Er zählt fünf, wenn er die grösste Zahl von der Preisfarbe hat, und gewinnt das Spiel, wenn er achtmal fünf zählt. Ein gewältiges Geschrey der Zuschauer, das sich bey jedem Wurfe unter das Geprassel der Kerne mischt, verräth ihre lebhafte Theilnahme, so wie die fürchterliche Gesichtsverzerrung der Spielenden und ihr af- fectvolles Murren gegen die bösen Geister, die Roheit ihres Kopfes, die Ungezähmtheit ihrer Leidenschaften ankündigt. So spielen oft gan- ze Dörfer, ja ganze Stämme gegen einander. Der Instinkt ruft, man kehrt zur Jagd oder zu bewegenden Spielen, besonders zu Tänzen, die zur Tagesordnung gehören. Eine Hirschhaut über ein Fass, einen Kessel oder über ein Stück eines hohlen Baumes gespannt, giebt in dum- pfen Tönen den Takt an. Die Männer tanzen voran, von ihren Stampfen erzittert der Boden, von ihrem Geschrey die Luft. Das sittsame Weib folgt mit wenigen Bewegungen sprach- und scherzlos nach. Heldenmässiger wird der Tanz für Männer allein. Jeder tanzt einzeln mit Kühnheit und Leichtigkeit, seine eigenen oder die Thaten seiner Vorfahren besingend, indem die herumstehenden mit einem rauhen, zu gleicher Zeit ausgestossenen Tone das Zeitmaass angeben. Noch fürchterlicher ist der Kriegs- tanz, die Nachahmung eines allgemeinen krie-
Er zählt fünf, wenn er die gröſste Zahl von der Preisfarbe hat, und gewinnt das Spiel, wenn er achtmal fünf zählt. Ein gewältiges Geſchrey der Zuſchauer, das ſich bey jedem Wurfe unter das Gepraſſel der Kerne miſcht, verräth ihre lebhafte Theilnahme, ſo wie die fürchterliche Geſichtsverzerrung der Spielenden und ihr af- fectvolles Murren gegen die böſen Geiſter, die Roheit ihres Kopfes, die Ungezähmtheit ihrer Leidenſchaften ankündigt. So ſpielen oft gan- ze Dörfer, ja ganze Stämme gegen einander. Der Inſtinkt ruft, man kehrt zur Jagd oder zu bewegenden Spielen, beſonders zu Tänzen, die zur Tagesordnung gehören. Eine Hirſchhaut über ein Faſs, einen Keſſel oder über ein Stück eines hohlen Baumes geſpannt, giebt in dum- pfen Tönen den Takt an. Die Männer tanzen voran, von ihren Stampfen erzittert der Boden, von ihrem Geſchrey die Luft. Das ſittſame Weib folgt mit wenigen Bewegungen ſprach- und ſcherzlos nach. Heldenmäſsiger wird der Tanz für Männer allein. Jeder tanzt einzeln mit Kühnheit und Leichtigkeit, ſeine eigenen oder die Thaten ſeiner Vorfahren beſingend, indem die herumſtehenden mit einem rauhen, zu gleicher Zeit ausgeſtoſsenen Tone das Zeitmaaſs angeben. Noch fürchterlicher iſt der Kriegs- tanz, die Nachahmung eines allgemeinen krie-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0043"n="11"/>
Er zählt fünf, wenn er die gröſste Zahl von der<lb/>
Preisfarbe hat, und gewinnt das Spiel, wenn er<lb/>
achtmal fünf zählt. Ein gewältiges Geſchrey<lb/>
der Zuſchauer, das ſich bey jedem Wurfe unter<lb/>
das Gepraſſel der Kerne miſcht, verräth ihre<lb/>
lebhafte Theilnahme, ſo wie die fürchterliche<lb/>
Geſichtsverzerrung der Spielenden und ihr af-<lb/>
fectvolles Murren gegen die böſen Geiſter, die<lb/>
Roheit ihres Kopfes, die Ungezähmtheit ihrer<lb/>
Leidenſchaften ankündigt. So ſpielen oft gan-<lb/>
ze Dörfer, ja ganze Stämme gegen einander.<lb/>
Der Inſtinkt ruft, man kehrt zur Jagd oder zu<lb/>
bewegenden Spielen, beſonders zu Tänzen, die<lb/>
zur Tagesordnung gehören. Eine Hirſchhaut<lb/>
über ein Faſs, einen Keſſel oder über ein Stück<lb/>
eines hohlen Baumes geſpannt, giebt in dum-<lb/>
pfen Tönen den Takt an. Die Männer tanzen<lb/>
voran, von ihren Stampfen erzittert der Boden,<lb/>
von ihrem Geſchrey die Luft. Das ſittſame Weib<lb/>
folgt mit wenigen Bewegungen ſprach- und<lb/>ſcherzlos nach. Heldenmäſsiger wird der Tanz<lb/>
für Männer allein. Jeder tanzt einzeln mit<lb/>
Kühnheit und Leichtigkeit, ſeine eigenen oder<lb/>
die Thaten ſeiner Vorfahren beſingend, indem<lb/>
die herumſtehenden mit einem rauhen, zu<lb/>
gleicher Zeit ausgeſtoſsenen Tone das Zeitmaaſs<lb/>
angeben. Noch fürchterlicher iſt der Kriegs-<lb/>
tanz, die Nachahmung eines allgemeinen krie-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[11/0043]
Er zählt fünf, wenn er die gröſste Zahl von der
Preisfarbe hat, und gewinnt das Spiel, wenn er
achtmal fünf zählt. Ein gewältiges Geſchrey
der Zuſchauer, das ſich bey jedem Wurfe unter
das Gepraſſel der Kerne miſcht, verräth ihre
lebhafte Theilnahme, ſo wie die fürchterliche
Geſichtsverzerrung der Spielenden und ihr af-
fectvolles Murren gegen die böſen Geiſter, die
Roheit ihres Kopfes, die Ungezähmtheit ihrer
Leidenſchaften ankündigt. So ſpielen oft gan-
ze Dörfer, ja ganze Stämme gegen einander.
Der Inſtinkt ruft, man kehrt zur Jagd oder zu
bewegenden Spielen, beſonders zu Tänzen, die
zur Tagesordnung gehören. Eine Hirſchhaut
über ein Faſs, einen Keſſel oder über ein Stück
eines hohlen Baumes geſpannt, giebt in dum-
pfen Tönen den Takt an. Die Männer tanzen
voran, von ihren Stampfen erzittert der Boden,
von ihrem Geſchrey die Luft. Das ſittſame Weib
folgt mit wenigen Bewegungen ſprach- und
ſcherzlos nach. Heldenmäſsiger wird der Tanz
für Männer allein. Jeder tanzt einzeln mit
Kühnheit und Leichtigkeit, ſeine eigenen oder
die Thaten ſeiner Vorfahren beſingend, indem
die herumſtehenden mit einem rauhen, zu
gleicher Zeit ausgeſtoſsenen Tone das Zeitmaaſs
angeben. Noch fürchterlicher iſt der Kriegs-
tanz, die Nachahmung eines allgemeinen krie-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Guts Muths, Johann Christoph Friedrich: Spiele zur Übung und Erholung des Körpers und Geistes. Schnepfenthal, 1796, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutsmuths_spiele_1796/43>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.