Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840.die im Gebiet der Heilwissenschaft auftauchte. Eine Zeitlang war er Homöopath unter Dr. Roth. Dann verlor er sich in Oertel's Wasserkurschriften und fieng mit seinem geschwächten Körper Waschungen an, die schwerlich auf seine Nerven wohlthätig wirkten. In einem eignen Apparat betrieb er diese Curmethode lange Zeit und mochte sich dadurch, wie wenigstens allopathische Aerzte versichern, mehr geschadet als genützt haben. Traten zuweilen freie Augenblicke ein, so entzog er sich dem Umgang mit Freunden, der freien Luft und selbst der großen Gesellschaft nicht. Er sah seine politischen Freunde, die deutschen Flüchtlinge, gern bei sich, ließ sich von ihren Planen erzählen und lächelte darüber, wenn sie ihm allzu abentheuerlich schienen. Gern empfieng er die Besuche der Fremden, die nach Paris kamen und ihm von Politik und Literatur der Heimath erzählen mußten. "Von seinen nächsten Bekannten ließ er sich sagen, in welchem Restaurant man zu Mittag gespeiset, wie es jetzt in diesem oder jenem Kaffeehause aussehe, ob die schöne Dame noch am Comptoir sitze u. s. w. Börne kam in den letzten zwey Jahren seines Lebens nicht mehr viel in Paris herum; wenn er im Sommer vom Lande in die Stadt kam, pflegte die im Gebiet der Heilwissenschaft auftauchte. Eine Zeitlang war er Homöopath unter Dr. Roth. Dann verlor er sich in Oertel’s Wasserkurschriften und fieng mit seinem geschwächten Körper Waschungen an, die schwerlich auf seine Nerven wohlthätig wirkten. In einem eignen Apparat betrieb er diese Curmethode lange Zeit und mochte sich dadurch, wie wenigstens allopathische Aerzte versichern, mehr geschadet als genützt haben. Traten zuweilen freie Augenblicke ein, so entzog er sich dem Umgang mit Freunden, der freien Luft und selbst der großen Gesellschaft nicht. Er sah seine politischen Freunde, die deutschen Flüchtlinge, gern bei sich, ließ sich von ihren Planen erzählen und lächelte darüber, wenn sie ihm allzu abentheuerlich schienen. Gern empfieng er die Besuche der Fremden, die nach Paris kamen und ihm von Politik und Literatur der Heimath erzählen mußten. „Von seinen nächsten Bekannten ließ er sich sagen, in welchem Restaurant man zu Mittag gespeiset, wie es jetzt in diesem oder jenem Kaffeehause aussehe, ob die schöne Dame noch am Comptoir sitze u. s. w. Börne kam in den letzten zwey Jahren seines Lebens nicht mehr viel in Paris herum; wenn er im Sommer vom Lande in die Stadt kam, pflegte <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0316" n="274"/> die im Gebiet der Heilwissenschaft auftauchte. Eine Zeitlang war er Homöopath unter <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Roth. Dann verlor er sich in Oertel’s Wasserkurschriften und fieng mit seinem geschwächten Körper Waschungen an, die schwerlich auf seine Nerven wohlthätig wirkten. In einem eignen Apparat betrieb er diese Curmethode lange Zeit und mochte sich dadurch, wie wenigstens allopathische Aerzte versichern, mehr geschadet als genützt haben.</p> <p>Traten zuweilen freie Augenblicke ein, so entzog er sich dem Umgang mit Freunden, der freien Luft und selbst der großen Gesellschaft nicht. Er sah seine politischen Freunde, die deutschen Flüchtlinge, gern bei sich, ließ sich von ihren Planen erzählen und lächelte darüber, wenn sie ihm allzu abentheuerlich schienen. Gern empfieng er die Besuche der Fremden, die nach Paris kamen und ihm von Politik und Literatur der Heimath erzählen mußten. „Von seinen nächsten Bekannten ließ er sich sagen, in welchem Restaurant man zu Mittag gespeiset, wie es jetzt in diesem oder jenem Kaffeehause aussehe, ob die schöne Dame noch am Comptoir sitze u. s. w. Börne kam in den letzten zwey Jahren seines Lebens nicht mehr viel in Paris herum; wenn er im Sommer vom Lande in die Stadt kam, pflegte </p> </div> </body> </text> </TEI> [274/0316]
die im Gebiet der Heilwissenschaft auftauchte. Eine Zeitlang war er Homöopath unter Dr. Roth. Dann verlor er sich in Oertel’s Wasserkurschriften und fieng mit seinem geschwächten Körper Waschungen an, die schwerlich auf seine Nerven wohlthätig wirkten. In einem eignen Apparat betrieb er diese Curmethode lange Zeit und mochte sich dadurch, wie wenigstens allopathische Aerzte versichern, mehr geschadet als genützt haben.
Traten zuweilen freie Augenblicke ein, so entzog er sich dem Umgang mit Freunden, der freien Luft und selbst der großen Gesellschaft nicht. Er sah seine politischen Freunde, die deutschen Flüchtlinge, gern bei sich, ließ sich von ihren Planen erzählen und lächelte darüber, wenn sie ihm allzu abentheuerlich schienen. Gern empfieng er die Besuche der Fremden, die nach Paris kamen und ihm von Politik und Literatur der Heimath erzählen mußten. „Von seinen nächsten Bekannten ließ er sich sagen, in welchem Restaurant man zu Mittag gespeiset, wie es jetzt in diesem oder jenem Kaffeehause aussehe, ob die schöne Dame noch am Comptoir sitze u. s. w. Börne kam in den letzten zwey Jahren seines Lebens nicht mehr viel in Paris herum; wenn er im Sommer vom Lande in die Stadt kam, pflegte
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_boerne_1840/316>, abgerufen am 18.07.2024. |