Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.De variis hominum Statibus. fast. Denn dieser Unterscheid ist vorhanden: daß der Mensch allezeiteinen finem, scopum vor sich hat, welchen er erwehlet. Er hat die Wahl auf diese oder jene Art etwas zu thun. Hergegen verstehe ich die inclination eines Thieres, so verstehe ich die inclination aller andern Thiere von dieser Art. Kan ich einen Fuchs fangen, so kan ich alle Füchse fangen. Die Thüre sehen nur auf die Erde, ad praesentia, sein Tage aber nicht in die Höhe. Bey denen Thieren ist keine Religion, quicquid sentiunt, ist alles nur etwas weniges. Der Mensch hergegen, wenn er gleich alleine ist, hat einen grossen Vorzug propter rationem; er weiß, warum er sich kleidet. Wenn er in die Höhe siehet, und be- trachtet die Sterne am Himmel, und andere Dinge, er findet eine schöne harmonie, so wird er bald auch eine Religion kriegen: Denn er siehet endlich, daß ein ens muß seyn, welches dieses alles gemacht. Al- so kan er per contemplationem auf ein ens summum kommen, alles ver- mittelst des raisonnirens. Endlich wird er auch sich selbst betrachten, wenn er seine Vernunfft brauchet, und da wird er sehen, wie er von denen brutis unterschieden. §. 3--7. Wenn wir aber dieses nun alles ansehen, so finden wirWas Status posi-
De variis hominum Statibus. faſt. Denn dieſer Unterſcheid iſt vorhanden: daß der Menſch allezeiteinen finem, ſcopum vor ſich hat, welchen er erwehlet. Er hat die Wahl auf dieſe oder jene Art etwas zu thun. Hergegen verſtehe ich die inclination eines Thieres, ſo verſtehe ich die inclination aller andern Thiere von dieſer Art. Kan ich einen Fuchs fangen, ſo kan ich alle Fuͤchſe fangen. Die Thuͤre ſehen nur auf die Erde, ad præſentia, ſein Tage aber nicht in die Hoͤhe. Bey denen Thieren iſt keine Religion, quicquid ſentiunt, iſt alles nur etwas weniges. Der Menſch hergegen, wenn er gleich alleine iſt, hat einen groſſen Vorzug propter rationem; er weiß, warum er ſich kleidet. Wenn er in die Hoͤhe ſiehet, und be- trachtet die Sterne am Himmel, und andere Dinge, er findet eine ſchoͤne harmonie, ſo wird er bald auch eine Religion kriegen: Denn er ſiehet endlich, daß ein ens muß ſeyn, welches dieſes alles gemacht. Al- ſo kan er per contemplationem auf ein ens ſummum kommen, alles ver- mittelſt des raiſonnirens. Endlich wird er auch ſich ſelbſt betrachten, wenn er ſeine Vernunfft brauchet, und da wird er ſehen, wie er von denen brutis unterſchieden. §. 3--7. Wenn wir aber dieſes nun alles anſehen, ſo finden wirWas Status poſi-
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De variis hominum Statibus.
faſt. Denn dieſer Unterſcheid iſt vorhanden: daß der Menſch allezeit
einen finem, ſcopum vor ſich hat, welchen er erwehlet. Er hat die
Wahl auf dieſe oder jene Art etwas zu thun. Hergegen verſtehe ich
die inclination eines Thieres, ſo verſtehe ich die inclination aller andern
Thiere von dieſer Art. Kan ich einen Fuchs fangen, ſo kan ich alle
Fuͤchſe fangen. Die Thuͤre ſehen nur auf die Erde, ad præſentia, ſein
Tage aber nicht in die Hoͤhe. Bey denen Thieren iſt keine Religion,
quicquid ſentiunt, iſt alles nur etwas weniges. Der Menſch hergegen,
wenn er gleich alleine iſt, hat einen groſſen Vorzug propter rationem;
er weiß, warum er ſich kleidet. Wenn er in die Hoͤhe ſiehet, und be-
trachtet die Sterne am Himmel, und andere Dinge, er findet eine
ſchoͤne harmonie, ſo wird er bald auch eine Religion kriegen: Denn er
ſiehet endlich, daß ein ens muß ſeyn, welches dieſes alles gemacht. Al-
ſo kan er per contemplationem auf ein ens ſummum kommen, alles ver-
mittelſt des raiſonnirens. Endlich wird er auch ſich ſelbſt betrachten,
wenn er ſeine Vernunfft brauchet, und da wird er ſehen, wie er von
denen brutis unterſchieden.
§. 3--7. Wenn wir aber dieſes nun alles anſehen, ſo finden wir
nichts, als einen einigen ſtatum moralem, daß wenn der Menſch gantz
alleine, ſo thut er alles cum fine; habet certum ſcopum, dadurch er ſich
conſerviret, poteſt cognoſcere Deum. vid. Thomaſ. in Jurisprud. Divina.
Wenn der Menſch alleine, ſo ſind nicht viel ſtatus, er iſt kein Mann,
denn einen maritum kan man nicht concipiren, wenn keine Frau da iſt;
er iſt kein Vater, denn es ſind keine Kinder vorhanden. Wer alleine
iſt, der iſt auch kein Herr und Knecht, wenn einer alleine iſt, da iſt kein
dominium, kein imperium, keine ſouverainité vorhanden. Das iſt was
wunderliches von dem Cruſoe, daß er ſich eingebildet, er waͤre ſouve-
rain. Alſo ſind alle andere ſtatus, welche wir haben, ex conjunctione
entſtanden. Deßwegen nennet man dieſes ſtatum compoſitum, weil
man da nicht alleine ſe tantum reſpicit, ſed etiam alios, ſine quibus eſſe
non poſſumus, ſine quibus durare non poſſumus. Koͤnte aber nun einer
ein argumentum cogens bringen, daß er gar keinen andern Menſchen
brauchte, ſo koͤnte man auch gar nicht ſagen, daß er einem andern Men-
ſehen verbunden waͤre, aber ſo da kein Menſch ohne den andern leben kan,
es muß einer mit andern Menſchen umgehen, und zu thun haben; daher
folget: Poſito alio homine ponitur obligatio. Denn wenn wir keme
obligationes gegen einander haͤtten, ſo koͤnte der andere mich lædere, læſio
iſt eine diſtinction cum hoſtibus non conjungimur; hier aber ſoll eine
conjunctio ſeyn, deßwegen ſagt eben Grotius in ſeinen Prologeminis:
poſi-
Was Status
abſolutus &
compoſitus
ſey?
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