Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.De variis hominum Statibus. und Wurtzeln essen. Wir können gar wohl in dem Stande bleiben,da wir sind, wenn wir nur arbeiten, und thun dasjenige, was dem menschlichen Geschlecht nützlich und jucunde ist; daher kan man auch die Wirthe nicht gantz verwerffen. Das negire ich nicht, daß die agricultura eines von den aller innocentesten; aber wenn man auf die andern Künste und Arbeiter gehet, so ist keines darunter, welches einem nicht könnte irritiren, daß man eitel wird. Mons. Bayle in seinem Di- ction. Historique Critique sub voce: Alea hat artige Gedancken hievon, und sagt: es ist gut, daß manche Leute luxuriös sind, und sich vor ihr Geld allerhand Sachen anschaffen, denn sie erhalten, und ernehren vie- le Leute dadurch. Der Luxus muß in der Republic seyn, da hat einer einen Gefallen an diesem, der andere an jenem, und kaufft es. Wer wollte sagen, daß die Frantzosen alle in einem verdammlichen Zustand stürtzten, welche uns allerhand Stoffe zuschicken, bald einen mit grossen, bald einen mit kleinen Blumen, bald mit Würffeln, bald mit einem Brettspiel. Du kanst sie kauffen, und es auch bleiben lassen. Wir haben auch diversos status, da man sich nothwendig distinguiren muß; die inaequalität ist einmahl, und derjenige, welcher denckt, es werde wie- der ad pristinam aequalitatem kommen, betrieget sich sehr; Im Himmel werden wir alle wieder gleich seyn, da brauchen wir keine Kleider, und auch keine Stoffe. Man kan freylich alles mißbrauchen. Ein Bra- ten kan dich irritiren, der auf dem Tische stehet, e. g. du hast dir vor- gesetzt nicht viel zu essen, wie aber der Braten auf den Tisch kommt, so ist er schön gebraten, daß du immer mehr nimmst, und dir einen di- cken Wanst frißt. Wer wollte deswegen sagen, der Koch ist schuld daran; das ist eine sündliche Profession, welche man nicht leiden darff. Aber einige professiones leuchten in die Augen, daß sie närrisch sind. e. g. Es will einer ein Seil-Täntzer, ein Gauckler werden, item ein Katzen- Ritter, oder Katzen-Beisser, der sich vor Geld mit Hunden, Katzen und andern Thieren herum beisset. Das sind Bärenhäuter, Leute, welche man vor infam hält, welche könnten was Bessers lernen. Eben wenn einer ein Corsar oder Larron wird, worauf sich die Leute, welche unter der Republic Algier, Tunis, und Tripoli stehen, legen. Man kan also denen meisten professionibus jucundis noch einen Strich geben, daß sie können toleriret werden; viele kan man auch gar nicht missen, e. g. die Wirthschafft. Einen solchen Wirth kan man auf dieser Welt nicht suchen, welcher sagen wird, wenn ein Gast gnug getruncken, er gäbe ihm nichts mehr, sonderlich wenn sie das Geträncke in die Häuser hohlen las- sen: denn wenn ihnen dieser Wirth nichts mehr geben will, so gehen sie F 2
De variis hominum Statibus. und Wurtzeln eſſen. Wir koͤnnen gar wohl in dem Stande bleiben,da wir ſind, wenn wir nur arbeiten, und thun dasjenige, was dem menſchlichen Geſchlecht nuͤtzlich und jucundè iſt; daher kan man auch die Wirthe nicht gantz verwerffen. Das negire ich nicht, daß die agricultura eines von den aller innocenteſten; aber wenn man auf die andern Kuͤnſte und Arbeiter gehet, ſo iſt keines darunter, welches einem nicht koͤnnte irritiren, daß man eitel wird. Monſ. Bayle in ſeinem Di- ction. Hiſtorique Critique ſub voce: Alea hat artige Gedancken hievon, und ſagt: es iſt gut, daß manche Leute luxuriös ſind, und ſich vor ihr Geld allerhand Sachen anſchaffen, denn ſie erhalten, und ernehren vie- le Leute dadurch. Der Luxus muß in der Republic ſeyn, da hat einer einen Gefallen an dieſem, der andere an jenem, und kaufft es. Wer wollte ſagen, daß die Frantzoſen alle in einem verdammlichen Zuſtand ſtuͤrtzten, welche uns allerhand Stoffe zuſchicken, bald einen mit groſſen, bald einen mit kleinen Blumen, bald mit Wuͤrffeln, bald mit einem Brettſpiel. Du kanſt ſie kauffen, und es auch bleiben laſſen. Wir haben auch diverſos ſtatus, da man ſich nothwendig diſtinguiren muß; die inæqualitaͤt iſt einmahl, und derjenige, welcher denckt, es werde wie- der ad priſtinam æqualitatem kommen, betrieget ſich ſehr; Im Himmel werden wir alle wieder gleich ſeyn, da brauchen wir keine Kleider, und