Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.Cap. II. sie bey einen andern, und holen es daselbst. Wenn Leute bey ihm sind,und trincken, so gehet es endlich noch eher an, daß er sagen kan: Er wolle nichts mehr hergeben. Ein Kauffmann, der schön Tuch verkaufft, kan ebenfals andere irritiren, aber er kan nicht erst die Leute fragen: ob sie auch Geld hätten, es zu bezahlen, und ob sie sich nicht würden da- durch ruiniren? Aber dieses ist zu observiren, daß obgleich ein Imperans alle diese Dinge in der Republic toleriret, so muß er doch acht geben, daß sei- ne Leute das wenigste davon nehmen, und dieselben also von denen excessi- bus abgehalten werden, e. g. In Holland werden vor viele hundert tausend Thaler Waaren fabriciret, aber die Holländer brauchen das wenigste da- von; sie sind sparsam, und wenden wenig Pracht an Kleider, das meiste wird verführet. Ich weiß mich zu entsinnen, daß man hier einen Charten- macher nicht wollte zum Abendmahl lassen, weil derselbe ein sündlich Handwerck triebe. Da kommt es nun darauf an, ob das Spielen nicht erlaubt? Der Chartenmacher sagte, ich spiele nicht, und wenn man solche Leute nicht wollte dulten, so würden dem Herrn viele tausend Rthlr. aus dem Lande gehen. In Franckreich zu Rouen hat man sonst die schönsten Charten gemacht, da aber die Holländer, und andere na- tiones solche selbst gemacht, so hat man angemerckt, daß der König in Franckreich eine Million dadurch verlohren. Es ist eben, als wenn ich frage, ob einer könne Flitter-Gold machen, welches in Nürnberg häuf- fig verfertiget wird, denn mit diesem Flitter-Golde, weil es sehr rauschet, haben die Spanier die Indianer betrogen, welchen es gefallen, und ha- ben sie denen Spaniern ihr bestes Gold und Silber davor gegeben. Durch die Charten kan freylich ein grosser abusus entstehen, und will ich eben einem nicht rathen, ein Chartenmacher zu werden, unterdessen kan ich doch dem hiesigen Priester nicht Beyfall geben, welcher den Char- tenmacher nicht wollen zum Abendmahle lassen: Denn auf diese Weise dürfften gar viele opifices nicht darzu gelassen werden. Man muß also die Sache cum grano salis betrachten, und muß ein Princeps dieses in acht nehmen, ut necessarias promoveat, utiles foveat, jucundas tollat. Wenn wir nun aber eine profession ergreiffen, so müssen wir auch se- hen, daß sie sich vor unsern Stand schickt. Also würde es nicht ange- hen, wenn ein Edelmann wollte ein Kleber, ein Schmidt, ein Schuster etc. werden. Mons. Barbeyrac hat einen schönen Tract. du Jeu geschrieben, worinnen er artige Sachen hievon beygebracht. Er fragt auch darin- nen, ob man sich könte auf die Music legen, und spielen dürffte? Was die Music betrifft, sagt er, dächten viele, es sey nur ein plaisir, allein es erfordere bey dem Menschen sehr viel, wenn er es lernen wollte; es er- fordere
Cap. II. ſie bey einen andern, und holen es daſelbſt. Wenn Leute bey ihm ſind,und trincken, ſo gehet es endlich noch eher an, daß er ſagen kan: Er wolle nichts mehr hergeben. Ein Kauffmann, der ſchoͤn Tuch verkaufft, kan ebenfals andere irritiren, aber er kan nicht erſt die Leute fragen: ob ſie auch Geld haͤtten, es zu bezahlen, und ob ſie ſich nicht wuͤrden da- durch ruiniren? Aber dieſes iſt zu obſerviren, daß obgleich ein Imperans alle dieſe Dinge in der Republic toleriret, ſo muß er doch acht geben, daß ſei- ne Leute das wenigſte davon nehmen, und dieſelben alſo von denen exceſſi- bus abgehalten werden, e. g. In Holland werden vor viele hundert tauſend Thaler Waaren fabriciret, aber die Hollaͤnder brauchen das wenigſte da- von; ſie ſind ſparſam, und wenden wenig Pracht an Kleider, das meiſte wird verfuͤhret. Ich weiß mich zu entſinnen, daß man hier einen Charten- macher nicht wollte zum Abendmahl laſſen, weil derſelbe ein ſuͤndlich Handwerck triebe. Da kommt es nun darauf an, ob das Spielen nicht erlaubt? Der Chartenmacher ſagte, ich ſpiele nicht, und wenn man ſolche Leute nicht wollte dulten, ſo wuͤrden dem Herrn viele tauſend Rthlr. aus dem Lande gehen. In Franckreich zu Rouen hat man ſonſt die ſchoͤnſten Charten gemacht, da aber die Hollaͤnder, und andere na- tiones ſolche ſelbſt gemacht, ſo hat man angemerckt, daß der Koͤnig in Franckreich eine Million dadurch verlohren. Es iſt eben, als wenn ich frage, ob einer koͤnne Flitter-Gold machen, welches in Nuͤrnberg haͤuf- fig verfertiget wird, denn mit dieſem Flitter-Golde, weil es ſehr rauſchet, haben die Spanier die Indianer betrogen, welchen es gefallen, und ha- ben ſie denen Spaniern ihr beſtes Gold und Silber davor gegeben. Durch die Charten kan freylich ein groſſer abuſus entſtehen, und will ich eben einem nicht rathen, ein Chartenmacher zu werden, unterdeſſen kan ich doch dem hieſigen Prieſter nicht Beyfall geben, welcher den Char- tenmacher nicht wollen zum Abendmahle laſſen: Denn auf dieſe Weiſe duͤrfften gar viele opifices nicht darzu gelaſſen werden. Man muß alſo die Sache cum grano ſalis betrachten, und muß ein Princeps dieſes in acht nehmen, ut neceſſarias promoveat, utiles foveat, jucundas tollat. Wenn wir nun aber eine profeſſion ergreiffen, ſo muͤſſen wir auch ſe- hen, daß ſie ſich vor unſern Stand ſchickt. Alſo wuͤrde es nicht ange- hen, wenn ein Edelmann wollte ein Kleber, ein Schmidt, ein Schuſter ꝛc. werden. Monſ. Barbeyrac hat einen ſchoͤnen Tract. du Jeu geſchrieben, worinnen er artige Sachen hievon beygebracht. Er fragt auch darin- nen, ob man ſich koͤnte auf die Muſic legen, und ſpielen duͤrffte? Was die Muſic betrifft, ſagt er, daͤchten viele, es ſey nur ein plaiſir, allein es erfordere bey dem Menſchen ſehr viel, wenn er es lernen wollte; es er- fordere
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Cap. II.
