Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840.seltenen Beweise, daß sich die gründlichsten philologischen Kenntnisse und ein gelehrter Beruf (er war Professor am Gymnasium) mit geschmackvoller Beurtheilung der neuern und neusten Literatur, mit aufopfernder Hingebung an die Kunst und selbst ihre flüchtigsten Entfaltungen am Theaterabende wohl vereinigen lassen. Zu bedauern ist nur, daß seine sittliche Kraft nicht ausreichte, um diese beiden Elemente seiner Bildung im schönen Gleichgewichte zu erhalten, und daß bei ihm zuletzt der Mensch dem Genius unterlegen ist. Wie Börne diesen gründlichen Kunstkenner damals noch antraf, war er zum Umgange wohl noch verwendbar. Er wurde des von ihm hochverehrten Schriftstellers Cicerone, machte ihn mit Hamburg's Natur und Menschen, mit Hamburg's Sitten und Unsitten bekannt. Wer könnte Hamburg verlassen, ohne seine Menschenkenntniß in allen Winkeln dieser Seestadt zu vervollständigen und seine Beobachtungen selbst da anzustellen, wo das Laster seine Orgien feiert? Mit scheuem Erstaunen blickte Börne in jene Tummelplätze der entfesselten Sinnlichkeit, die man in Hamburg mit dem dort für die diplomatische Welt verlornen Namen Salons bezeichnet. Mit launiger Gutmüthigkeit näherte er sich einem der weiblichen Geschöpfe, die bei seltenen Beweise, daß sich die gründlichsten philologischen Kenntnisse und ein gelehrter Beruf (er war Professor am Gymnasium) mit geschmackvoller Beurtheilung der neuern und neusten Literatur, mit aufopfernder Hingebung an die Kunst und selbst ihre flüchtigsten Entfaltungen am Theaterabende wohl vereinigen lassen. Zu bedauern ist nur, daß seine sittliche Kraft nicht ausreichte, um diese beiden Elemente seiner Bildung im schönen Gleichgewichte zu erhalten, und daß bei ihm zuletzt der Mensch dem Genius unterlegen ist. Wie Börne diesen gründlichen Kunstkenner damals noch antraf, war er zum Umgange wohl noch verwendbar. Er wurde des von ihm hochverehrten Schriftstellers Cicerone, machte ihn mit Hamburg’s Natur und Menschen, mit Hamburg’s Sitten und Unsitten bekannt. Wer könnte Hamburg verlassen, ohne seine Menschenkenntniß in allen Winkeln dieser Seestadt zu vervollständigen und seine Beobachtungen selbst da anzustellen, wo das Laster seine Orgien feiert? Mit scheuem Erstaunen blickte Börne in jene Tummelplätze der entfesselten Sinnlichkeit, die man in Hamburg mit dem dort für die diplomatische Welt verlornen Namen Salons bezeichnet. Mit launiger Gutmüthigkeit näherte er sich einem der weiblichen Geschöpfe, die bei <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0242" n="200"/> seltenen Beweise, daß sich die gründlichsten philologischen Kenntnisse und ein gelehrter Beruf (er war Professor am Gymnasium) mit geschmackvoller Beurtheilung der neuern und neusten Literatur, mit aufopfernder Hingebung an die Kunst und selbst ihre flüchtigsten Entfaltungen am Theaterabende wohl vereinigen lassen. Zu bedauern ist nur, daß seine sittliche Kraft nicht ausreichte, um diese beiden Elemente seiner Bildung im schönen Gleichgewichte zu erhalten, und daß bei ihm zuletzt der Mensch dem Genius unterlegen ist. Wie Börne diesen gründlichen Kunstkenner damals noch antraf, war er zum Umgange wohl noch verwendbar. Er wurde des von ihm hochverehrten Schriftstellers Cicerone, machte ihn mit Hamburg’s Natur und Menschen, mit Hamburg’s Sitten und Unsitten bekannt. Wer könnte Hamburg verlassen, ohne seine Menschenkenntniß in allen Winkeln dieser Seestadt zu vervollständigen und seine Beobachtungen selbst da anzustellen, wo das Laster seine Orgien feiert? Mit scheuem Erstaunen blickte Börne in jene Tummelplätze der entfesselten Sinnlichkeit, die man in Hamburg mit dem dort für die diplomatische Welt verlornen Namen <hi rendition="#g">Salons</hi> bezeichnet. Mit launiger Gutmüthigkeit näherte er sich einem der weiblichen Geschöpfe, die bei </p> </div> </body> </text> </TEI> [200/0242]
seltenen Beweise, daß sich die gründlichsten philologischen Kenntnisse und ein gelehrter Beruf (er war Professor am Gymnasium) mit geschmackvoller Beurtheilung der neuern und neusten Literatur, mit aufopfernder Hingebung an die Kunst und selbst ihre flüchtigsten Entfaltungen am Theaterabende wohl vereinigen lassen. Zu bedauern ist nur, daß seine sittliche Kraft nicht ausreichte, um diese beiden Elemente seiner Bildung im schönen Gleichgewichte zu erhalten, und daß bei ihm zuletzt der Mensch dem Genius unterlegen ist. Wie Börne diesen gründlichen Kunstkenner damals noch antraf, war er zum Umgange wohl noch verwendbar. Er wurde des von ihm hochverehrten Schriftstellers Cicerone, machte ihn mit Hamburg’s Natur und Menschen, mit Hamburg’s Sitten und Unsitten bekannt. Wer könnte Hamburg verlassen, ohne seine Menschenkenntniß in allen Winkeln dieser Seestadt zu vervollständigen und seine Beobachtungen selbst da anzustellen, wo das Laster seine Orgien feiert? Mit scheuem Erstaunen blickte Börne in jene Tummelplätze der entfesselten Sinnlichkeit, die man in Hamburg mit dem dort für die diplomatische Welt verlornen Namen Salons bezeichnet. Mit launiger Gutmüthigkeit näherte er sich einem der weiblichen Geschöpfe, die bei
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_boerne_1840/242>, abgerufen am 22.07.2024. |