ist so einleuchtend, dass sich schwerlich etwas gründliches dagegen einwenden lässt. Sitzende Spiele gehören folglich hauptsächlich nur denen zu, die wenig mit dem Geiste, alles mit dem Kör- per unter viel Bewegung arbeiten; bewegende dem ruhigen, sitzenden Handarbeiter, so wie dem Freunde der Wissenschaften und Künste. Aber Dank sey es unserer widernatürlichen Lebensart unsre Gelehrten, Künstler, unsre Vornehmen, kurz die, welche in China lange Nägel tragen würden, spielen wie Krieger, Fechter und Pflü- ger; vom Schreibtische gehts zum Schach, aus dem Kabinette oder vom langen Gastmale zur Karte.
Die geistige Ausbildung bleibt bey der Er- ziehung das Hauptwerk, weil der Geist eigent- lich den Menschen macht. Man habe Nachsicht mit diesem sehr bekannten aber hier sehr brauch- baren Gedanken. Muss man die Wahrheit des- selben anerkennen, so sollte geistige Ausbildung, nach Maassgabe des zu bildenden Gegenstandes, immer mit Ernst getrieben, nie zum Spiele ge- macht werden, um dadurch Erholung für Arbei- ten des Geistes zu verschaffen; einmal, weil die- se Erholung nicht ächt ist, zweytens weil man dadurch aus der natürlichen Ordnung heraus tritt und dem Körper in seine Rechte fällt; je we- niger dieser aber noch ausgebildet ist, um desto
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iſt ſo einleuchtend, daſs ſich ſchwerlich etwas gründliches dagegen einwenden läſst. Sitzende Spiele gehören folglich hauptſächlich nur denen zu, die wenig mit dem Geiſte, alles mit dem Kör- per unter viel Bewegung arbeiten; bewegende dem ruhigen, ſitzenden Handarbeiter, ſo wie dem Freunde der Wiſſenſchaften und Künſte. Aber Dank ſey es unſerer widernatürlichen Lebensart unſre Gelehrten, Künſtler, unſre Vornehmen, kurz die, welche in China lange Nägel tragen würden, ſpielen wie Krieger, Fechter und Pflü- ger; vom Schreibtiſche gehts zum Schach, aus dem Kabinette oder vom langen Gaſtmale zur Karte.
Die geiſtige Ausbildung bleibt bey der Er- ziehung das Hauptwerk, weil der Geiſt eigent- lich den Menſchen macht. Man habe Nachſicht mit dieſem ſehr bekannten aber hier ſehr brauch- baren Gedanken. Muſs man die Wahrheit deſ- ſelben anerkennen, ſo ſollte geiſtige Ausbildung, nach Maaſsgabe des zu bildenden Gegenſtandes, immer mit Ernſt getrieben, nie zum Spiele ge- macht werden, um dadurch Erholung für Arbei- ten des Geiſtes zu verſchaffen; einmal, weil die- ſe Erholung nicht ächt iſt, zweytens weil man dadurch aus der natürlichen Ordnung heraus tritt und dem Körper in ſeine Rechte fällt; je we- niger dieſer aber noch ausgebildet iſt, um deſto
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iſt ſo einleuchtend, daſs ſich ſchwerlich etwas
gründliches dagegen einwenden läſst. Sitzende
Spiele gehören folglich hauptſächlich nur denen
zu, die wenig mit dem Geiſte, alles mit dem Kör-
per unter viel Bewegung arbeiten; bewegende
dem ruhigen, ſitzenden Handarbeiter, ſo wie dem
Freunde der Wiſſenſchaften und Künſte. Aber
Dank ſey es unſerer widernatürlichen Lebensart
unſre Gelehrten, Künſtler, unſre Vornehmen,
kurz die, welche in China lange Nägel tragen
würden, ſpielen wie Krieger, Fechter und Pflü-
ger; vom Schreibtiſche gehts zum Schach, aus
dem Kabinette oder vom langen Gaſtmale zur
Karte.
Die geiſtige Ausbildung bleibt bey der Er-
ziehung das Hauptwerk, weil der Geiſt eigent-
lich den Menſchen macht. Man habe Nachſicht
mit dieſem ſehr bekannten aber hier ſehr brauch-
baren Gedanken. Muſs man die Wahrheit deſ-
ſelben anerkennen, ſo ſollte geiſtige Ausbildung,
nach Maaſsgabe des zu bildenden Gegenſtandes,
immer mit Ernſt getrieben, nie zum Spiele ge-
macht werden, um dadurch Erholung für Arbei-
ten des Geiſtes zu verſchaffen; einmal, weil die-
ſe Erholung nicht ächt iſt, zweytens weil man
dadurch aus der natürlichen Ordnung heraus tritt
und dem Körper in ſeine Rechte fällt; je we-
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Guts Muths, Johann Christoph Friedrich: Spiele zur Übung und Erholung des Körpers und Geistes. Schnepfenthal, 1796, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutsmuths_spiele_1796/71>, abgerufen am 22.11.2024.
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