Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840.Börnes besaß, konnte nicht anders urtheilen, als er urtheilte. Einem freien Kritiker scheint an der Ordnung der Dinge etwas verrückt zu sein, wenn die Intension eines Dichters von einem Schauspieler nicht verstanden oder aus übermäßigem Verständniß verzerrt wird. Er hat nicht eher Ruhe, bis dem Dichter, bis der Natur wieder ihr Recht geschehen und man möchte, wenn es auch lächerlich klingt, fast sagen, die Lücke in der Weltordnung compensirt ist. Börne war aber nicht bloß streng gegen die persönliche Leistung des Schauspielers, sondern eben so gegen den Regisseur. Da er die Wiedergabe der Wirklichkeit täuschend verlangte, so konnte ihn im Arrangement der Stücke, ihrer Scenerie, namentlich aber in der Comparserie nichts so sehr verletzen, als was den Theaterplunder zu grell herausstellte, die nachgiebige Phantasie und Ergänzungskraft des Zuschauers zu sehr in Anspruch nahm. Ein bürgerliches Zimmer, das zu kostbar, ein Prunkgemach, das zu einer Bürgerwohnung gehören sollte, beleidigte ihn. Durchaus komisch sind in seiner Dramaturgie die ewigen Klagen, daß für die Hölle, z. B. im Don Juan, viel zu wenig Feuerwerk verwandt wird, daß nicht genug Schwärmer prasseln und alles nur auf eine jämmerliche Komödie berechnet Börnes besaß, konnte nicht anders urtheilen, als er urtheilte. Einem freien Kritiker scheint an der Ordnung der Dinge etwas verrückt zu sein, wenn die Intension eines Dichters von einem Schauspieler nicht verstanden oder aus übermäßigem Verständniß verzerrt wird. Er hat nicht eher Ruhe, bis dem Dichter, bis der Natur wieder ihr Recht geschehen und man möchte, wenn es auch lächerlich klingt, fast sagen, die Lücke in der Weltordnung compensirt ist. Börne war aber nicht bloß streng gegen die persönliche Leistung des Schauspielers, sondern eben so gegen den Regisseur. Da er die Wiedergabe der Wirklichkeit täuschend verlangte, so konnte ihn im Arrangement der Stücke, ihrer Scenerie, namentlich aber in der Comparserie nichts so sehr verletzen, als was den Theaterplunder zu grell herausstellte, die nachgiebige Phantasie und Ergänzungskraft des Zuschauers zu sehr in Anspruch nahm. Ein bürgerliches Zimmer, das zu kostbar, ein Prunkgemach, das zu einer Bürgerwohnung gehören sollte, beleidigte ihn. Durchaus komisch sind in seiner Dramaturgie die ewigen Klagen, daß für die Hölle, z. B. im Don Juan, viel zu wenig Feuerwerk verwandt wird, daß nicht genug Schwärmer prasseln und alles nur auf eine jämmerliche Komödie berechnet <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0165" n="123"/> Börnes besaß, konnte nicht anders urtheilen, als er urtheilte. Einem freien Kritiker scheint an der Ordnung der Dinge etwas verrückt zu sein, wenn die Intension eines Dichters von einem Schauspieler nicht verstanden oder aus <hi rendition="#g">übermäßigem</hi> Verständniß verzerrt wird. Er hat nicht eher Ruhe, bis dem Dichter, bis der Natur wieder ihr Recht geschehen und man möchte, wenn es auch lächerlich klingt, fast sagen, die Lücke in der Weltordnung compensirt ist.</p> <p>Börne war aber nicht bloß streng gegen die persönliche Leistung des Schauspielers, sondern eben so gegen den Regisseur. Da er die Wiedergabe der Wirklichkeit täuschend verlangte, so konnte ihn im Arrangement der Stücke, ihrer Scenerie, namentlich aber in der Comparserie nichts so sehr verletzen, als was den Theaterplunder zu grell herausstellte, die nachgiebige Phantasie und Ergänzungskraft des Zuschauers zu sehr in Anspruch nahm. Ein bürgerliches Zimmer, das zu kostbar, ein Prunkgemach, das zu einer Bürgerwohnung gehören sollte, beleidigte ihn. Durchaus komisch sind in seiner Dramaturgie die ewigen Klagen, daß für die Hölle, z. B. im Don Juan, viel zu wenig Feuerwerk verwandt wird, daß nicht genug Schwärmer prasseln und alles nur auf eine jämmerliche Komödie berechnet </p> </div> </body> </text> </TEI> [123/0165]
Börnes besaß, konnte nicht anders urtheilen, als er urtheilte. Einem freien Kritiker scheint an der Ordnung der Dinge etwas verrückt zu sein, wenn die Intension eines Dichters von einem Schauspieler nicht verstanden oder aus übermäßigem Verständniß verzerrt wird. Er hat nicht eher Ruhe, bis dem Dichter, bis der Natur wieder ihr Recht geschehen und man möchte, wenn es auch lächerlich klingt, fast sagen, die Lücke in der Weltordnung compensirt ist.
Börne war aber nicht bloß streng gegen die persönliche Leistung des Schauspielers, sondern eben so gegen den Regisseur. Da er die Wiedergabe der Wirklichkeit täuschend verlangte, so konnte ihn im Arrangement der Stücke, ihrer Scenerie, namentlich aber in der Comparserie nichts so sehr verletzen, als was den Theaterplunder zu grell herausstellte, die nachgiebige Phantasie und Ergänzungskraft des Zuschauers zu sehr in Anspruch nahm. Ein bürgerliches Zimmer, das zu kostbar, ein Prunkgemach, das zu einer Bürgerwohnung gehören sollte, beleidigte ihn. Durchaus komisch sind in seiner Dramaturgie die ewigen Klagen, daß für die Hölle, z. B. im Don Juan, viel zu wenig Feuerwerk verwandt wird, daß nicht genug Schwärmer prasseln und alles nur auf eine jämmerliche Komödie berechnet
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