ſie bey einen andern, und holen es daſelbſt. Wenn Leute bey ihm ſind,
und trincken, ſo gehet es endlich noch eher an, daß er ſagen kan: Er
wolle nichts mehr hergeben. Ein Kauffmann, der ſchoͤn Tuch verkaufft,
kan ebenfals andere irritiren, aber er kan nicht erſt die Leute fragen:
ob ſie auch Geld haͤtten, es zu bezahlen, und ob ſie ſich nicht wuͤrden da-
durch ruiniren? Aber dieſes iſt zu obſerviren, daß obgleich ein Imperans
alle dieſe Dinge in der Republic toleriret, ſo muß er doch acht geben, daß ſei-
ne Leute das wenigſte davon nehmen, und dieſelben alſo von denen exceſſi-
bus abgehalten werden, e. g. In Holland werden vor viele hundert tauſend
Thaler Waaren fabriciret, aber die Hollaͤnder brauchen das wenigſte da-
von; ſie ſind ſparſam, und wenden wenig Pracht an Kleider, das meiſte
wird verfuͤhret. Ich weiß mich zu entſinnen, daß man hier einen Charten-
macher nicht wollte zum Abendmahl laſſen, weil derſelbe ein ſuͤndlich
Handwerck triebe. Da kommt es nun darauf an, ob das Spielen
nicht erlaubt? Der Chartenmacher ſagte, ich ſpiele nicht, und wenn
man ſolche Leute nicht wollte dulten, ſo wuͤrden dem Herrn viele tauſend
Rthlr. aus dem Lande gehen. In Franckreich zu Rouen hat man ſonſt
die ſchoͤnſten Charten gemacht, da aber die Hollaͤnder, und andere na-
tiones ſolche ſelbſt gemacht, ſo hat man angemerckt, daß der Koͤnig in
Franckreich eine Million dadurch verlohren. Es iſt eben, als wenn ich
frage, ob einer koͤnne Flitter-Gold machen, welches in Nuͤrnberg haͤuf-
fig verfertiget wird, denn mit dieſem Flitter-Golde, weil es ſehr rauſchet,
haben die Spanier die Indianer betrogen, welchen es gefallen, und ha-
ben ſie denen Spaniern ihr beſtes Gold und Silber davor gegeben.
Durch die Charten kan freylich ein groſſer abuſus entſtehen, und will ich
eben einem nicht rathen, ein Chartenmacher zu werden, unterdeſſen kan
ich doch dem hieſigen Prieſter nicht Beyfall geben, welcher den Char-
tenmacher nicht wollen zum Abendmahle laſſen: Denn auf dieſe Weiſe
duͤrfften gar viele opifices nicht darzu gelaſſen werden. Man muß alſo
die Sache cum grano ſalis betrachten, und muß ein Princeps dieſes in
acht nehmen, ut neceſſarias promoveat, utiles foveat, jucundas tollat.
Wenn wir nun aber eine profeſſion ergreiffen, ſo muͤſſen wir auch ſe-
hen, daß ſie ſich vor unſern Stand ſchickt. Alſo wuͤrde es nicht ange-
hen, wenn ein Edelmann wollte ein Kleber, ein Schmidt, ein Schuſter ꝛc.
werden. Monſ. Barbeyrac hat einen ſchoͤnen Tract. du Jeu geſchrieben,
worinnen er artige Sachen hievon beygebracht. Er fragt auch darin-
nen, ob man ſich koͤnte auf die Muſic legen, und ſpielen duͤrffte? Was
die Muſic betrifft, ſagt er, daͤchten viele, es ſey nur ein plaiſir, allein es
erfordere bey dem Menſchen ſehr viel, wenn er es lernen wollte; es er-
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