Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840.Kenner genug, um einzusehen, daß Börne ein Französisch ohne Rhetorik schrieb, daß er den Gedanken nie der Phrase opferte und darum doch der Phrase eine naive Grazie verlieh, die die Sprache wieder auf ihre ersten unverdorbenen poetischen Anfänge zurückführte. Seine Artikel im Reformateur setzten die Gedankenreihe fort, welche La Mennais in ihm angeregt hatte. Er wog die politische Bedeutung der beiden christlichen Confessionen gegen einander ab und kehrte, durch Heine's Salon dazu veranlaßt, auf das Zeitalter der Reformation zurück. Was er über Luther, die Fürsten und das Volk sagt, verräth den einseitigen politischen Standpunkt, von dem sich Börne nie trennen konnte und der ihn mitten in seinen religiösen Debatten so beherrschte, daß er wohl äußerte: "Und doch ist es besser, wenn die Wahl sein sollte, lieber keine Religion, als keine Freiheit zu haben." Von dem Satze ausgehend, daß die Wahrheit hienieden doch nicht gefunden würde und wir an Symbole verwiesen wären, schlug er die Irrthümer des Katholicismus deßhalb höher an, als die Philosopheme des Protestantismus, weil in jenem die Priester, als Stellvertreter der himmlischen Ordnung, dem Volke näher ständen, wie hier. Die Franzosen, welche den Reformateur herausgaben, waren nicht ganz Kenner genug, um einzusehen, daß Börne ein Französisch ohne Rhetorik schrieb, daß er den Gedanken nie der Phrase opferte und darum doch der Phrase eine naive Grazie verlieh, die die Sprache wieder auf ihre ersten unverdorbenen poetischen Anfänge zurückführte. Seine Artikel im Reformateur setzten die Gedankenreihe fort, welche La Mennais in ihm angeregt hatte. Er wog die politische Bedeutung der beiden christlichen Confessionen gegen einander ab und kehrte, durch Heine’s Salon dazu veranlaßt, auf das Zeitalter der Reformation zurück. Was er über Luther, die Fürsten und das Volk sagt, verräth den einseitigen politischen Standpunkt, von dem sich Börne nie trennen konnte und der ihn mitten in seinen religiösen Debatten so beherrschte, daß er wohl äußerte: „Und doch ist es besser, wenn die Wahl sein sollte, lieber keine Religion, als keine Freiheit zu haben.“ Von dem Satze ausgehend, daß die Wahrheit hienieden doch nicht gefunden würde und wir an Symbole verwiesen wären, schlug er die Irrthümer des Katholicismus deßhalb höher an, als die Philosopheme des Protestantismus, weil in jenem die Priester, als Stellvertreter der himmlischen Ordnung, dem Volke näher ständen, wie hier. Die Franzosen, welche den Reformateur herausgaben, waren nicht ganz <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0310" n="268"/> Kenner genug, um einzusehen, daß Börne ein Französisch ohne Rhetorik schrieb, daß er den Gedanken nie der Phrase opferte und darum doch der Phrase eine naive Grazie verlieh, die die Sprache wieder auf ihre ersten unverdorbenen poetischen Anfänge zurückführte. Seine Artikel im Reformateur setzten die Gedankenreihe fort, welche La Mennais in ihm angeregt hatte. Er wog die politische Bedeutung der beiden christlichen Confessionen gegen einander ab und kehrte, durch Heine’s Salon dazu veranlaßt, auf das Zeitalter der Reformation zurück. Was er über Luther, die Fürsten und das Volk sagt, verräth den einseitigen politischen Standpunkt, von dem sich Börne nie trennen konnte und der ihn mitten in seinen religiösen Debatten so beherrschte, daß er wohl äußerte: „Und doch ist es besser, wenn die Wahl sein sollte, lieber keine Religion, als keine Freiheit zu haben.“ Von dem Satze ausgehend, daß die Wahrheit hienieden doch nicht gefunden würde und wir an Symbole verwiesen wären, schlug er die Irrthümer des Katholicismus deßhalb höher an, als die Philosopheme des Protestantismus, weil in jenem die Priester, als Stellvertreter der himmlischen Ordnung, dem Volke näher ständen, wie hier. Die Franzosen, welche den Reformateur herausgaben, waren nicht ganz </p> </div> </body> </text> </TEI> [268/0310]
Kenner genug, um einzusehen, daß Börne ein Französisch ohne Rhetorik schrieb, daß er den Gedanken nie der Phrase opferte und darum doch der Phrase eine naive Grazie verlieh, die die Sprache wieder auf ihre ersten unverdorbenen poetischen Anfänge zurückführte. Seine Artikel im Reformateur setzten die Gedankenreihe fort, welche La Mennais in ihm angeregt hatte. Er wog die politische Bedeutung der beiden christlichen Confessionen gegen einander ab und kehrte, durch Heine’s Salon dazu veranlaßt, auf das Zeitalter der Reformation zurück. Was er über Luther, die Fürsten und das Volk sagt, verräth den einseitigen politischen Standpunkt, von dem sich Börne nie trennen konnte und der ihn mitten in seinen religiösen Debatten so beherrschte, daß er wohl äußerte: „Und doch ist es besser, wenn die Wahl sein sollte, lieber keine Religion, als keine Freiheit zu haben.“ Von dem Satze ausgehend, daß die Wahrheit hienieden doch nicht gefunden würde und wir an Symbole verwiesen wären, schlug er die Irrthümer des Katholicismus deßhalb höher an, als die Philosopheme des Protestantismus, weil in jenem die Priester, als Stellvertreter der himmlischen Ordnung, dem Volke näher ständen, wie hier. Die Franzosen, welche den Reformateur herausgaben, waren nicht ganz
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