Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Montesquieu und Metternich, schrieb fast immer nur auf äußre Veranlassung, getrieben durch eine herausfordernde Gelegenheit - und doch ist aus diesem Zufälligen etwas Nothwendiges geworden, die Zusammenstellung seiner vereinzelten Thätigkeit machte Epoche, er wirkte nicht bloß auf Minister und Landstände, wie er fast allein zu wollen schien, sondern auf den ganzen Verlauf unsrer Literaturentwickelung, auf unsre Dichter, unsre Stylisten.

Wäre Lessing nicht noch Dichter gewesen, so würde die Art, wie er sich zur Literatur seiner Zeit anregend und umwälzend verhielt, mit der, wie Börne auf die unsrige wirkte, durchaus zusammentreffen. Börne wie Lessing, beide waren bei ihren kritischen Abhandlungen immer nur vom Stoff beherrscht; und grade dieser verflüchtigte sich vielleicht zuerst und ging mit dem Augenblick verloren, die Form aber blieb und befruchtete die Thätigkeit der Andern. Lessings Dramaturgie war längst vergessenen französischen Dramen gewidmet, deren übergroße steife Regelrichtigkeit er der Natur gegenüber erröthen machte; die Stücke und Verfasser interessiren uns jetzt nur wenig; aber die Behandlungsweise Lessing's hat sich erhalten. So wird man auch von Börne mit innigstem Vergnügen seine

Montesquieu und Metternich, schrieb fast immer nur auf äußre Veranlassung, getrieben durch eine herausfordernde Gelegenheit – und doch ist aus diesem Zufälligen etwas Nothwendiges geworden, die Zusammenstellung seiner vereinzelten Thätigkeit machte Epoche, er wirkte nicht bloß auf Minister und Landstände, wie er fast allein zu wollen schien, sondern auf den ganzen Verlauf unsrer Literaturentwickelung, auf unsre Dichter, unsre Stylisten.

Wäre Lessing nicht noch Dichter gewesen, so würde die Art, wie er sich zur Literatur seiner Zeit anregend und umwälzend verhielt, mit der, wie Börne auf die unsrige wirkte, durchaus zusammentreffen. Börne wie Lessing, beide waren bei ihren kritischen Abhandlungen immer nur vom Stoff beherrscht; und grade dieser verflüchtigte sich vielleicht zuerst und ging mit dem Augenblick verloren, die Form aber blieb und befruchtete die Thätigkeit der Andern. Lessings Dramaturgie war längst vergessenen französischen Dramen gewidmet, deren übergroße steife Regelrichtigkeit er der Natur gegenüber erröthen machte; die Stücke und Verfasser interessiren uns jetzt nur wenig; aber die Behandlungsweise Lessing’s hat sich erhalten. So wird man auch von Börne mit innigstem Vergnügen seine

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0057" n="15"/>
Montesquieu und Metternich, schrieb fast immer nur auf äußre Veranlassung, getrieben durch eine herausfordernde Gelegenheit &#x2013; und doch ist aus diesem Zufälligen etwas Nothwendiges geworden, die Zusammenstellung seiner vereinzelten Thätigkeit machte Epoche, er wirkte nicht bloß auf Minister und Landstände, wie er fast allein zu wollen schien, sondern auf den ganzen Verlauf unsrer Literaturentwickelung, auf unsre Dichter, unsre Stylisten.</p>
        <p>Wäre Lessing nicht noch Dichter gewesen, so würde die Art, wie er sich zur Literatur seiner Zeit anregend und umwälzend verhielt, mit der, wie Börne auf die unsrige wirkte, durchaus zusammentreffen. Börne wie Lessing, beide waren bei ihren kritischen Abhandlungen immer nur vom Stoff beherrscht; und grade dieser verflüchtigte sich vielleicht zuerst und ging mit dem Augenblick verloren, die <hi rendition="#g">Form</hi> aber blieb und befruchtete die Thätigkeit der Andern. Lessings Dramaturgie war längst vergessenen französischen Dramen gewidmet, deren übergroße steife Regelrichtigkeit er der Natur gegenüber erröthen machte; die Stücke und Verfasser interessiren uns jetzt nur wenig; aber die Behandlungsweise Lessing&#x2019;s hat sich erhalten. So wird man auch von Börne mit innigstem Vergnügen seine
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[15/0057] Montesquieu und Metternich, schrieb fast immer nur auf äußre Veranlassung, getrieben durch eine herausfordernde Gelegenheit – und doch ist aus diesem Zufälligen etwas Nothwendiges geworden, die Zusammenstellung seiner vereinzelten Thätigkeit machte Epoche, er wirkte nicht bloß auf Minister und Landstände, wie er fast allein zu wollen schien, sondern auf den ganzen Verlauf unsrer Literaturentwickelung, auf unsre Dichter, unsre Stylisten. Wäre Lessing nicht noch Dichter gewesen, so würde die Art, wie er sich zur Literatur seiner Zeit anregend und umwälzend verhielt, mit der, wie Börne auf die unsrige wirkte, durchaus zusammentreffen. Börne wie Lessing, beide waren bei ihren kritischen Abhandlungen immer nur vom Stoff beherrscht; und grade dieser verflüchtigte sich vielleicht zuerst und ging mit dem Augenblick verloren, die Form aber blieb und befruchtete die Thätigkeit der Andern. Lessings Dramaturgie war längst vergessenen französischen Dramen gewidmet, deren übergroße steife Regelrichtigkeit er der Natur gegenüber erröthen machte; die Stücke und Verfasser interessiren uns jetzt nur wenig; aber die Behandlungsweise Lessing’s hat sich erhalten. So wird man auch von Börne mit innigstem Vergnügen seine

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-07-03T11:49:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Bayerische Staatsbibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-07-03T11:49:31Z)
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-07-03T11:49:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Gutzkow Editionsprojekt:Editionsprinzipien
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_boerne_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_boerne_1840/57
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_boerne_1840/57>, abgerufen am 25.11.2024.