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Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840.

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Zufall nur so fortströmen lassen, er mochte wohl auf Pläne und Entschließungen mancherlei Art sinnen; aber mit einer gewissen Elastizität das Ruder seines Schicksals zu ergreifen, dazu fehlte ihm das sanguinische Temperament. Auch waren die Bedingungen, von denen seine Zukunft abhing, unter allen Umständen sehr schwierig. Was blieb ihm als Juden offen? Sich taufen lassen - der Entschluß keimte; aber es gehört in einem gefühlvollen Herzen Zeit dazu, bis er reif wird. Rücksichten auf Eltern und Verwandte traten ebenfalls hindernd dazwischen. Zunächst konnte noch einige Hoffnung seyn, daß das Benehmen der neuen Frankfurter Regierung gegen die Juden in Wien oder vom Bundestage könnte cassirt werden; denn es widersprach aller Billigkeit. Die Judengemeinde in Frankfurt hatte sich durch die Summe von 440,000 Gulden das Bürgerrecht erkauft; Preußens und Oesterreichs Staatskanzler, die Fürsten Hardenberg und Metternich, versicherten sie ihrer thätigsten Verwendung und richteten selbst Zuschriften an den Frankfurter Senat, um diesen zu einer billigen Ausgleichung zu bewegen. Die Gemeinde schickte Börne's Vater, J. Gumprecht und G. G. Uffenheim zum Wiener Congreß, die Akte des Congresses wahrt im Artikel 46 die Rechte der Juden

Zufall nur so fortströmen lassen, er mochte wohl auf Pläne und Entschließungen mancherlei Art sinnen; aber mit einer gewissen Elastizität das Ruder seines Schicksals zu ergreifen, dazu fehlte ihm das sanguinische Temperament. Auch waren die Bedingungen, von denen seine Zukunft abhing, unter allen Umständen sehr schwierig. Was blieb ihm als Juden offen? Sich taufen lassen – der Entschluß keimte; aber es gehört in einem gefühlvollen Herzen Zeit dazu, bis er reif wird. Rücksichten auf Eltern und Verwandte traten ebenfalls hindernd dazwischen. Zunächst konnte noch einige Hoffnung seyn, daß das Benehmen der neuen Frankfurter Regierung gegen die Juden in Wien oder vom Bundestage könnte cassirt werden; denn es widersprach aller Billigkeit. Die Judengemeinde in Frankfurt hatte sich durch die Summe von 440,000 Gulden das Bürgerrecht erkauft; Preußens und Oesterreichs Staatskanzler, die Fürsten Hardenberg und Metternich, versicherten sie ihrer thätigsten Verwendung und richteten selbst Zuschriften an den Frankfurter Senat, um diesen zu einer billigen Ausgleichung zu bewegen. Die Gemeinde schickte Börne’s Vater, J. Gumprecht und G. G. Uffenheim zum Wiener Congreß, die Akte des Congresses wahrt im Artikel 46 die Rechte der Juden

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Zufall nur so fortströmen lassen, er mochte wohl auf Pläne und Entschließungen mancherlei Art sinnen; aber mit einer gewissen Elastizität das Ruder seines Schicksals zu ergreifen, dazu fehlte ihm das sanguinische Temperament. Auch waren die Bedingungen, von denen seine Zukunft abhing, unter allen Umständen sehr schwierig. Was blieb ihm als Juden offen? Sich taufen lassen &#x2013; der Entschluß keimte; aber es gehört in einem gefühlvollen Herzen Zeit dazu, bis er reif wird. Rücksichten auf Eltern und Verwandte traten ebenfalls hindernd dazwischen. Zunächst konnte noch einige Hoffnung seyn, daß das Benehmen der neuen Frankfurter Regierung gegen die Juden in Wien oder vom Bundestage könnte cassirt werden; denn es widersprach aller Billigkeit. Die Judengemeinde in Frankfurt hatte sich durch die Summe von 440,000 Gulden das Bürgerrecht erkauft; Preußens und Oesterreichs Staatskanzler, die Fürsten Hardenberg und Metternich, versicherten sie ihrer thätigsten Verwendung und richteten selbst Zuschriften an den Frankfurter Senat, um diesen zu einer billigen Ausgleichung zu bewegen. Die Gemeinde schickte Börne&#x2019;s Vater, J. Gumprecht und G. G. Uffenheim zum Wiener Congreß, die Akte des Congresses wahrt im Artikel 46 die Rechte der Juden
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[93/0135] Zufall nur so fortströmen lassen, er mochte wohl auf Pläne und Entschließungen mancherlei Art sinnen; aber mit einer gewissen Elastizität das Ruder seines Schicksals zu ergreifen, dazu fehlte ihm das sanguinische Temperament. Auch waren die Bedingungen, von denen seine Zukunft abhing, unter allen Umständen sehr schwierig. Was blieb ihm als Juden offen? Sich taufen lassen – der Entschluß keimte; aber es gehört in einem gefühlvollen Herzen Zeit dazu, bis er reif wird. Rücksichten auf Eltern und Verwandte traten ebenfalls hindernd dazwischen. Zunächst konnte noch einige Hoffnung seyn, daß das Benehmen der neuen Frankfurter Regierung gegen die Juden in Wien oder vom Bundestage könnte cassirt werden; denn es widersprach aller Billigkeit. Die Judengemeinde in Frankfurt hatte sich durch die Summe von 440,000 Gulden das Bürgerrecht erkauft; Preußens und Oesterreichs Staatskanzler, die Fürsten Hardenberg und Metternich, versicherten sie ihrer thätigsten Verwendung und richteten selbst Zuschriften an den Frankfurter Senat, um diesen zu einer billigen Ausgleichung zu bewegen. Die Gemeinde schickte Börne’s Vater, J. Gumprecht und G. G. Uffenheim zum Wiener Congreß, die Akte des Congresses wahrt im Artikel 46 die Rechte der Juden

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_boerne_1840/135>, abgerufen am 26.11.2024.