Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840.noch hören; aber wenn ihn andere entschuldigen wollten, mit Gründen, die er, als künstlich ersonnen, gleich erkannte, das that ihm weh. Die Einen kamen zu ihm: Daß die Leute nicht den Humoristen in Ihnen sehen! Sie haben uns zum Lachen bringen wollen, was ist da weiter? Die Andern sagten: Börne ist von Natur schwach; aber er fürchtet, es zu scheinen. Um diesen Schein zu vermeiden, übertreibt er; gleichsam wie Marat seine eigene Furcht dadurch vertrieb, daß er Andern welche einjagte. Am meisten verlegen waren wohl die, welche gern dieselben Zwecke mit Börne verfolgten, das Mittel einer Verspottung der Deutschen aber zu unvorsichtig gewählt fanden. Die Deutschen sind gewohnt, sich selbst stark zu rühmen und viel an ihre Vergangenheit erinnert zu werden. Das zu thun hatte Börne unterlassen. Er hatte im Gegentheil sich eine größere Wirksamkeit auf den Ehrgeiz der Deutschen versprochen, wenn er ihnen recht stark die Wahrheit sagte. Lästig waren Börnen die Einwendungen seiner doktrinären Freunde. Diese räumten den Franzosen nur die Initiative der Freiheit ein, den Deutschen aber sprachen sie eine organische Begründung derselben zu. Bei uns müsse alles nach dem Maaß gegebener Zustände, auf dem Wege wissenschaftlicher Erörterung noch hören; aber wenn ihn andere entschuldigen wollten, mit Gründen, die er, als künstlich ersonnen, gleich erkannte, das that ihm weh. Die Einen kamen zu ihm: Daß die Leute nicht den Humoristen in Ihnen sehen! Sie haben uns zum Lachen bringen wollen, was ist da weiter? Die Andern sagten: Börne ist von Natur schwach; aber er fürchtet, es zu scheinen. Um diesen Schein zu vermeiden, übertreibt er; gleichsam wie Marat seine eigene Furcht dadurch vertrieb, daß er Andern welche einjagte. Am meisten verlegen waren wohl die, welche gern dieselben Zwecke mit Börne verfolgten, das Mittel einer Verspottung der Deutschen aber zu unvorsichtig gewählt fanden. Die Deutschen sind gewohnt, sich selbst stark zu rühmen und viel an ihre Vergangenheit erinnert zu werden. Das zu thun hatte Börne unterlassen. Er hatte im Gegentheil sich eine größere Wirksamkeit auf den Ehrgeiz der Deutschen versprochen, wenn er ihnen recht stark die Wahrheit sagte. Lästig waren Börnen die Einwendungen seiner doktrinären Freunde. Diese räumten den Franzosen nur die Initiative der Freiheit ein, den Deutschen aber sprachen sie eine organische Begründung derselben zu. Bei uns müsse alles nach dem Maaß gegebener Zustände, auf dem Wege wissenschaftlicher Erörterung <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0271" n="229"/> noch hören; aber wenn ihn andere entschuldigen wollten, mit Gründen, die er, als künstlich ersonnen, gleich erkannte, das that ihm weh. Die Einen kamen zu ihm: Daß die Leute nicht den Humoristen in Ihnen sehen! Sie haben uns zum Lachen bringen wollen, was ist da weiter? Die Andern sagten: Börne ist von Natur schwach; aber er fürchtet, es zu scheinen. Um diesen Schein zu vermeiden, übertreibt er; gleichsam wie Marat seine eigene Furcht dadurch vertrieb, daß er Andern welche einjagte. Am meisten verlegen waren wohl die, welche gern dieselben Zwecke mit Börne verfolgten, das Mittel einer Verspottung der Deutschen aber zu unvorsichtig gewählt fanden. Die Deutschen sind gewohnt, sich selbst stark zu rühmen und viel an ihre Vergangenheit erinnert zu werden. Das zu thun hatte Börne unterlassen. Er hatte im Gegentheil sich eine größere Wirksamkeit auf den Ehrgeiz der Deutschen versprochen, wenn er ihnen recht stark die Wahrheit sagte. Lästig waren Börnen die Einwendungen seiner doktrinären Freunde. Diese räumten den Franzosen nur die Initiative der Freiheit ein, den Deutschen aber sprachen sie eine organische Begründung derselben zu. Bei uns müsse alles nach dem Maaß gegebener Zustände, auf dem Wege wissenschaftlicher Erörterung </p> </div> </body> </text> </TEI> [229/0271]
noch hören; aber wenn ihn andere entschuldigen wollten, mit Gründen, die er, als künstlich ersonnen, gleich erkannte, das that ihm weh. Die Einen kamen zu ihm: Daß die Leute nicht den Humoristen in Ihnen sehen! Sie haben uns zum Lachen bringen wollen, was ist da weiter? Die Andern sagten: Börne ist von Natur schwach; aber er fürchtet, es zu scheinen. Um diesen Schein zu vermeiden, übertreibt er; gleichsam wie Marat seine eigene Furcht dadurch vertrieb, daß er Andern welche einjagte. Am meisten verlegen waren wohl die, welche gern dieselben Zwecke mit Börne verfolgten, das Mittel einer Verspottung der Deutschen aber zu unvorsichtig gewählt fanden. Die Deutschen sind gewohnt, sich selbst stark zu rühmen und viel an ihre Vergangenheit erinnert zu werden. Das zu thun hatte Börne unterlassen. Er hatte im Gegentheil sich eine größere Wirksamkeit auf den Ehrgeiz der Deutschen versprochen, wenn er ihnen recht stark die Wahrheit sagte. Lästig waren Börnen die Einwendungen seiner doktrinären Freunde. Diese räumten den Franzosen nur die Initiative der Freiheit ein, den Deutschen aber sprachen sie eine organische Begründung derselben zu. Bei uns müsse alles nach dem Maaß gegebener Zustände, auf dem Wege wissenschaftlicher Erörterung
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_boerne_1840/271>, abgerufen am 16.02.2025. |