Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840.gen war, Börne's als Krankheit zurückgetretene Liebe zum Vaterlande. Die schönen patriotischen Huldigungen, welche unsern Schriftstellern immer so bequem im Munde liegen, sind ja meist immer nur die Eingebung einer Liebe, die sich nicht auf Proben stellen läßt und, stellte man sie, nicht bestehen würde. Schmachtende Vaterlandsliebe kannte Börne nicht, sondern nur jene, die auch grollen kann, die Liebe, welche erhebt und bessert, nicht die, welche einschläfert und in Küssen begräbt. Wir haben noch viele solcher Schwärmer, die mitten in den zahllosen Gebrechen unsrer gesellschaftlichen Beziehungen, einer Nation, die sich diese gefallen läßt, schmeicheln zu müssen glauben. Börne würde gern geliebt haben, hätte er gedurft. Seine Liebe war nicht mondscheinblasser Natur, sondern vollblutig, leidenschaftlich, eine Liebe, von der man sagen durfte, sie hat Temperament. Wenn er die Deutschen schmähte, so ist es möglich, daß er die Lage nicht berücksichtigte, welche uns hinderte, die Ursachen seines Tadels so schnell wegzuräumen; aber er schmäht nicht aus Haß, sondern wo er zu hassen scheint, sieht man nur einen solchen Haß, der, wenn er gedurft hätte, sich bald würde in Liebe verwandelt haben. In keinem Lande wird mehr über die Vaterlandsliebe, von gen war, Börne’s als Krankheit zurückgetretene Liebe zum Vaterlande. Die schönen patriotischen Huldigungen, welche unsern Schriftstellern immer so bequem im Munde liegen, sind ja meist immer nur die Eingebung einer Liebe, die sich nicht auf Proben stellen läßt und, stellte man sie, nicht bestehen würde. Schmachtende Vaterlandsliebe kannte Börne nicht, sondern nur jene, die auch grollen kann, die Liebe, welche erhebt und bessert, nicht die, welche einschläfert und in Küssen begräbt. Wir haben noch viele solcher Schwärmer, die mitten in den zahllosen Gebrechen unsrer gesellschaftlichen Beziehungen, einer Nation, die sich diese gefallen läßt, schmeicheln zu müssen glauben. Börne würde gern geliebt haben, hätte er gedurft. Seine Liebe war nicht mondscheinblasser Natur, sondern vollblutig, leidenschaftlich, eine Liebe, von der man sagen durfte, sie hat Temperament. Wenn er die Deutschen schmähte, so ist es möglich, daß er die Lage nicht berücksichtigte, welche uns hinderte, die Ursachen seines Tadels so schnell wegzuräumen; aber er schmäht nicht aus Haß, sondern wo er zu hassen scheint, sieht man nur einen solchen Haß, der, wenn er gedurft hätte, sich bald würde in Liebe verwandelt haben. In keinem Lande wird mehr über die Vaterlandsliebe, von <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0263" n="221"/> gen war, Börne’s als Krankheit zurückgetretene Liebe zum Vaterlande. Die schönen patriotischen Huldigungen, welche unsern Schriftstellern immer so bequem im Munde liegen, sind ja meist immer nur die Eingebung einer Liebe, die sich nicht auf Proben stellen läßt und, stellte man sie, nicht bestehen würde. Schmachtende Vaterlandsliebe kannte Börne nicht, sondern nur jene, die auch grollen kann, die Liebe, welche erhebt und bessert, nicht die, welche einschläfert und in Küssen begräbt. Wir haben noch viele solcher Schwärmer, die mitten in den zahllosen Gebrechen unsrer gesellschaftlichen Beziehungen, einer Nation, die sich diese gefallen läßt, schmeicheln zu müssen glauben. Börne würde gern geliebt haben, hätte er gedurft. Seine Liebe war nicht mondscheinblasser Natur, sondern vollblutig, leidenschaftlich, eine Liebe, von der man sagen durfte, sie hat Temperament. Wenn er die Deutschen schmähte, so ist es möglich, daß er die Lage nicht berücksichtigte, welche uns hinderte, die Ursachen seines Tadels so schnell wegzuräumen; aber er schmäht nicht aus Haß, sondern wo er zu hassen <hi rendition="#g">scheint</hi>, sieht man nur einen solchen Haß, der, wenn er gedurft hätte, sich bald würde in Liebe verwandelt haben. In keinem Lande wird mehr über die Vaterlandsliebe, von </p> </div> </body> </text> </TEI> [221/0263]
gen war, Börne’s als Krankheit zurückgetretene Liebe zum Vaterlande. Die schönen patriotischen Huldigungen, welche unsern Schriftstellern immer so bequem im Munde liegen, sind ja meist immer nur die Eingebung einer Liebe, die sich nicht auf Proben stellen läßt und, stellte man sie, nicht bestehen würde. Schmachtende Vaterlandsliebe kannte Börne nicht, sondern nur jene, die auch grollen kann, die Liebe, welche erhebt und bessert, nicht die, welche einschläfert und in Küssen begräbt. Wir haben noch viele solcher Schwärmer, die mitten in den zahllosen Gebrechen unsrer gesellschaftlichen Beziehungen, einer Nation, die sich diese gefallen läßt, schmeicheln zu müssen glauben. Börne würde gern geliebt haben, hätte er gedurft. Seine Liebe war nicht mondscheinblasser Natur, sondern vollblutig, leidenschaftlich, eine Liebe, von der man sagen durfte, sie hat Temperament. Wenn er die Deutschen schmähte, so ist es möglich, daß er die Lage nicht berücksichtigte, welche uns hinderte, die Ursachen seines Tadels so schnell wegzuräumen; aber er schmäht nicht aus Haß, sondern wo er zu hassen scheint, sieht man nur einen solchen Haß, der, wenn er gedurft hätte, sich bald würde in Liebe verwandelt haben. In keinem Lande wird mehr über die Vaterlandsliebe, von
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