Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840.Politik immer gegenwärtig war. Sie schimmerte wie ein seidnes Unterkleid durch einen Gaze-Ueberwurf immer wieder hervor. Konnt' er doch selbst z. B. bei seinen Theaterkritiken nicht unterlassen, einmal von einer an der Frankfurter Bühne gastirenden Dame vom ständischen Theater in Grätz zu sagen: Wenn die Stände in Grätz so leise sprächen, wie diese Dame, dann müsse es um die Freiheit Steyermarks sehr schlimm stehen. Börne hatte keine Vorstellung davon, wie manche zahme Journalisten eine neu begründete Zeitung mit der Bemerkung ankündigen konnten: "die Politik ist gänzlich ausgeschlossen" oder um es richtiger zu sagen, Börne hat oft gerathen, allerdings solche, die Machthaber täuschende Erklärungen zu geben, aber er konnte nicht begreifen, wie sie sich halten ließen. Er rieth den Freunden der Freiheit oft, Jesuiten zu werden; wo keine freie Einfuhr erlaubt sey, lieber zu schmuggeln; aber das einfältige Einhalten einer solchen Prospektusversicherung war ihm den zu bekämpfenden politischen Zuständen gegenüber, unerklärlich. In Paris vollends schien ihm auch eine solche Erklärung verdammungswürdig. Die kurz nach der Julirevolution gestiftete Europe litteraire, die dem Gedanken Goethes von einer Weltliteratur großen Vorschub hätte leisten können, aber Politik immer gegenwärtig war. Sie schimmerte wie ein seidnes Unterkleid durch einen Gaze-Ueberwurf immer wieder hervor. Konnt’ er doch selbst z. B. bei seinen Theaterkritiken nicht unterlassen, einmal von einer an der Frankfurter Bühne gastirenden Dame vom ständischen Theater in Grätz zu sagen: Wenn die Stände in Grätz so leise sprächen, wie diese Dame, dann müsse es um die Freiheit Steyermarks sehr schlimm stehen. Börne hatte keine Vorstellung davon, wie manche zahme Journalisten eine neu begründete Zeitung mit der Bemerkung ankündigen konnten: „die Politik ist gänzlich ausgeschlossen“ oder um es richtiger zu sagen, Börne hat oft gerathen, allerdings solche, die Machthaber täuschende Erklärungen zu geben, aber er konnte nicht begreifen, wie sie sich halten ließen. Er rieth den Freunden der Freiheit oft, Jesuiten zu werden; wo keine freie Einfuhr erlaubt sey, lieber zu schmuggeln; aber das einfältige Einhalten einer solchen Prospektusversicherung war ihm den zu bekämpfenden politischen Zuständen gegenüber, unerklärlich. In Paris vollends schien ihm auch eine solche Erklärung verdammungswürdig. Die kurz nach der Julirevolution gestiftete Europe littéraire, die dem Gedanken Goethes von einer Weltliteratur großen Vorschub hätte leisten können, aber <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0147" n="105"/> Politik immer gegenwärtig war. Sie schimmerte wie ein seidnes Unterkleid durch einen Gaze-Ueberwurf immer wieder hervor. Konnt’ er doch selbst z. B. bei seinen Theaterkritiken nicht unterlassen, einmal von einer an der Frankfurter Bühne gastirenden Dame vom <hi rendition="#g">ständischen</hi> Theater in Grätz zu sagen: Wenn die Stände in Grätz so leise sprächen, wie diese Dame, dann müsse es um die Freiheit Steyermarks sehr schlimm stehen. Börne hatte keine Vorstellung davon, wie manche zahme Journalisten eine neu begründete Zeitung mit der Bemerkung ankündigen konnten: „die Politik ist gänzlich ausgeschlossen“ oder um es richtiger zu sagen, Börne hat oft gerathen, allerdings solche, die Machthaber täuschende Erklärungen zu geben, aber er konnte nicht begreifen, wie sie sich halten ließen. Er rieth den Freunden der Freiheit oft, Jesuiten zu werden; wo keine freie Einfuhr erlaubt sey, lieber zu schmuggeln; aber das einfältige Einhalten einer solchen Prospektusversicherung war ihm den zu bekämpfenden politischen Zuständen gegenüber, unerklärlich. In Paris vollends schien ihm auch eine solche Erklärung verdammungswürdig. Die kurz nach der Julirevolution gestiftete <hi rendition="#aq">Europe littéraire</hi>, die dem Gedanken Goethes von einer Weltliteratur großen Vorschub hätte leisten können, aber </p> </div> </body> </text> </TEI> [105/0147]
Politik immer gegenwärtig war. Sie schimmerte wie ein seidnes Unterkleid durch einen Gaze-Ueberwurf immer wieder hervor. Konnt’ er doch selbst z. B. bei seinen Theaterkritiken nicht unterlassen, einmal von einer an der Frankfurter Bühne gastirenden Dame vom ständischen Theater in Grätz zu sagen: Wenn die Stände in Grätz so leise sprächen, wie diese Dame, dann müsse es um die Freiheit Steyermarks sehr schlimm stehen. Börne hatte keine Vorstellung davon, wie manche zahme Journalisten eine neu begründete Zeitung mit der Bemerkung ankündigen konnten: „die Politik ist gänzlich ausgeschlossen“ oder um es richtiger zu sagen, Börne hat oft gerathen, allerdings solche, die Machthaber täuschende Erklärungen zu geben, aber er konnte nicht begreifen, wie sie sich halten ließen. Er rieth den Freunden der Freiheit oft, Jesuiten zu werden; wo keine freie Einfuhr erlaubt sey, lieber zu schmuggeln; aber das einfältige Einhalten einer solchen Prospektusversicherung war ihm den zu bekämpfenden politischen Zuständen gegenüber, unerklärlich. In Paris vollends schien ihm auch eine solche Erklärung verdammungswürdig. Die kurz nach der Julirevolution gestiftete Europe littéraire, die dem Gedanken Goethes von einer Weltliteratur großen Vorschub hätte leisten können, aber
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