Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840.Goethe nach dem ganzen Verlauf seiner Bildung nicht leisten konnte, etwas, das er seiner argen Natur nach nicht leisten wollte. Um die Stimmung, die Börne gegen Goethe empfand, hier gleich vollends zu würdigen, muß man wissen, daß sie beide Landsleute waren. Börne konnte den ganzen Bildungsgang der Goethischen Jugend verfolgen; er wurde, so oft er von der Zeil und dem Türkenschuß nach dem Eschenheimer Thore in Frankfurt einen kürzern Weg nehmen wollte durch die schlimme Mauer, den Schauplatz des von Goethe erzählten Knabenmärchens, an den vornehmen Geheimrath in Weimar erinnert. Er kannte die patrizischen Einflüsse, die auf Goethes Jugend gewirkt hatten, er wußte das eigenthümlich Hochfahrende und ächt Frankfurterische in der Frau Rath genugsam zu würdigen, um sich Goethe in seiner gemüthlichen Erscheinung ganz klar zu machen. Die Abneigung Goethes gegen das Judenthum, eingeimpft schon durch die Geburt, anerzogen durch die Frankfurter Sitte, mochte nicht wenig zu seiner Verstimmung gegen Goethe beitragen. Und soll ich ganz sagen, was ich denke, so ist es mir oft, als hätte Börne darauf gerechnet, daß Goethe irgend wie seine Aeußerungen über ihn erfahren würde; nicht Goethe nach dem ganzen Verlauf seiner Bildung nicht leisten konnte, etwas, das er seiner argen Natur nach nicht leisten wollte. Um die Stimmung, die Börne gegen Goethe empfand, hier gleich vollends zu würdigen, muß man wissen, daß sie beide Landsleute waren. Börne konnte den ganzen Bildungsgang der Goethischen Jugend verfolgen; er wurde, so oft er von der Zeil und dem Türkenschuß nach dem Eschenheimer Thore in Frankfurt einen kürzern Weg nehmen wollte durch die schlimme Mauer, den Schauplatz des von Goethe erzählten Knabenmärchens, an den vornehmen Geheimrath in Weimar erinnert. Er kannte die patrizischen Einflüsse, die auf Goethes Jugend gewirkt hatten, er wußte das eigenthümlich Hochfahrende und ächt Frankfurterische in der Frau Rath genugsam zu würdigen, um sich Goethe in seiner gemüthlichen Erscheinung ganz klar zu machen. Die Abneigung Goethes gegen das Judenthum, eingeimpft schon durch die Geburt, anerzogen durch die Frankfurter Sitte, mochte nicht wenig zu seiner Verstimmung gegen Goethe beitragen. Und soll ich ganz sagen, was ich denke, so ist es mir oft, als hätte Börne darauf gerechnet, daß Goethe irgend wie seine Aeußerungen über ihn erfahren würde; nicht <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0152" n="110"/> Goethe nach dem ganzen Verlauf seiner Bildung nicht leisten konnte, etwas, das er seiner argen Natur nach nicht leisten wollte.</p> <p>Um die Stimmung, die Börne gegen Goethe empfand, hier gleich vollends zu würdigen, muß man wissen, daß sie beide Landsleute waren. Börne konnte den ganzen Bildungsgang der Goethischen Jugend verfolgen; er wurde, so oft er von der Zeil und dem Türkenschuß nach dem Eschenheimer Thore in Frankfurt einen kürzern Weg nehmen wollte durch die schlimme Mauer, den Schauplatz des von Goethe erzählten Knabenmärchens, an den vornehmen Geheimrath in Weimar erinnert. Er kannte die patrizischen Einflüsse, die auf Goethes Jugend gewirkt hatten, er wußte das eigenthümlich Hochfahrende und ächt Frankfurterische in der Frau Rath genugsam zu würdigen, um sich Goethe in seiner gemüthlichen Erscheinung ganz klar zu machen. Die Abneigung Goethes gegen das Judenthum, eingeimpft schon durch die Geburt, anerzogen durch die Frankfurter Sitte, mochte nicht wenig zu seiner Verstimmung gegen Goethe beitragen. Und soll ich ganz sagen, was ich denke, so ist es mir oft, als hätte Börne darauf gerechnet, daß Goethe irgend wie seine Aeußerungen über ihn erfahren würde; nicht </p> </div> </body> </text> </TEI> [110/0152]
Goethe nach dem ganzen Verlauf seiner Bildung nicht leisten konnte, etwas, das er seiner argen Natur nach nicht leisten wollte.
Um die Stimmung, die Börne gegen Goethe empfand, hier gleich vollends zu würdigen, muß man wissen, daß sie beide Landsleute waren. Börne konnte den ganzen Bildungsgang der Goethischen Jugend verfolgen; er wurde, so oft er von der Zeil und dem Türkenschuß nach dem Eschenheimer Thore in Frankfurt einen kürzern Weg nehmen wollte durch die schlimme Mauer, den Schauplatz des von Goethe erzählten Knabenmärchens, an den vornehmen Geheimrath in Weimar erinnert. Er kannte die patrizischen Einflüsse, die auf Goethes Jugend gewirkt hatten, er wußte das eigenthümlich Hochfahrende und ächt Frankfurterische in der Frau Rath genugsam zu würdigen, um sich Goethe in seiner gemüthlichen Erscheinung ganz klar zu machen. Die Abneigung Goethes gegen das Judenthum, eingeimpft schon durch die Geburt, anerzogen durch die Frankfurter Sitte, mochte nicht wenig zu seiner Verstimmung gegen Goethe beitragen. Und soll ich ganz sagen, was ich denke, so ist es mir oft, als hätte Börne darauf gerechnet, daß Goethe irgend wie seine Aeußerungen über ihn erfahren würde; nicht
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