Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Marat kann ich mich nicht befreunden, obschon man neuerdings viel zu seiner Entschuldigung beibringt; übrigens kenne ich ihn noch nicht genau. Unter Allen, die ich seither kennen gelernt habe, scheinen mir Robespierre und Saint Just die ehrlichsten zu sein; jedoch bin ich weit entfernt, ihrem System zu huldigen. Ich glaube zwar nicht, daß die neuen Ideen ohne Blut ins Leben zu führen sind, aber daß im schlimmsten Falle alle geopfert werden müssen, die eine abweichende Meinung haben, - einem solchen Terrorismus widerstrebt mein Gefühl und ich könnte nie die Ungerechtigkeit billigen, sonst vielleicht gute Menschen zu morden, weil sie anders zu denken und zu meinen wagen als ich. Robespierre und Saint Just meinten zwar, das Gefühl kömmt in jenen Fällen nicht in Frage, sondern die Nothwendigkeit; allein damit nahmen sie den jesuitischen Grundsatz an, daß der Zweck die Mittel heilige; ich muß bekennen, daß ich glaube, diese Nothwendigkeit könne nie existiren." - Börne sprach von den Revolutionsmännern auch aus dem literar-historischen Gesichtspunkt. "Marat hat einen ungehobelten Styl; Camille Desmoulins schreibt hübsch; Robespierre und Saint Just stehen mir als Schriftsteller sehr hoch, namentlich der erstere; lesen Sie in dem eben er-

Marat kann ich mich nicht befreunden, obschon man neuerdings viel zu seiner Entschuldigung beibringt; übrigens kenne ich ihn noch nicht genau. Unter Allen, die ich seither kennen gelernt habe, scheinen mir Robespierre und Saint Just die ehrlichsten zu sein; jedoch bin ich weit entfernt, ihrem System zu huldigen. Ich glaube zwar nicht, daß die neuen Ideen ohne Blut ins Leben zu führen sind, aber daß im schlimmsten Falle alle geopfert werden müssen, die eine abweichende Meinung haben, – einem solchen Terrorismus widerstrebt mein Gefühl und ich könnte nie die Ungerechtigkeit billigen, sonst vielleicht gute Menschen zu morden, weil sie anders zu denken und zu meinen wagen als ich. Robespierre und Saint Just meinten zwar, das Gefühl kömmt in jenen Fällen nicht in Frage, sondern die Nothwendigkeit; allein damit nahmen sie den jesuitischen Grundsatz an, daß der Zweck die Mittel heilige; ich muß bekennen, daß ich glaube, diese Nothwendigkeit könne nie existiren.“ – Börne sprach von den Revolutionsmännern auch aus dem literar-historischen Gesichtspunkt. „Marat hat einen ungehobelten Styl; Camille Desmoulins schreibt hübsch; Robespierre und Saint Just stehen mir als Schriftsteller sehr hoch, namentlich der erstere; lesen Sie in dem eben er-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0313" n="271"/>
Marat kann ich mich nicht befreunden, obschon man neuerdings viel zu seiner Entschuldigung beibringt; übrigens kenne ich ihn noch nicht genau. Unter Allen, die ich seither kennen gelernt habe, scheinen mir Robespierre und Saint Just die ehrlichsten zu sein; jedoch bin ich weit entfernt, ihrem System zu huldigen. Ich glaube zwar nicht, daß die neuen Ideen ohne Blut ins Leben zu führen sind, aber daß im schlimmsten Falle alle geopfert werden müssen, die eine abweichende Meinung haben, &#x2013; einem solchen Terrorismus widerstrebt mein Gefühl und ich könnte nie die Ungerechtigkeit billigen, sonst vielleicht gute Menschen zu morden, weil sie anders zu denken und zu meinen wagen als ich. Robespierre und Saint Just meinten zwar, das Gefühl kömmt in jenen Fällen nicht in Frage, sondern die Nothwendigkeit; allein damit nahmen sie den jesuitischen Grundsatz an, daß der Zweck die Mittel heilige; ich muß bekennen, daß ich glaube, diese Nothwendigkeit könne nie existiren.&#x201C; &#x2013; Börne sprach von den Revolutionsmännern auch aus dem literar-historischen Gesichtspunkt. &#x201E;Marat hat einen ungehobelten Styl; Camille Desmoulins schreibt hübsch; Robespierre und Saint Just stehen mir als Schriftsteller sehr hoch, namentlich der erstere; lesen Sie in dem eben er-
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[271/0313] Marat kann ich mich nicht befreunden, obschon man neuerdings viel zu seiner Entschuldigung beibringt; übrigens kenne ich ihn noch nicht genau. Unter Allen, die ich seither kennen gelernt habe, scheinen mir Robespierre und Saint Just die ehrlichsten zu sein; jedoch bin ich weit entfernt, ihrem System zu huldigen. Ich glaube zwar nicht, daß die neuen Ideen ohne Blut ins Leben zu führen sind, aber daß im schlimmsten Falle alle geopfert werden müssen, die eine abweichende Meinung haben, – einem solchen Terrorismus widerstrebt mein Gefühl und ich könnte nie die Ungerechtigkeit billigen, sonst vielleicht gute Menschen zu morden, weil sie anders zu denken und zu meinen wagen als ich. Robespierre und Saint Just meinten zwar, das Gefühl kömmt in jenen Fällen nicht in Frage, sondern die Nothwendigkeit; allein damit nahmen sie den jesuitischen Grundsatz an, daß der Zweck die Mittel heilige; ich muß bekennen, daß ich glaube, diese Nothwendigkeit könne nie existiren.“ – Börne sprach von den Revolutionsmännern auch aus dem literar-historischen Gesichtspunkt. „Marat hat einen ungehobelten Styl; Camille Desmoulins schreibt hübsch; Robespierre und Saint Just stehen mir als Schriftsteller sehr hoch, namentlich der erstere; lesen Sie in dem eben er-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-07-03T11:49:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Bayerische Staatsbibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-07-03T11:49:31Z)
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-07-03T11:49:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Gutzkow Editionsprojekt:Editionsprinzipien
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_boerne_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_boerne_1840/313
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_boerne_1840/313>, abgerufen am 22.11.2024.