel Kummer verursachte.
Mehemed besaß einen Ehrgeiz, er konnte keinen Roßschweif sehen, ohne an ein künftiges Paschalik zu denken; aber inzwischen war er fleißig, handelte mit Tabak, und ließ sich von einem französischen Kauf¬ mann, der hier zuweilen Geschäfte und den Jungen lieb hatte, über Europa belehren, ob es von Riesen, Menschen mit Straußenköpfen, oder von vierfüßigen Thieren bewohnt würde, welche Eier legen, oder von Vögeln, die lebendige Junge auf die Welt bringen.
Meister Lyon, der aber aus Marseille war, mußte lachen, belehrte den jungen Zögling der Tausend und Einen Nacht, und trug viel dazu bei, seine Begriffe
Mehemed Ali von Aegypten.
Doch zum Gluͤck hatte des Vaters Chef den klei¬ nen, anſchlaͤgigen Knaben liebgewonnen. Niemand kraute dem alten Herrn ſo geſchickt im grauen Barte; Niemand wußte ihm die Pfeife ſo gewandt zu ſtopfen oder erzaͤhlte ſo drollig, wenn er mit untergeſchlagenen Beinen ſaß, und der ſchlaffe Bauch wie ein Beutel zu wackeln anfing, ob des Knaben Witz und Munterkeit. Der alte Chef ſchwur beim Barte des Propheten, daß er fuͤr dieſe Waiſe ſorgen wuͤrde, und machte ſie mit ſeinem eignen Sohne bekannt, welches ein rechter Luͤm¬ mel war, faul, tuͤrkiſch, und dem Vater viel Kummer verurſachte.
Mehemed beſaß einen Ehrgeiz, er konnte keinen Roßſchweif ſehen, ohne an ein kuͤnftiges Paſchalik zu denken; aber inzwiſchen war er fleißig, handelte mit Tabak, und ließ ſich von einem franzoͤſiſchen Kauf¬ mann, der hier zuweilen Geſchaͤfte und den Jungen lieb hatte, uͤber Europa belehren, ob es von Rieſen, Menſchen mit Straußenkoͤpfen, oder von vierfuͤßigen Thieren bewohnt wuͤrde, welche Eier legen, oder von Voͤgeln, die lebendige Junge auf die Welt bringen.
Meiſter Lyon, der aber aus Marſeille war, mußte lachen, belehrte den jungen Zoͤgling der Tauſend und Einen Nacht, und trug viel dazu bei, ſeine Begriffe
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[92/0110]
Mehemed Ali von Aegypten.
Doch zum Gluͤck hatte des Vaters Chef den klei¬
nen, anſchlaͤgigen Knaben liebgewonnen. Niemand
kraute dem alten Herrn ſo geſchickt im grauen Barte;
Niemand wußte ihm die Pfeife ſo gewandt zu ſtopfen
oder erzaͤhlte ſo drollig, wenn er mit untergeſchlagenen
Beinen ſaß, und der ſchlaffe Bauch wie ein Beutel zu
wackeln anfing, ob des Knaben Witz und Munterkeit.
Der alte Chef ſchwur beim Barte des Propheten, daß
er fuͤr dieſe Waiſe ſorgen wuͤrde, und machte ſie mit
ſeinem eignen Sohne bekannt, welches ein rechter Luͤm¬
mel war, faul, tuͤrkiſch, und dem Vater viel Kummer
verurſachte.
Mehemed beſaß einen Ehrgeiz, er konnte keinen
Roßſchweif ſehen, ohne an ein kuͤnftiges Paſchalik zu
denken; aber inzwiſchen war er fleißig, handelte mit
Tabak, und ließ ſich von einem franzoͤſiſchen Kauf¬
mann, der hier zuweilen Geſchaͤfte und den Jungen
lieb hatte, uͤber Europa belehren, ob es von Rieſen,
Menſchen mit Straußenkoͤpfen, oder von vierfuͤßigen
Thieren bewohnt wuͤrde, welche Eier legen, oder von
Voͤgeln, die lebendige Junge auf die Welt bringen.
Meiſter Lyon, der aber aus Marſeille war, mußte
lachen, belehrte den jungen Zoͤgling der Tauſend und
Einen Nacht, und trug viel dazu bei, ſeine Begriffe
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie… [mehr]
Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie angelegten Reflexionen über "Öffentliche Charaktere" in der Augsburger Allgemeinen Zeitung erscheinen. In Buchform erschien ein erster Band 1835 bei Hoffmann und Campe in Hamburg. Zur Publikation der weiteren geplanten Teile kam es nicht.
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Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835/110>, abgerufen am 16.02.2025.
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