ten und, was mir das beste scheint, in Ab- stumpfung einer übermässigen Empfindlichkeit, wo- ran leider überall viel grosse und kleine Leute krank liegen. Der geringste Fehltritt, ein klei- nes auf sie gehendes Gelächter macht sie be- stürzt; sie wissen nichts mit Grossmuth und ge- fälliger Unbefangenheit zu ertragen, und ver- stehen die Kunst nicht mit einer guten freymü- thigen Art sich selbst verlachen zu helfen. Die- se Kunst will sehr früh erworben seyn. Hude- leyen in Spass und Ernst, gehören nun einmal ins Menschenleben; gewöhnt die Jugend, jene mit Lachen, diese mit ernster Gesetztheit zu er- tragen. Aus Gründen billige ich daher die Be- handlung des Midas; ob sie aber für diesen und jenen jungen Anfänger in jener Kunst vielleicht nicht zu derbe seyn möchte? -- Ich wünschte daher und schlage vor, dass der Midastanz nicht immer angewendet werde. Der Präsident muss seine Hrn. Akademiker kennen; ist dieser und jener seiner Einsicht nach noch zu empfindlich: so liesse er ihn die Strafe mit einem Pfande büssen. Diess Pfand nähme der Secretär in Verwahrung und brächte es, wenn er Bericht von der Sitz- ung abstattet, vor den Thron Seiner Majestät, mit anzeige dieser Unwissenheit des Mitgliedes. Der König geruhete dann in Gnaden, dasselbe zu so oder so vielmaligen Gassenlaufen durch
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ten und, was mir das beſte ſcheint, in Ab- ſtumpfung einer übermäſsigen Empfindlichkeit, wo- ran leider überall viel groſse und kleine Leute krank liegen. Der geringſte Fehltritt, ein klei- nes auf ſie gehendes Gelächter macht ſie be- ſtürzt; ſie wiſſen nichts mit Groſsmuth und ge- fälliger Unbefangenheit zu ertragen, und ver- ſtehen die Kunſt nicht mit einer guten freymü- thigen Art ſich ſelbſt verlachen zu helfen. Die- ſe Kunſt will ſehr früh erworben ſeyn. Hude- leyen in Spaſs und Ernſt, gehören nun einmal ins Menſchenleben; gewöhnt die Jugend, jene mit Lachen, dieſe mit ernſter Geſetztheit zu er- tragen. Aus Gründen billige ich daher die Be- handlung des Midas; ob ſie aber für dieſen und jenen jungen Anfänger in jener Kunſt vielleicht nicht zu derbe ſeyn möchte? — Ich wünſchte daher und ſchlage vor, daſs der Midastanz nicht immer angewendet werde. Der Präſident muſs ſeine Hrn. Akademiker kennen; iſt dieſer und jener ſeiner Einſicht nach noch zu empfindlich: ſo lieſse er ihn die Strafe mit einem Pfande büſsen. Dieſs Pfand nähme der Secretär in Verwahrung und brächte es, wenn er Bericht von der Sitz- ung abſtattet, vor den Thron Seiner Majeſtät, mit anzeige dieſer Unwiſſenheit des Mitgliedes. Der König geruhete dann in Gnaden, daſſelbe zu ſo oder ſo vielmaligen Gaſſenlaufen durch
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ten und, was mir das beſte ſcheint, in Ab-
ſtumpfung einer übermäſsigen Empfindlichkeit, wo-
ran leider überall viel groſse und kleine Leute
krank liegen. Der geringſte Fehltritt, ein klei-
nes auf ſie gehendes Gelächter macht ſie be-
ſtürzt; ſie wiſſen nichts mit Groſsmuth und ge-
fälliger Unbefangenheit zu ertragen, und ver-
ſtehen die Kunſt nicht mit einer guten freymü-
thigen Art ſich ſelbſt verlachen zu helfen. Die-
ſe Kunſt will ſehr früh erworben ſeyn. Hude-
leyen in Spaſs und Ernſt, gehören nun einmal
ins Menſchenleben; gewöhnt die Jugend, jene
mit Lachen, dieſe mit ernſter Geſetztheit zu er-
tragen. Aus Gründen billige ich daher die Be-
handlung des Midas; ob ſie aber für dieſen und
jenen jungen Anfänger in jener Kunſt vielleicht
nicht zu derbe ſeyn möchte? — Ich wünſchte daher
und ſchlage vor, daſs der Midastanz nicht immer
angewendet werde. Der Präſident muſs ſeine
Hrn. Akademiker kennen; iſt dieſer und jener
ſeiner Einſicht nach noch zu empfindlich: ſo
lieſse er ihn die Strafe mit einem Pfande büſsen.
Dieſs Pfand nähme der Secretär in Verwahrung
und brächte es, wenn er Bericht von der Sitz-
ung abſtattet, vor den Thron Seiner Majeſtät,
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Guts Muths, Johann Christoph Friedrich: Spiele zur Übung und Erholung des Körpers und Geistes. Schnepfenthal, 1796, S. 401. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutsmuths_spiele_1796/433>, abgerufen am 22.11.2024.
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