auch keine Stoffe. Man kan freylich alles mißbrauchen. Ein Bra- ten kan dich irritiren, der auf dem Tiſche ſtehet, e. g. du haſt dir vor- geſetzt nicht viel zu eſſen, wie aber der Braten auf den Tiſch kommt, ſo iſt er ſchoͤn gebraten, daß du immer mehr nimmſt, und dir einen di- cken Wanſt frißt. Wer wollte deswegen ſagen, der Koch iſt ſchuld daran; das iſt eine ſuͤndliche Profeſſion, welche man nicht leiden darff. Aber einige profeſſiones leuchten in die Augen, daß ſie naͤrriſch ſind. e. g. Es will einer ein Seil-Taͤntzer, ein Gauckler werden, item ein Katzen- Ritter, oder Katzen-Beiſſer, der ſich vor Geld mit Hunden, Katzen und andern Thieren herum beiſſet. Das ſind Baͤrenhaͤuter, Leute, welche man vor infam haͤlt, welche koͤnnten was Beſſers lernen. Eben wenn einer ein Corſar oder Larron wird, worauf ſich die Leute, welche unter der Republic Algier, Tunis, und Tripoli ſtehen, legen. Man kan alſo denen meiſten profeſſionibus jucundis noch einen Strich geben, daß ſie koͤnnen toleriret werden; viele kan man auch gar nicht miſſen, e. g. die Wirthſchafft. Einen ſolchen Wirth kan man auf dieſer Welt nicht ſuchen, welcher ſagen wird, wenn ein Gaſt gnug getruncken, er gaͤbe ihm nichts mehr, ſonderlich wenn ſie das Getraͤncke in die Haͤuſer hohlen laſ- ſen: denn wenn ihnen dieſer Wirth nichts mehr geben will, ſo gehen ſie F 2
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De variis hominum Statibus.
und Wurtzeln eſſen. Wir koͤnnen gar wohl in dem Stande bleiben,
da wir ſind, wenn wir nur arbeiten, und thun dasjenige, was dem
menſchlichen Geſchlecht nuͤtzlich und jucundè iſt; daher kan man auch
die Wirthe nicht gantz verwerffen. Das negire ich nicht, daß die
agricultura eines von den aller innocenteſten; aber wenn man auf die
andern Kuͤnſte und Arbeiter gehet, ſo iſt keines darunter, welches einem
nicht koͤnnte irritiren, daß man eitel wird. Monſ. Bayle in ſeinem Di-
ction. Hiſtorique Critique ſub voce: Alea hat artige Gedancken hievon,
und ſagt: es iſt gut, daß manche Leute luxuriös ſind, und ſich vor ihr
Geld allerhand Sachen anſchaffen, denn ſie erhalten, und ernehren vie-
le Leute dadurch. Der Luxus muß in der Republic ſeyn, da hat einer
einen Gefallen an dieſem, der andere an jenem, und kaufft es. Wer
wollte ſagen, daß die Frantzoſen alle in einem verdammlichen Zuſtand
ſtuͤrtzten, welche uns allerhand Stoffe zuſchicken, bald einen mit groſſen,
bald einen mit kleinen Blumen, bald mit Wuͤrffeln, bald mit einem
Brettſpiel. Du kanſt ſie kauffen, und es auch bleiben laſſen. Wir
haben auch diverſos ſtatus, da man ſich nothwendig diſtinguiren muß;
die inæqualitaͤt iſt einmahl, und derjenige, welcher denckt, es werde wie-
der ad priſtinam æqualitatem kommen, betrieget ſich ſehr; Im Himmel
werden wir alle wieder gleich ſeyn, da brauchen wir keine Kleider, und
auch keine Stoffe. Man kan freylich alles mißbrauchen. Ein Bra-
ten kan dich irritiren, der auf dem Tiſche ſtehet, e. g. du haſt dir vor-
geſetzt nicht viel zu eſſen, wie aber der Braten auf den Tiſch kommt,
ſo iſt er ſchoͤn gebraten, daß du immer mehr nimmſt, und dir einen di-
cken Wanſt frißt. Wer wollte deswegen ſagen, der Koch iſt ſchuld
daran; das iſt eine ſuͤndliche Profeſſion, welche man nicht leiden darff.
Aber einige profeſſiones leuchten in die Augen, daß ſie naͤrriſch ſind. e. g.
Es will einer ein Seil-Taͤntzer, ein Gauckler werden, item ein Katzen-
Ritter, oder Katzen-Beiſſer, der ſich vor Geld mit Hunden, Katzen und
andern Thieren herum beiſſet. Das ſind Baͤrenhaͤuter, Leute, welche
man vor infam haͤlt, welche koͤnnten was Beſſers lernen. Eben wenn
einer ein Corſar oder Larron wird, worauf ſich die Leute, welche unter
der Republic Algier, Tunis, und Tripoli ſtehen, legen. Man kan alſo
denen meiſten profeſſionibus jucundis noch einen Strich geben, daß ſie
koͤnnen toleriret werden; viele kan man auch gar nicht miſſen, e. g. die
Wirthſchafft. Einen ſolchen Wirth kan man auf dieſer Welt nicht
ſuchen, welcher ſagen wird, wenn ein Gaſt gnug getruncken, er gaͤbe ihm
nichts mehr, ſonderlich wenn ſie das Getraͤncke in die Haͤuſer hohlen laſ-
ſen: denn wenn ihnen dieſer Wirth nichts mehr geben will, ſo gehen
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