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Guts Muths, Johann Christoph Friedrich: Spiele zur Übung und Erholung des Körpers und Geistes. Schnepfenthal, 1796.

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Wie? sagte sie, was sehe ich? Sie tragen
noch solche lange Taillen an ihren Kleidern?
Pfui! schämen sie sich. Das trägt ja kein
Mensch mehr. Nein sehen Sie mich an, ich ha-
be mir diess Kleid erst machen lassen; so muss
man's tragen. Eine lange Taille! Pfui.

Jettchen. Finden Sie es denn hübscher, gar
keine Taille zu haben?

Lotte. Ich finde alles hübsch, was nur keine
lange Taille ist. Eine Taille im Kleide! das ekel-
hafteste von der Welt!

Luise. Ich muss gestehen, ich finde es nicht so:
ich glaube, dass die Schönheit des Körpers darin
bestehet, wenn die Taille das gehörige Eben-
maass --

Lotte. Ach was Schönheit! Ebenmaass! --
Schönheit ist eine recht kurze, kurze Taille,
und einen recht langen langen Rock haben. Al-
le Welt trägt jezt eine kurze Taille; und eine
Taille, die nicht recht kurz ist, ist hässlich.

Luise. Aber, ich bitte Sie, diese Kleidung
ist doch gar nicht natürlich, denn --

Lotte. Natürlich? Natur ist dumm Zeug; ei-
ne Taille wie die Ihrige, unausstehlich; und ei-
ne kurze Taille Mode.

Jettchen. Ich finde, dass Sie Recht haben;
ich will mir gleich auch solch ein Kleid machen
lassen. (geht um einen Rock von ihrer Mutter
eben so anzuziehn.)

Wie? ſagte ſie, was ſehe ich? Sie tragen
noch ſolche lange Taillen an ihren Kleidern?
Pfui! ſchämen ſie ſich. Das trägt ja kein
Menſch mehr. Nein ſehen Sie mich an, ich ha-
be mir dieſs Kleid erſt machen laſſen; ſo muſs
man’s tragen. Eine lange Taille! Pfui.

Jettchen. Finden Sie es denn hübſcher, gar
keine Taille zu haben?

Lotte. Ich finde alles hübſch, was nur keine
lange Taille iſt. Eine Taille im Kleide! das ekel-
hafteſte von der Welt!

Luiſe. Ich muſs geſtehen, ich finde es nicht ſo:
ich glaube, daſs die Schönheit des Körpers darin
beſtehet, wenn die Taille das gehörige Eben-
maaſs —

Lotte. Ach was Schönheit! Ebenmaaſs! —
Schönheit iſt eine recht kurze, kurze Taille,
und einen recht langen langen Rock haben. Al-
le Welt trägt jezt eine kurze Taille; und eine
Taille, die nicht recht kurz iſt, iſt häſslich.

Luiſe. Aber, ich bitte Sie, dieſe Kleidung
iſt doch gar nicht natürlich, denn —

Lotte. Natürlich? Natur iſt dumm Zeug; ei-
ne Taille wie die Ihrige, unausſtehlich; und ei-
ne kurze Taille Mode.

Jettchen. Ich finde, daſs Sie Recht haben;
ich will mir gleich auch ſolch ein Kleid machen
laſſen. (geht um einen Rock von ihrer Mutter
eben ſo anzuziehn.)

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[363/0395] Wie? ſagte ſie, was ſehe ich? Sie tragen noch ſolche lange Taillen an ihren Kleidern? Pfui! ſchämen ſie ſich. Das trägt ja kein Menſch mehr. Nein ſehen Sie mich an, ich ha- be mir dieſs Kleid erſt machen laſſen; ſo muſs man’s tragen. Eine lange Taille! Pfui. Jettchen. Finden Sie es denn hübſcher, gar keine Taille zu haben? Lotte. Ich finde alles hübſch, was nur keine lange Taille iſt. Eine Taille im Kleide! das ekel- hafteſte von der Welt! Luiſe. Ich muſs geſtehen, ich finde es nicht ſo: ich glaube, daſs die Schönheit des Körpers darin beſtehet, wenn die Taille das gehörige Eben- maaſs — Lotte. Ach was Schönheit! Ebenmaaſs! — Schönheit iſt eine recht kurze, kurze Taille, und einen recht langen langen Rock haben. Al- le Welt trägt jezt eine kurze Taille; und eine Taille, die nicht recht kurz iſt, iſt häſslich. Luiſe. Aber, ich bitte Sie, dieſe Kleidung iſt doch gar nicht natürlich, denn — Lotte. Natürlich? Natur iſt dumm Zeug; ei- ne Taille wie die Ihrige, unausſtehlich; und ei- ne kurze Taille Mode. Jettchen. Ich finde, daſs Sie Recht haben; ich will mir gleich auch ſolch ein Kleid machen laſſen. (geht um einen Rock von ihrer Mutter eben ſo anzuziehn.)

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Zitationshilfe: Guts Muths, Johann Christoph Friedrich: Spiele zur Übung und Erholung des Körpers und Geistes. Schnepfenthal, 1796, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutsmuths_spiele_1796/395>, abgerufen am 22.11.2024.