Oder geht auf die Freundschaftsinseln, unter die Wilden Guinea's, nur an Asien geht vorüber!
Asien, einst Europa so unähnlich, jetzt wie auf dem Marsche zu uns. Einst so groß in seinen Thaten, ja selbst heroisch im Dulden!
Asien war das Land, wo die Tyrannei keine Bos¬ heit, sondern Leidenschaft war; dort kam Alles durch den Instinkt; die Helden, die Eroberer, die Despoten wurden geboren; hier war niemals ein Epos des Wil¬ lens, sondern immer die Tragödie des Schicksals. Taumel und Besinnungslosigkeit verwirrten hier einst das Hohe und das Tiefe, das Ziel und das Uebermaß, die Hunderte und Tausende in der Zahl oder in der Wüste des Raums. Die Größe schnitt sich mit schar¬ fem Rande von ihrer Folie ab; die Uebergänge mil¬ derte kein Verdienst; während Einer handelte, hielt die übrige Welt ihre Arme kreuzweis über die Brust zu¬ sammengeschlagen. Der Ruhm war keine Beute, wo¬ von sich das Roß und der Fuchs anmaßen durften einen Theil miterjagt zu haben; sie fiel dem Löwen allein zu.
Aber jetzt ist die Zeit der Cyrus, Muhamed und Dschingiskhan vorüber, auch die der Hyder Ali und Tippo Saib; die Periode der Götter längst schon
Mehemed Ali von Aegypten.
Oder geht auf die Freundſchaftsinſeln, unter die Wilden Guinea's, nur an Aſien geht voruͤber!
Aſien, einſt Europa ſo unaͤhnlich, jetzt wie auf dem Marſche zu uns. Einſt ſo groß in ſeinen Thaten, ja ſelbſt heroiſch im Dulden!
Aſien war das Land, wo die Tyrannei keine Bos¬ heit, ſondern Leidenſchaft war; dort kam Alles durch den Inſtinkt; die Helden, die Eroberer, die Despoten wurden geboren; hier war niemals ein Epos des Wil¬ lens, ſondern immer die Tragoͤdie des Schickſals. Taumel und Beſinnungsloſigkeit verwirrten hier einſt das Hohe und das Tiefe, das Ziel und das Uebermaß, die Hunderte und Tauſende in der Zahl oder in der Wuͤſte des Raums. Die Groͤße ſchnitt ſich mit ſchar¬ fem Rande von ihrer Folie ab; die Uebergaͤnge mil¬ derte kein Verdienſt; waͤhrend Einer handelte, hielt die uͤbrige Welt ihre Arme kreuzweis uͤber die Bruſt zu¬ ſammengeſchlagen. Der Ruhm war keine Beute, wo¬ von ſich das Roß und der Fuchs anmaßen durften einen Theil miterjagt zu haben; ſie fiel dem Loͤwen allein zu.
Aber jetzt iſt die Zeit der Cyrus, Muhamed und Dſchingiskhan voruͤber, auch die der Hyder Ali und Tippo Saib; die Periode der Goͤtter laͤngſt ſchon
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Mehemed Ali von Aegypten.
Oder geht auf die Freundſchaftsinſeln, unter die
Wilden Guinea's, nur an Aſien geht voruͤber!
Aſien, einſt Europa ſo unaͤhnlich, jetzt wie auf dem
Marſche zu uns. Einſt ſo groß in ſeinen Thaten,
ja ſelbſt heroiſch im Dulden!
Aſien war das Land, wo die Tyrannei keine Bos¬
heit, ſondern Leidenſchaft war; dort kam Alles durch
den Inſtinkt; die Helden, die Eroberer, die Despoten
wurden geboren; hier war niemals ein Epos des Wil¬
lens, ſondern immer die Tragoͤdie des Schickſals.
Taumel und Beſinnungsloſigkeit verwirrten hier einſt
das Hohe und das Tiefe, das Ziel und das Uebermaß,
die Hunderte und Tauſende in der Zahl oder in der
Wuͤſte des Raums. Die Groͤße ſchnitt ſich mit ſchar¬
fem Rande von ihrer Folie ab; die Uebergaͤnge mil¬
derte kein Verdienſt; waͤhrend Einer handelte, hielt die
uͤbrige Welt ihre Arme kreuzweis uͤber die Bruſt zu¬
ſammengeſchlagen. Der Ruhm war keine Beute, wo¬
von ſich das Roß und der Fuchs anmaßen durften
einen Theil miterjagt zu haben; ſie fiel dem Loͤwen
allein zu.
Aber jetzt iſt die Zeit der Cyrus, Muhamed und
Dſchingiskhan voruͤber, auch die der Hyder Ali und
Tippo Saib; die Periode der Goͤtter laͤngſt ſchon
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie… [mehr]
Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie angelegten Reflexionen über "Öffentliche Charaktere" in der Augsburger Allgemeinen Zeitung erscheinen. In Buchform erschien ein erster Band 1835 bei Hoffmann und Campe in Hamburg. Zur Publikation der weiteren geplanten Teile kam es nicht.
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Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835/108>, abgerufen am 16.02.2025.
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